Studie zu HR-Startups: Alles auf Neustart

Wie gelingt die Zusammenarbeit zwischen Start-up und Corporate? Welche Erwartungen zur Kooperation bestehen? Eine Studie der Wiesbaden Business School, der Beratungs­gesellschaft HKP und des Personalmagazins bringt Licht ins Dunkel.

Zwischen 2015 und 2019 hat sich die Zahl der HR-Start-ups mehr als verdreifacht ­– auf insgesamt 219, so stellte es bereits Simon Werther in Personalmagazin Ausgabe 05/2019 dar. In der neuen Studie „HR-Start-ups auf dem Prüfstand“ konnten wir noch einmal mehr HR-Start-ups in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) identifizieren: Ende 2019 offerierten insgesamt 265 junge Unternehmen Produkte und Dienstleistungen im Bereich Personalmanagement. 

Diese Studienergebnisse wurden in Personalmagazin Ausgabe 04/2020 veröffentlicht. Im Heft finden Sie einen ausführlichen Schwerpunkt zu HR-Start-ups inklusive einer Marktübersicht über Lösungen aus verschiedenen Bereichen, die Sie hier als PDF herunterladen können. Lesen Sie die gesamte Ausgabe auch in der  Personalmagazin-App

Es gibt also zwangsläufig sehr viele geschäftliche Kooperationsbeziehungen zwischen HR-Start-ups und etablierten Unternehmen. Und das nicht nur trotz, sondern auch wegen der immer wieder festgestellten Unterschiede zwischen diesen beiden Organisationsformen. Dabei ist scheinbar klar, was sich die Partner von so einer Kooperation erwarten: neue Produkte und Technologien einerseits, neue Kunden und Umsätze andererseits. Aber wie sieht es mit anderen Erwartungen aus? Wollen Corporates zum Beispiel auch, dass die Kultur und die Arbeitsweisen von HR-Start-ups abfärben? Und was passiert, wenn die gegenseitigen Erwartungen nicht übereinstimmen? Diese Aspekte wurden in bisherigen Untersuchungen kaum beachtet, sind aber wichtig, wie sich durch die Studie zeigt. Deshalb standen zwei Fragen im Mittelpunkt der gemeinsamen Studie der Wiesbaden Business School, der HKP Group und des Personalmagazins. Erstens: Wie sieht die HR-Start-up-Landschaft aus? Zweitens: Welche Herausforderungen und Lösungen gibt es bei der Zusammenarbeit von HR-Start-ups mit etablierten Unternehmen?

HR-Start-ups auf dem Prüfstand: Studienaufbau

Dafür wurden im Rahmen eines studentischen Forschungsprojekts zwischen Oktober und Dezember 2019 zwei empirische Erhebungen durchgeführt: Zunächst wurden zehn Vertreter der Corporate- und HR-Start-up-Seite interviewt, um Erfolgsfaktoren zu identifizieren, die spezifisch für die Kooperation mit Start-ups aus dem HR-Bereich sind. Anschließend wurde ein Online-Fragebogen an beide Seiten verschickt. Auf Basis der Antworten (123 HR-Start-ups und 49 Corporates, wobei nicht immer alle Fragen beantwortet wurden, weshalb die Anzahl der Antworten zwischen den Fragen variiert) analysierte das Team sowohl den Status quo der HR-Start-up-Szene als auch die jeweiligen Erwartungen und Erfahrungen im Zusammenhang mit der Kooperation zwischen Corporates und HR-Start-ups. Zudem überprüfte das Team die Zuordnung der HR-Start-ups zu den HR-Teilfunktionen („Solution Focus“) und ordnete hier auch jene Start-ups zu, die nicht an der Umfrage teilgenommen hatten.

HR-Start-ups und Corporates

Gemäß der Definition der Europäischen Union werden unter etablierten Unternehmen, auch Corporates genannt, Organisationen mit mehr als 250 Mitarbeitenden oder einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro verstanden. In Einzelfällen kann davon abgewichen werden, wenn die Firmen auf eine Historie von mehr als zehn Jahren zurückblicken können und mehrere Dutzend Mitarbeiter beschäftigen.
Noch etwas mehr Spielraum gewährt die definitorische Abgrenzung von Start-ups. In Anlehnung an den Bundesverband Deutsche Startups definiert die Studie HR-Start-ups als Unternehmen, die

  • innovative, technologiebasierte Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle für eine oder mehrere HR-Teilfunktionen anbieten,
  • hohe Wachstumsraten realisieren oder zumindest ein hohes Wachstum anstreben,
  • meist als Kapitalgesellschaften gegründet werden und entweder durch Wagniskapital oder Beteiligung der Unternehmensgründer finanziert werden und
  • nicht älter als zehn Jahre sind.

In der Praxis sind solche formalen Unterscheidungskriterien weniger relevant als die organisationssoziologischen beziehungsweise -psychologischen: Corporates und Start-ups „ticken“ unterschiedlich. In der wissenschaftlichen Literatur wird immer wieder auf solche Unterschiede im Allgemeinen hingewiesen; auf Basis der Experteninterviews konnten wir diese um die Spezifika des HR-Umfelds erweitern, wie die Gegenüberstellung in der Tabelle zeigt. 

Unterschiede zwischen Corporates und HR-Start-ups CorporatesStart-ups
Alter und zeitliche ­PerspektiveLanges Bestehen:
Prägung durch Erfolge der Vergangenheit
Kurzes Bestehen: Fokus
auf Gegenwart und Zukunft
Größe und SystemtypusGroß bis sehr groß:
Organisation, funktional
stark ausdifferenzierte Strukturen
Klein: Eher teambasiert, wenig
ausdifferenziert
Unternehmensziele und -strategiePlanungsorientiert:
Profitabilitäts-, Kosten-
und Effizienzziele
Überlebensorientiert:
Wachstums- und
Liquiditätsziele
Zugang zu Absatz- und BeschaffungsmärktenEtablierter Kundenstamm, geprüfte ­Lieferanten, oft bekannte ArbeitgebermarkeWenige Kunden, kaum Lieferanten, meist keine Bekanntheit unter (potenziellen) Arbeitnehmern
RessourcenbasisMeist breite finanzielle, personelle und informationelle RessourcenMeist knappe finanzielle und personelle Ressourcen
Organisationsstrukturen und -prozesseHoch strukturiert:
Formale Regeln, Standards,
stabil
Lose strukturiert:
Kaum formelle Regelungen und Standards, dynamische Anpassungen
Kultur und ZusammenarbeitFormell: Über viele Jahre
etablierte Muster und
Spielregeln
Informell: Netzwerk-/
Gemeinschaft, geprägt durch Gründer oder Gründerinnen
InnovationstypusInkrementell („Schuster bleib bei 
deinen Leisten“)
Alle Innovationstypen: radikal, inkrementell, modular oder architektonisch
Daten-ManagementFokus auf Datenschutz und Compliance-Richtlinien, restriktiver UmgangFokus auf Produktoptimierung, extensiver Umgang

Beim Blick auf diese Liste wird klar: Im Bestfall sind die Unterschiede komplementär, das heißt, Corporates und HR-Start-ups ergänzen einander. Beispielsweise verfügen Corporates über einen guten Marktzugang und haben viele Stammkunden, sind aber oft zu träge, um innovative Lösungen schnell anzubieten – genau das ist die Stärke der Start-ups, die wiederum aber keine breite Kundenbasis haben. Wenn allerdings Corporates Monate brauchen, um ein Start-up als einen neuen Zulieferer zu qualifizieren, bringt das manche Start-ups in eine prekäre Situation, weil sich der erhoffte Erlös verzögert. Im schlechtesten Fall verlieren alle Beteiligten nicht nur Zeit und Nerven, sondern für den schwächeren Partner ist die Kooperation existenzbedrohend. In welche Richtung sich eine solch asymmetrische Beziehung entwickelt, hängt – wie bei jeder Partnerschaft – immer auch von den gegenseitigen Erwartungen ab. Aber erst muss man einen Partner finden. Dafür bietet die Start-up-Landschaft reichlich Möglichkeiten.


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