Rz. 21
Im Gegensatz zu anderen arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen gilt das BUrlG auch für arbeitnehmerähnliche Personen, indem sie in § 2 Satz 2 1. Alt BUrlG in den persönlichen Geltungsbereich miteinbezogen werden. Unklar ist allerdings, ob die im Hinblick auf verschiedene Entscheidungen des EuGH erfolgten Korrekturen der Auslegung des Urlaubsrechts wie der Vererblichkeit von Urlaub, dem hinausgeschobenen Verfall des Urlaubs bei längerer Krankheit oder der Erhalt des Urlaubs, falls der Auftraggeber nicht auf die Möglichkeit des Verfalls konkret hingewiesen hat auch für arbeitnehmerähnliche Selbständige gelten. Europarechtlich ist das nicht geboten, da dieser Personenkreis regelmäßig mangels Weisungsgebundenheit nicht in den Geltungsbereich der RL 2003/88/EG fallen. Für eine europarechtskonforme Ausdehnung des BUrlG auch auf arbeitnehmerähnliche Selbständige spricht, dass der Gesetzgeber in § 2 BUrlG auch dieser Personengruppe unterschiedslos einen Anspruch auf Urlaub zugesprochen hat und daher erkennbar ist, dass sie unter denselben Voraussetzungen wie alle Arbeitnehmer Urlaub beanspruchen können. Zudem wäre es merkwürdig, dass ein Gesetz je nach Personengruppe unterschiedlich ausgelegt würde; das würde auch dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung widersprechen.
Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte sind solche, die nicht persönlich abhängig und daher keine Arbeitnehmer sind, die jedoch aufgrund einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem Auftraggeber einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sind. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige. An die Stelle der für ein Arbeitsverhältnis maßgeblichen persönlichen Abhängigkeit tritt die wirtschaftliche Abhängigkeit. Wirtschaftliche Abhängigkeit ist regelmäßig gegeben, wenn der Betroffene auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Dienstleistung zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist. Insbesondere bei der Tätigkeit für nur einen Auftraggeber kann das der Fall sein. Erforderlich ist eine gewisse Dauerbeziehung. Der Beschäftigte muss außerdem seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sein. Das ist gegeben, wenn das Maß der Abhängigkeit so ausgeprägt ist, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt und die geleisteten Dienste nach ihrer soziologischen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind.
Rz. 22
Der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Personen wird auch ohne nähere Definition in § 5 Abs. 1 ArbGG verwendet. Die Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlicher Person i. S. v. § 2 Satz 2 BUrlG und einem Selbstständigen bestimmt sich nach den allgemeinen Merkmalen. § 12a TVG enthält in § 12a Abs. 1 Nr. 1a und b TVG Zeit- und Verdienstrelationen, die zur Bestimmung der Eigenschaft eines arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen herangezogen werden können.
Arbeitnehmerähnliche Personen sind bestimmt durch
- einen Dienst- oder Werkvertrag als Grundlage der Tätigkeit,
- das Erbringen der Dienstleistung für nur eine andere Person (oder von einem Auftraggeber wird mehr als die Hälfte des Entgelts bezogen)
- und die Leistungserbringung erfolgt im Wesentlichen durch sie selbst und ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern.
Der Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit ist in der praktischen Anwendung nicht immer klar und stark vom Einzelfall abhängig.
Zunächst muss eine wirtschaftliche Abhängigkeit vorliegen. Dafür kann nicht auf die 1.000-EUR-Grenze des § 5 Abs. 3 ArbGG abgestellt werden, denn diese Vorschrift gilt nur im Bereich des Arbeitsgerichtsprozesses.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit wird nach § 12a TVG dadurch bestimmt, dass
- die Tätigkeit überwiegend für eine Person erbracht wird oder
- bei einer Person mehr als die Hälfte ihres Entgelts erzielt wird.
Rz. 23
Nach § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG setzt der Status einer arbeitnehmerähnlichen Person aber weiter voraus, dass diese vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist. Soziale Schutzbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind. Dazu darf nicht alleine auf die wirtschaftliche Abhängigkeit abgestellt werden. Zu diesem gehört
- die Höhe der Vergütung aus dem Rechtsverhältnis, das den arbeitnehmerähnlichen Status begründen soll und
- die Berücksichtigung anderweitiger Einkünfte.
Letztere können dazu führen, dass die für einen Arbeitnehmer typische Notwendigkeit, seine Arbeitskraft zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz zu verwerten, nicht besteht, mit der Folge, dass er dann nicht als arbeitnehmerähnlicher Beschäftigter anzusehen ist.
Beispiel
Ein Programmierer ist beim Unternehmen X aufgrund eines Dienstvertrags als freier Mitarbeiter tätig; er erzielt dort monatlich ein Einkommen von 3.500 EUR. Daneben ist er noch...