Zusammenfassung
Abgesehen von der Beendigung durch Kündigung oder dem Ablauf einer Befristung kann das Arbeitsverhältnis auch aus anderen Gründen, z. B. durch Anfechtung enden. In diesem Beitrag wird dieser Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dargestellt.
Für die Anfechtung eines Arbeitsvertrags gelten die allgemeinen Vorschriften für die Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB) und wegen Drohung oder arglistiger Täuschung (§ 123 BGB). Einen Schwerpunkt bilden in der Praxis die Fälle der falschen Beantwortung von im Einstellungsverfahren gestellten Fragen. Insbesondere wenn die Anfechtungsmöglichkeit erst nach bereits in Kraft gesetztem Arbeitsverhältnis und nach geleisteter Arbeit bekannt wird, ergeben sich praktische Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung; diese können durch die gesetzlichen Vorschriften nicht gelöst werden; die Rechtsprechung hat hier die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses entwickelt.
1 Verhältnis von Anfechtung und Kündigung
Ein Arbeitsvertrag kann grundsätzlich wie jedes andere Rechtsgeschäft angefochten und damit beendet werden. Das bedeutet, dass eine Anfechtung sowohl wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums als auch wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.
Die rechtswirksame Anfechtung führt wie eine Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Im Gegensatz zu jeder Art von Kündigung ist eine Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG aber nicht erforderlich. Auch etwaige Kündigungsbeschränkungen gelten nicht. Das gilt insbesondere für den Sonderkündigungsschutz gemäß § 17 MuSchG und § 168 SGB IX. Die Anfechtung des Arbeitsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen bedarf deshalb nicht der Zustimmung durch das Integrationsamt.
Das Anfechtungsrecht wird dabei nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt; vielmehr kann ein und derselbe Sachverhalt sowohl zur Anfechtung als auch zur außerordentlichen und ordentlichen Kündigung berechtigen. Beide Möglichkeiten der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses stehen selbstständig nebeneinander.
Weder die vor der Anfechtung eines Arbeitsvertrags ausgesprochene außerordentliche Kündigung noch die zeitgleich mit der Anfechtung ausgesprochene ordentliche Kündigung bestätigen nach § 144 BGB den Arbeitsvertrag.
Hat der Arbeitgeber neben einer ordentlichen Kündigung den Widerruf der Erklärung, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag anzubieten, und die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärt, hängt der Erfolg der Kündigungsschutzklage auch von der Wirksamkeit des Widerrufs und der Anfechtung ab, wenn diese – ihre Berechtigungen unterstellt – dazu führen, dass bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestanden hat bzw. auf einen Zeitpunkt wirken, der vor dem Auflösungstermin der Kündigung liegt. Ob der Widerruf und die Anfechtung durchgreifen, ist vom Arbeitsgericht deshalb in aller Regel schon im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu überprüfen.
Wird das Arbeitsverhältnis – außerordentlich oder ordentlich – gekündigt und hat eine dagegen erhobene Kündigungsschutzklage Erfolg, scheidet allerdings nach Rechtskraft des Urteils eine Anfechtung aus.
2 Voraussetzungen der Anfechtung
Der Grund für die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses muss im Gegensatz zur Anfechtung anderer Rechtsgeschäfte bei Zugang der Anfechtungserklärung noch bestehen und sich noch auf das Arbeitsverhältnis auswirken.
Anfechtungsgrund fällt später weg
Hat ein Bewerber im Einstellungsgespräch eine zulässige Frage des Arbeitgebers über eine Erkrankung, die ihn daran gehindert hätte, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, falsch beantwortet, so ist eine Anfechtung des Arbeitsvertrags nicht mehr möglich, wenn der Arbeitgeber dies erst erfährt, nachdem der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig und gesund ist.
Im Übrigen ist bei den Voraussetzungen der Anfechtung des Arbeitsvertrags und den Erklärungsfristen zwischen der Irrtumsanfechtung und der Täuschungsanfechtung zu unterscheiden.
2.1 Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen Inhalts-, Erklärungs- oder Eigenschaftsirrtums
Irrtum
Zur Anfechtung des Arbeitsvertrags ist nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt, wer bei Abgabe seiner Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war (sog. Inhaltsirrtum, z. B. Einstellung als Hausmeister statt als Bote; Arbeitnehmer irrt sich über die Person des Arbeitgebers) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte (sog. Erklärungsirrtum, z. B. Versprechen oder Verschreiben).
Dem Inhalts- oder Erklärungsirrtum gleichgestellt ist der sog. Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB. Danach kommt eine Anfechtung des Arbeitsvertrags in Betracht, wenn beim Arbeitgeber ein Irrtum über solche Eigensch...