Dr. Christian Schlottfeldt
Das Arbeitszeitmodell der Vertrauensarbeitszeit ist dadurch gekennzeichnet, dass den Arbeitnehmern keine festen Arbeitszeiten, sondern in der Regel nur ein täglicher und wöchentlicher Arbeitszeitrahmen vorgegeben wird. Der Arbeitgeber verzichtet dabei auf eine Arbeitszeiterfassung und -kontrolle. Vertraglich ist dennoch eine bestimmte regelmäßige Arbeitszeit (z. B. 40 Stunden pro Woche) festgelegt. An die Stelle der in flexiblen Arbeitszeitsystemen üblichen Zeitkonten tritt der eigenverantwortliche Zeitausgleich durch die Mitarbeiter selbst, gegebenenfalls unterstützt durch die Führungskraft, wenn sich ein Missverhältnis zwischen Aufgabenvolumen und vereinbarter Arbeitszeit ergibt ("Überlastsituation"). Vertrauensarbeitszeit wird häufig eingeführt, um eine stärkere Fokussierung auf Ergebnisse statt auf reine Anwesenheitszeiten zu erreichen. Vertrauensarbeitszeit wird dabei nicht nur als Modell der Flexibilisierung der Arbeitszeit, sondern auch des Arbeitsortes, insbesondere zur Ermöglichung "mobiler Arbeit" mittels Laptop, Tablet-PC oder Smartphone, verbunden.
Für die Durchsetzung von Ansprüchen auf Vergütung für Überstunden bzw. Mehrarbeit gelten auch in der Vertrauensarbeitszeit grundsätzlich dieselben Regeln wie in Arbeitszeitsystemen mit Zeiterfassung. Auch sind die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes sowie etwa einschlägiger tariflicher Regelungen zu beachten und deren Einhaltung vom Arbeitgeber zu überwachen. Insoweit bedeutet Vertrauensarbeitszeit keinen "Abschied von der Arbeitszeit". Zur Gewährleistung der täglichen Ruhezeiten empfiehlt sich grundsätzlich ein 13-stündiger Arbeitszeitrahmen, der die minutengenaue Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit zwecks Kontrolle der Einhaltung der Ruhezeit entbehrlich macht.
Hinsichtlich des Arbeitszeitgesetzes ist insbesondere zu beachten, dass die gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG zu führenden gesetzlichen Arbeitszeitnachweise auch im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit zu führen sind. Dabei sind dem Wortlaut des Gesetzes nach alle Arbeitszeiten zu erfassen, die über 8 Stunden an Werktagen (Montag bis Samstag) hinausgehen sowie alle Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen. Die Aufzeichnungen können allerdings vom Arbeitnehmer, etwa im Rahmen einer Selbstaufschreibung, geführt werden.
Eine Aufzeichnung von Pausen oder Ruhezeiten und des erforderlichen Freizeitausgleichs von Arbeitszeiten ist nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes bislang nicht erforderlich.
Allerdings ist der Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aufgrund der Organisationspflichten im Arbeitsschutzgesetz gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.
Rechtsprechung des EuGH
Mit Urteil vom 14.5.2019 hält es der EuGH für geboten, dass der Arbeitgeber ein "objektives, verlässliches und zugängliches System" einrichtet, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.
Das bedeutet insbesondere, dass die Einhaltung der täglichen Ruhezeit (§ 5 ArbZG) sowie das Gesamtvolumen der geleisteten Arbeitszeit (Einhaltung des maximal zulässigen Arbeitszeitvolumens von durchschnittlich 8 Stunden/Werktag bzw. durchschnittlich 48 Stunden/Woche; § 3 ArbZG) nachvollziehbar sein muss. Streng genommen würde das auch eine lückenlose Erfassung aller Ruhepausen (§ 4 ArbZG) bedeuten.
D ie zuständige Arbeitsschutzbehörde kann gemäß § 22 Abs. 3 ArbSchG mit verwaltungsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu Ordnungsverfügungen und Zwangsgeldern die sich aus dem ArbSchG ergebenden Pflichten durchsetzen. Nach § 25 Abs. 1 Nr. 2a ArbSchG können Zuwiderhandlungen des Arbeitgebers gegen entsprechende behördliche Weisungen mit einem Bußgeld bis zu 30.000 EUR geahndet werden.
Der Arbeitgeber muss i.Ü. im Rahmen seiner Aufsichtspflicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer entsprechende Aufzeichnungen führt und diese auf die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitschutzbestimmungen überprüfen (z. B. durch stichprobenartige Kontrollen).
Der Arbeitgeber muss die Aufzeichnungen 2 Jahre aufbewahren und im Fall einer aufsichtsbehördlichen Prüfung den Vertretern der Behörde auf Verlangen vorlegen. Die Verpflichtung zur Führung und Kontrolle von Arbeitszeitnachweisen besteht, wie alle arbeitszeitschutzrechtlichen Regelungen, auch für Arbeitszeiten im Homeoffice.
Eine Verpflichtung zur Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Ruhepausen oder des Ausgleichs von Überschreitungen der werktäglichen Arbeitszeit innerhalb des insoweit vorgesehenen Ausgleichszeitraums (6 Kalendermonate oder 24 Wochen; für Nachtarbeitnehmer ein Kalendermonat oder 4 Wochen) besteht im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes nicht. Allerdings hält der EuGH es zur Umsetzung der Vorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union für geboten, dass die Mitgliedstaaten der EU die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches Sys...