Jammern und andere Ideen fürs Rahmenprogramm

Die Angebotspalette der Kulturbörse "Performance" im Neuhäuser Schlosspark hat Optionen aufgezeigt, wie sich Business Events aufpeppen lassen. Von Akrobatik, Theater und Musiktheater über Walking Acts bis Clownerie.

Zu einer großen Führungskräftetagung könnte zum Beispiel das "Jammermobil" aus Hamburg passen. Zwei Künstlerinnen kommen mit ihrem "Jammermobil" zum Tagungsort und leisten professionelle Hilfe beim Frustabbau. Jammern hilft – aber nicht das anklagende Jammern, sondern das erleichternde Jammern, zu dem die Künstlerinnen in kleinen Gruppen oder im persönlichen Einzel-Coaching einladen. Gemeinsames Jammern könnte eine Maßnahme sein, wenn es jetzt mit den Tagungen und den Branchenmessen wieder losgeht. Die Jammerlappen aus Hamburg sind sich sicher: Jammern hilft persönlich und gesellschaftlich. Den eigenen Gefühlen wird Raum und Stimme gegeben und darin steckt die Chance auf eine Katharsis. Im zweiten Schritt durch das Mitteilen der Gefühle, entsteht Verständnis untereinander. Jammern weckt Gemeinschaftsgefühle und deckt Wünsche an die Zukunft auf. Die Performance-Künstlerinnen Sophia Guttenhöfer und Carolin Christa vom "Kollektiv Bauchladen Monopol" sind sich sicher: "Wenn wir uns über unseren Frust austauschen, kann mehr Mitgefühl zwischen uns Menschen entstehen."

Die hohe Kunst des Wehklagens

Zum Coaching begibt man sich einzeln in einen Transporter, der innen mit Vorhängen und bunten Lichtern ausgestattet wurde. Jeder Jammerwillige ist dort allein mit den beiden Profi-Jammerinnen. Die beiden Performance-Künstlerinnen fragen nach meinem persönlichen Grund zum Jammern, Klagen, Motzen, Meckern, Nörgeln, Schimpfen. Und kaum ist der ausgesprochen, schon fangen sie an, sich im Namen des Klienten oder der Klientin in einem nöligen Tonfall über alles zu beschweren, was zum Thema passt. Dann fordern sie den Coachee auf mitzumachen. Eine Teilnehmerin berichtet: "Tatsächlich macht sich nach ausgelassener Jammerei eine befreiende Wirkung breit." Zum Schluss wird das Jammern symbolisch in eine Glasmurmel eingeschlossen, die entsorgt oder bei Bedarf wieder zum Jammern aus der Hosentasche herausgeholt werden kann.

Die "Neue Zürcher Zeitung" schrieb in diesem Sommer passend: "In Deutschland macht sich die Ahnung breit, dass die Zeiten der Sorglosigkeit und der beständig verbesserten Lebensumstände vorbei sind. So etwas bringt den deutschen Seelenhaushalt mehr in Bedrängnis, als es bei anderen Natio­nen der Fall wäre. Weil sich hier seit der Nachkriegszeit ein kontinuierliches optimistisches Aufstiegsnarrativ einprägte."

Auch wenn einige Künstler des Jammermobils auch eine systemische Coaching-Ausbildung haben, so versteht sich das Jammermobil doch in erster Linie als Kunst und verspricht einen Reinigungseffekt, den schon die alten Griechen bei den Besuchern eines Theaterstücks beobachteten und den sie Katharsis nannten. Das auf Aristoteles zurückgehende Konzept der Katharsis (altgriechisch für "Reinigung") behauptet, dass das Ausleben verdrängter Emotionen zu einer Reduktion dieser Gefühle führt. Vornehmlich wird von Katharsis gesprochen, wenn durch das ersatzweise Ausleben aggressiver Gefühle in fiktiver Form (über Theater, Film, Videospiel) eine Reduktion negativer Emotionen erzielt werden soll.

Die " Performance" in Paderborn gilt als die größte Künstlermesse im deutschsprachigen Bereich für Straßentheater und Kultur im öffentlichen Raum. In diesem Jahr zeigten rund 60 Prozent der Künstler neue Shows, die sie während der Corona-Krise entwickelt hatten. "Dass ich die Menschen begeistern kann, liebe ich an meinem Beruf", sagt einer der Künstler. Über Gagen spricht er nicht, aber der Auftritt eines Straßenkünstlers kostet, dem Vernehmen nach, einen Veranstalter zwischen 1.500 und 2.000 Euro und da sind die Extrakosten wie Anfahrt und Übernachtung noch nicht enthalten.

Walk Acts sorgen für Kommunikation

Eine andere Form, Gäste zu Beginn eines Events untereinander in Kontakt und zum Reden zu bringen sowie Spaß zu verbreiten, sind sogenannte "Walk Acts". Früher war das ein Pantomime oder ein Clown, die herumliefen und vor dem Eingang und im Foyer die Gäste begrüßten. Heute muss man schon mehr bieten: eine Fee, die knapp über dem Erdboden schwebt, einen aktuellen Kinohelden zum Anfassen, einen Doppelgänger von James Bond oder eine Wachsfigur, die sich plötzlich bewegt und sogar den schlimmsten Griesgram zum Lachen bringt. "Walk Acts" laufen über das Eventgelände und bieten ein lustiges und gelegentlich auch verwirrendes Bild. Die fundamentale Frage, die sich die Gäste stellen, lautet: "Wie skurril ist das denn?" Das Wichtigste bei allen Showeinlagen ist aber, dass die Gäste überrascht und animiert werden, mit anderen Gästen ins Gespräch zu kommen. Walk Acts begegnen den Menschen auf der emotionalen Ebene und genau das machen sich die Veranstalter von Events zunutze, denn sie wünschen sich nichts mehr, als die Besucherinnen und Besucher nachhaltig zu erreichen. 

Dieser Beitrag ist im Sonderheft "Tagen", Ausgabe November 2021, erschienen, das der November-Ausgabe der Zeitschrift  "Wirtschaft + Weiterbildung" beiliegt.


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