Startup-Kauf: Wie gelingt die Mitarbeiterbindung?
Es kann schwierig sein, nach einer Firmenübernahme die gewünschten Mitarbeiter an Bord zu halten. Denn nach einer Transaktion verlässt knapp die Hälfte der identifizierten Schlüsselmitarbeiter das Unternehmen innerhalb des ersten Jahres. Nach einer Studie von Gilpin und Herndon haben sich nach drei Jahren bereits rund 75 Prozent beruflich neu orientiert. Dieser Punkt erweist sich beim Startup-Kauf als besonders kritisch. Gerade wenn dieses zu einem hohen Preis gekauft wird, um vom Know-how und der Innovationskraft der Mitarbeiter zu profitieren.
Dem Erwerber geht es häufig in erster Linie nicht um die Maschinen, Produkte und Dienstleistungen der jungen Firma, sondern um die Gründer, das Team und das im Unternehmen vorhandene Wissen. Der Konzern oder das mittelständische Unternehmen, sogenannte Corporates, kaufen keine Firma im klassischen Sinne, sondern Ideen, Konzepte und Innovationen, die in den Köpfen der Mitarbeiter verankert sind. Schon allein deshalb lautet die entscheidende Frage: Wie stelle ich sicher, dass ich auch wirklich die Schlüsselpersonen bekomme, auf die ich es beim Startup-Kauf abgesehen habe?
Potenzieller Clash der Unternehmenskulturen
Inkompatible Unternehmenskulturen sind ein gewichtiger Grund, warum Unternehmenstransaktionen misslingen. Nach einigen Schätzungen sind rund 85 Prozent aller gescheiterten Akquisitionen auf das Missmanagement unternehmenskultureller Themen zurückzuführen. Insbesondere im Startup-Umfeld müssen Corporates sorgfältig die Unterschiede zwischen dem erwerbenden und dem zu übernehmenden Unternehmen analysieren, um die Mitarbeiter nicht im Zuge der Transaktion zu verlieren. So schätzen Menschen, die ein Startup gründen oder darin arbeiten, die dort herrschende Unternehmenskultur, legen Wert auf flache Hierarchien und agile Arbeitsweisen sowie auf ein spannendes Produkt, das sie gemeinsam zum Erfolg bringen wollen.
Auch die Vergütungsphilosophie unterscheidet sich häufig. In "traditionellen" Corporates ist die Vergütung der Mitarbeiter vergleichsweise stabil, da sie in der Regel von fixen Bestandteilen dominiert wird. Insbesondere bei Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen findet sich eine starke Betonung der Messbarkeit und folglich eine kennzahlenbasierte Ausgestaltung von Vergütungsinstrumenten, die als Geldbetrag ausbezahlt werden. Eigenkapitalbasierte langfristig orientierte Vergütungskomponenten gibt es hauptsächlich für das Top-Management. Dagegen wird in Start-ups typischerweise ein geringeres Fixum gezahlt, was auch möglichen Cashflow-Restriktionen geschuldet ist. Die volatilen Geschäftsmodelle erschweren die Erfolgsmessung, daher ist ein signifikanter Teil der Vergütung anteilsbasiert und anteilsbedient. Eine frühe Unverfallbarkeit der anteilsbasierten Vergütung dient zur Risikosenkung für die Planteilnehmer. Die oftmals breite Teilnahme der Mitarbeiterschaft an anteilsbasierten langfristigen Vergütungskomponenten kann deshalb zu einem möglicherweise substantiellen Zufluss bei einer Reihe der Schlüsselmitarbeiter und damit einem Abwanderungsrisiko führen.
Grundsätzlich müssen sich Verantwortliche für die Übernahme ebenso wie am Firmenkauf beteiligte Personaler fragen, wie stark sich das Startup von der Arbeitsweise und der Vergütung des Corporates abhebt: Was kann also die Mitarbeiter – abgesehen von einer vertraglich geregelten Mindestverweildauer und an ein Verbleiben im Unternehmen gebundene Boni – dennoch motivieren, in der neuen Firma zu bleiben?
Der vielleicht wichtigste Rat: Think twice before initiating change!
Die Erfahrung zeigt, dass eine Eingliederung in bestehende Firmenstrukturen häufig kontraproduktiv ist: Es gehen vor allem die hochmotivierten und innovativ denkenden Mitarbeiter, auf die es das Unternehmen eigentlich abgesehen hatte. So lautet salopp formuliert der vielleicht wichtigste Rat: Think twice before initiating change! Entgegen dem ersten Reflex, sollten Corporates die Startups nicht sofort integrieren, sondern ihnen außerhalb der etablierten Unternehmensstrukturen größtmögliche Freiheit gewähren. Es ist zu überlegen, die neuen Mitarbeiter nicht in die bestehenden Prozesse und Hierarchien einzubinden, weil das möglicherweise ihre Kreativität und Innovationsfähigkeit einschränkt. Aber auch ihre Vergütung sollte nicht den Strukturen im Unternehmen angeglichen werden, sondern im Gegenteil möglichst nah an der eines Startups bleiben.
Die bestehende Anreizstruktur für die Startup-Mitarbeiter kann etwa dadurch weitergeführt werden, dass das bisherige Vergütungsmodell nachgebildet wird, welches bei Start-ups traditionell sehr stark auf Meilensteine, wie etwa Kapitaleinwerbung oder Verkäufe ausgerichtet ist. Auch die Vergütungshöhen und -strukturen bleiben gegebenenfalls unangetastet, um die bisherige starke Erfolgsfokussierung beizubehalten. Häufig jedoch müssen Personaler gerade in diesem Punkt über ihren eigenen Schatten springen, denn dieser Ansatz führt zu einer heterogenen Vergütungslandschaft und zusätzlichem Administrationsaufwand.
Schlüsselmitarbeiter während der Prüfung des Startups betrachten
Darüber hinaus spricht beim Startup-Kauf alles dafür, bereits während der Prüfung zum Kauf die Schlüsselmitarbeiter zu identifizieren und zu analysieren, in welchem Umfang sie (monetär) von der Transaktion profitieren. Idealerweise besteht auch die Möglichkeit, zumindest mit den Gründern abzuklären, wie deren weitere Prioritäten und Pläne aussehen. Während bei klassischen Transaktionen die Bereitschaft des Unternehmens, entsprechende Informationen herauszugeben eher gering ist, haben die Startups in der Regel eine hohe Bereitschaft zur Transparenz. So ist es möglich, frühzeitig die Erwartungen in Erfahrung zu bringen und passende Angebote auszuarbeiten. Damit kann man bereits im Vorfeld diskutieren, welche Vergütungsmodelle attraktiv sind
Schließlich gilt: So wichtig die Sonderstellung für das erworbene Startup anfangs auch ist – auf ewig angelegt ist sie nicht. So werden sich passionierte Gründer mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später ohnehin auf ein neues Produkt konzentrieren wollen, was innerhalb der Firmenstruktur gegebenenfalls nicht möglich ist. Und hat das Produkt des Startups die Innovationsphase hinter sich gelassen und ist das Know-how der Mitarbeiter im Unternehmen angekommen, sollte eine weitere Integration der Einheit in die bestehende Unternehmensstruktur durchaus angedacht werden.
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