Mini-MBA: Gut und günstig, aber weniger wertvoll
Sie heißen "Mini-MBA", "Micro-MBA" oder "MBA Essentials", verfügen in der Regel über keine der bekannten Akkreditierungen, wie sie die großen Business Schools vorweisen können, sind dafür aber kurz und günstig. Fast alle setzen auf Inhalte prominenter und anerkannter Partner und Referenten. Einige konzentrieren sich auf Vollzeit-Präsenzangebote am Wochenende, andere setzen auf Online-Inhalte, die selbstgesteuertes Lernen unabhängig von Zeit und Ort ermöglichen. Viele Programme kombinieren praktisches Lernen allein und mit anderen mit projektbasierten Aktivitäten und versprechen Zugang zu professionellen Mentoren, Peer-Netzwerken und aktiven Alumni-Gemeinschaften.
Ausgewiesenes Ziel ist es, den Teilnehmenden einen schnellen Zugang zu grundlegenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Geschäftsstrategien zu geben. Viele Anbieter der Mini-MBAs bieten auch den klassischen MBA an. Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Mini-Variante kein vollumfängliches MBA-Studium ersetzt. Vielmehr soll so ein Kurs dabei helfen, sich für oder gegen eine klassische MBA-Ausbildung zu entscheiden.
Mini-MBA ist nicht gleich Mini-MBA
Die kürzesten Mini-MBAs dauern gerade einmal vier Tage. Die Birkbeck University of London bietet einen Mini-MBA zum Beispiel an vier Samstagen für rund 1.000 Euro (830 englische Pfund) an. Europäer vom Festland brauchen dafür ein Besucher-Visum, andere Voraussetzungen gibt es nicht. Die London School of Business and Finance LSBF richtet sich mit ihrem Vier-Tage-Mini-MBA für rund 2.900 Euro (2.400 englische Pfund) ausdrücklich an Führungskräfte mit mindestens fünf Jahren Managementerfahrung. Fünf Tage Präsenz in London oder wahlweise im virtuellen Klassenraum und rund 3.300 Euro (2.695 englische Pfund) Studiengebühren müssen Teilnehmende des Mini-MBA in Business Leadership der University of Salford Business School investieren. Dieses Angebot, das sagt die Universität ausdrücklich, soll Lust machen auf den klassischen MBA, den sie ebenfalls anbietet.
Die private Bildungsorganisation Abilitie mit Sitz in Austin, Texas, setzt ebenfalls auf Mini-MBAs. Bevor Bjorn Billhardt das Unternehmen zusammen mit Partnern 2015 gründete, hatte er seinen MBA in Harvard gemacht und dort einige der ersten interaktiven Online-Führungssimulationen entwickelt. Seit Anfang des Jahres hat Abilitie aufgrund der großen Nachfrage nach Europa expandiert und einen offiziellen Sitz in London. Geworben wird unter anderem damit, dass mittlerweile mehr als 20.000 High-Potentials von Fortune-500-Unternehmen wie Coca-Cola oder Dell ausgebildet wurden. Der Rising Leader Mini-MBA ist ein 10 bis 14-wöchiges Online-Programm mit Kohorten von 10 bis 14 Studierenden für Unternehmen, die ihren Führungskräften und Direktoren eine personalisierte MBA-Weiterbildung anbieten möchten. Abilitie selbst nennt es ein "MBA-Bootcamp".
Für private Interessenten wie Nachwuchsführungskräfte, Jungunternehmer und -unternehmerinnen sowie für Unternehmen gedacht ist der Invited MBA, ein ebenfalls online laufendes Programm über 12 Wochen für 1.600 Euro. Das Besondere daran: Invited vergleicht das Programm bewusst mit einem klassischen Vollzeit-MBA. Demnach fehlt bis auf die Akkreditierung nichts, was die großen Programme ausmacht. Betont werden die intensiven Business-Simulationen, zu denen sich die Teilnehmenden virtuell treffen. Auch hier wird Wert darauf gelegt, dass die Absolventen Zugang zu einem großen Karrierenetzwerk haben.
MBA Essentials: Appetithappen mit Mehrwert
Lust machen auf mehr, gleichzeitig aber auch eine Grundausbildung in Business Management anbieten sollen sogenannte MBA Essentials, Online-Kurse, die zum Beispiel von der University of Stellenbosch Business School USB-Ed in Südafrika oder der London School of Economics and Political Science LSE angeboten werden. Ihr Angebot an Führungskräfte lautet, in überschaubarer Zeit die technischen Fähigkeiten entwickeln zu können, die es braucht, um bessere strategische und operative Managemententscheidungen zu treffen und zugleich das Grundlagenwissen für einen möglicherweise folgenden MBA zu erwerben. Die USB-Ed geht von einer Studienzeit von 15 Wochen aus, in denen die Lernenden sich acht bis 12 Stunden pro Woche intensiv mit den online zur Verfügung gestellten Inhalten befassen sollen. Wie beim klassischen MBA wird mit Fallstudien gearbeitet und Wissen in Wirtschaftswissenschaften, quantitativen Methoden und Rechnungswesen vermittelt – ausdrücklich auch, um sich als Bewerberin oder Bewerber für ein MBA-Programm zu profilieren. Inklusive Abschlusszertifikat kostet der Kurs 1.572 Euro.
Die LSE hingegen weist in der Werbung für ihren zehn Wochen dauernden Online-Zertifikatskurs MBA Essentials explizit darauf hin, dass dieser keinesfalls den Zugang zu einem MBA-Programm garantiert. Die Kosten liegen bei rund 3.874 Euro. Diesen und andere Online-Zertifikatskurse nutzt die Universität als Marketinginstrument, um auf sich aufmerksam und ihr Angebot einem breiteren internationalen Publikum zugänglich zu machen.
Beide MBA-Essential-Kurse laufen auf der Online-Lernplattform GetSmarter, die auch die Inhalte für das Online-Selbststudium aufbereitet hat. GetSmarter ist Teil des US-amerikanischen Bildungskonzerns 2U, über den mehr als 230 Universitäten weltweit Online-Kurse und -Programme anbieten, die bislang von rund 140.000 Menschen absolviert wurden. Ab Mitte 2021 erhalten alle aktuellen und ehemaligen GetSmarter-Studenten unbegrenzten Zugang zu 2Us Career Engagement Network (CEN) mit Tipps für die Stellensuche, Fachartikeln von Experten und der Möglichkeit, direkt Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern aufzunehmen oder die Stellenbörse zu nutzen.
Kostengünstige MBAs für alle
Eines der jüngsten und zugleich günstigsten Angebote am Markt ist der 2017 in Spanien gegründete ThePowerMBA für 885 Euro. Das Programm des unter ThePower Business School firmierenden Anbieters wirbt mit einem vollständigen MBA-Curriculum und folgt dem Netflix-Konzept: die Grundlage bilden 15-minütige Videos als Micro-Lerneinheiten, unter anderem von Netflix-Gründer Marc Randolph oder Blinkist-Mitgründer Tobias Balling. Das Besondere daran: die englischsprachigen Videos gibt es mit deutschen Untertiteln. Content-Partner ist außerdem Harvard Business Publishing. Durchgearbeitet werden sollen alle Lektionen in 14 Monaten. Wer das nicht schafft, hat bis zu 18 Monate Zugriff auf die Plattform. Insgesamt umfasst die Unterrichtszeit 88 Stunden. Außerdem gibt es zusätzliche virtuelle Live-Klassen und mehr als 250 Networking-Events im Jahr. Genau diese Events sind es, die das Angebot nach Ansicht vieler Teilnehmenden so wertvoll machen. Akkreditiert ist das Programm nicht. Der Nachfrage tut das keinen Abbruch. Aktuell ist ThePowerMBA ausgebucht, Interessenten können sich auf eine Warteliste setzen lassen.
Mobile First ist das Motto der Quantic School of Business and Technology. Im Angebot sind ein MBA für Berufseinsteiger und ein Executive MBA für Führungskräfte mit einigen Jahren Berufserfahrung für jeweils 9.600 US-Dollar. Die Inhalte werden über eine App zur Verfügung gestellt, die auch als Social-Learning-Plattform für die Zusammenarbeit mit Lerngruppen dient. Die Dauer der Programme ist auf je 13 Monate ausgelegt. Zudem haben die Teilnehmenden nicht nur lebenslangen Zugang zum Quantic-Karrierenetzwerk Smartly-Talent, sondern auch zu den Lerninhalten. Eine Besonderheit des Programms: Quantic ist bei der US-amerikanischen Distance Education Accrediting Commission DEAC akkreditiert und damit offiziell in den USA anerkannt.
DEAC-akkreditiert ist auch die University of the People, die sich wie Quantic und ThePower Business School das Ziel gesetzt hat, elitäre Ausbildungen zu demokratisieren und für jeden erschwinglich zu machen. Statt Kursgebühren werden für den einjährigen UoPeople MBA Bearbeitungsgebühren für die Abschlussarbeiten von 240 US-Dollar je Kurs erhoben. Wer sich für das Programm bewirbt und angenommen werden möchte, muss zwingend einen vorbereitenden Kurs bestehen.
Mini-MBAs bieten Networking und Kontakte
Wer in Beurteilungen und Kommentaren recherchiert, stellt fest: Als wirkliche Alternative werden die günstigen MBAs in der Regel nicht gesehen. Darauf weist schon die kurze Dauer der Programme hin, die vielfach außerdem noch ausdrücklich für das berufsbegleitende Studium gedacht sind. Für viele sind sie vielmehr ein Einstieg, der dazu führt, später und auf einem womöglich höheren Hierarchie- oder Gehaltslevel einen "richtigen", akkreditierten MBA einer bekannten Business School anzuhängen. Die LSE oder USB-Ed bieten ihre MBA-Essential-Kurse auch unter diesem Label an, andere weisen in der Programm-Beschreibung explizit darauf hin.
Klassische MBA-Programme werben damit, dass sich die Investition schon deshalb lohnt, weil darauf oft ein großer Karriere- und Gehaltssprung folgt. Wer einen Harvard-MBA in seinem Linkedin-Profil ergänzt, wirbt mit der Marke Harvard auch für sich selbst. Mini-MBA-Programme sind bislang noch relativ unbekannt und tragen daher wenig zur Steigerung des persönlichen Marktwertes bei. Ein weiterer Wert von MBA-Programmen liegt in dem Karriere-Netzwerk und den Kontakten, die sie den Teilnehmenden bieten. Dessen sind sich auch die Anbieter der Mini-MBAs bewusst und werben damit.
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