Irrtum
Zur Anfechtung des Arbeitsvertrags ist nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt, wer bei Abgabe seiner Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war (sog. Inhaltsirrtum, z. B. Einstellung als Hausmeister statt als Bote; Arbeitnehmer irrt sich über die Person des Arbeitgebers) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte (sog. Erklärungsirrtum, z. B. Versprechen oder Verschreiben).
Dem Inhalts- oder Erklärungsirrtum gleichgestellt ist der sog. Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB. Danach kommt eine Anfechtung des Arbeitsvertrags in Betracht, wenn beim Arbeitgeber ein Irrtum über solche Eigenschaften der Person des Arbeitnehmers vorlag, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
Arbeitnehmer für geschuldete Arbeitsleistung objektiv ungeeignet
Ein solcher Irrtum liegt jedoch nur dann vor, wenn die irrig angenommene Eigenschaft den Arbeitnehmer als für die geschuldete Arbeitsleistung objektiv ungeeignet erscheinen lässt. So kann eine Krankheit oder ein körperliches Leiden eines Arbeitnehmers dann eine verkehrswesentliche Eigenschaft sein, wenn dem Arbeitnehmer dadurch auf Dauer die Fähigkeit genommen ist, die vertraglich geschuldete Arbeit zu erbringen. Wenn die Frage nach der betreffenden Eigenschaft unzulässig ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass ein Irrtum über die betreffende Eigenschaft nicht zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigt. Deshalb stellt eine bestehende, bei Vertragsschluss nicht bekannte Schwangerschaft in keinem Fall eine den Arbeitgeber zur Irrtumsanfechtung berechtigende Eigenschaft der Arbeitnehmerin dar. Dies gilt auch für den Fall, dass die – nur befristet eingestellte – schwangere Frau aufgrund eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz von Anfang an nicht auf der entsprechenden Stelle beschäftigt werden kann.
Irrtum über Leistungsfähigkeit oder Vertrauenswürdigkeit
- Ein Irrtum des Arbeitgebers über den Umfang der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers stellt regelmäßig keine zur Anfechtung berechtigende verkehrswesentliche Eigenschaft dar. In diesem Fall macht sich der Arbeitgeber zwar fehlerhafte Vorstellungen von den Fähigkeiten des Arbeitnehmers, er befindet sich aber nicht im Irrtum oder in Unkenntnis bezüglich einer konkreten Eigenschaft.
- In besonderen Vertrauenspositionen kann die Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellen. Deshalb kann eine einschlägige Vorstrafe Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers für die Arbeit begründen und eine falsche Vorstellung hierüber zur Irrtumsanfechtung berechtigen. Maßgeblich sind Vorstrafen dabei allerdings längstens bis zur Tilgung aus dem Strafregister nach den Regelungen des Bundeszentralregister-Gesetzes.
Anfechtung binnen 2-Wochenfrist
Eine Irrtumsanfechtung ist nur rechtswirksam, wenn sie "unverzüglich" erfolgt. Unverzüglich heißt damit, dass sie spätestens innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Kenntnis der für die Anfechtung maßgebenden Tatsachen erklärt werden muss. Notwendige Erkundigungen – ggf. auch die Einholung von Rechtsrat – sind mit der gebotenen Eile durchzuführen. Die Zuerkennung eines Wahlrechts zwischen dem Recht der Anfechtung und dem Recht der außerordentlichen Kündigung gebietet es, auf beide Gestaltungsrechte weitestgehend die gleichen Grundsätze anzuwenden. Die von der Rechtsprechung zur 2-Wochenausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB aufgestellten Rechtsgrundsätze gelten deshalb auch bei einer Anfechtung nach § 119 BGB.