Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen sowie bei Anhebung der Gehälter von AT-Angestellten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen begründender kollektiver Tatbestand liegt in der Regel vor, wenn die Anrechnung aus Leistungsgründen erfolgt, wegen der Kürze der Betriebszugehörigkeit bzw der absehbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder wegen einer zuvor stattgefundenen Gehaltsanhebung. Kein kollektiver Tatbestand ist hingegen anzunehmen, wenn die Anrechnung auf Wunsch eines Arbeitnehmers zur Vermeidung steuerlicher Nachteile vorgenommen wird.
2. Der Betriebsrat hat bei der Anhebung der Gehälter von AT-Angestellten gem § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht, solange ein mitbestimmtes Gehaltsgruppensystem noch nicht besteht.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 30.05.1991; Aktenzeichen 7 TaBV 12/90) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 13.11.1990; Aktenzeichen 1 BV 12/90) |
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über den Umfang von Mitbestimmungsrechten bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen sowie bei der Erhöhung der Gehälter von AT-Angestellten.
Der Arbeitgeber ist ein Zeitschriftenverlag, der im April 1990 563 Mitarbeiter beschäftigte, davon 425 kaufmännische Mitarbeiter. Antragsteller ist der im Betrieb des Arbeitgebers gewählte Betriebsrat.
Der Arbeitgeber wendet aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen den Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in Zeitschriftenverlagen in Hamburg und Schleswig-Holstein an. Eine große - nicht im einzelnen festgestellte - Zahl von Mitarbeitern erhält zum Tarifgehalt eine übertarifliche Zulage. Die Zulagen sind in der Höhe unterschiedlich.
Im Mai 1990 einigten sich die Tarifvertragsparteien rückwirkend zum 1. April 1990 auf eine Gehaltserhöhung von 6,8 %. Mit Datum vom 17. Mai 1990 schrieb der Betriebsrat dem Arbeitgeber u.a. folgendes:
"Nachdem die Tariferhöhung jetzt ausgehandelt
wurde, möchten wir noch einmal darauf hinweisen,
daß eine ungleichmäßige Verteilung der Tariferhö-
hung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats un-
terliegt.
Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, daß
eine eventuelle Verrechnung von übertariflichen
Zulagen mit der Tariferhöhung ohne eine Einigung
mit dem Betriebsrat darüber nach der Rechtspre-
chung des Bundesarbeitsgerichts nicht gesetzes-
konform ist."
Am 19. Juni 1990 führten die Personalreferenten des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat ein ausführliches Gespräch, in dem dem Betriebsrat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich genannt wurden, bei denen eine Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen erfolgen solle. Hiervon waren mindestens 21 Tarifangestellte betroffen. Der Arbeitgeber nahm die Anrechnung vor, ohne daß die endgültige Zustimmung des Betriebsrats erfolgt war.
Die Gehälter der außertariflichen Angestellten erhöhte der Arbeitgeber zeitgleich mit der Tariflohnerhöhung um 4,4 %. Dieser Betrag errechnet sich aus der Tariflohnerhöhung von 6,8 % bezogen auf 65 % des Effektivgehalts. Einzelne AT-Angestellte wurden aus unterschiedlichen Gründen von der Erhöhung ausgenommen. Auch dies wurde in dem Gespräch am 19. Juni 1990 zwar mit dem Betriebsrat erörtert, ohne daß aber dessen Zustimmung erfolgte.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, sowohl die Anrechnung der übertariflichen Zulagen wie auch die Anhebung der außertariflichen Gehälter unterliege seinem Mitbestimmungsrecht. Er hat vorgetragen, nach der von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariferhöhung habe der Arbeitgeber grundsätzlich geprüft, inwieweit die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der Tariferhöhung teilnehmen sollten bzw. unter welchen Gesichtspunkten eine gewisse Harmonisierung des gesamten Gehaltsgefüges erreicht werden könne. Damit habe sich das Volumen der übertariflichen Zulage verringert, so daß ein kollektiver Tatbestand vorliege. Es sei auch eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betroffen.
Soweit als Gründe für die unterschiedliche Anrechnung genannt worden seien die Beendigung der Arbeitsverhältnisse in absehbarer Zeit, Mutterschutz oder Erziehungsurlaub bzw. Langzeiterkrankungen, Anrechnung aus "Rundungsgründen" bzw. "Harmonisierung" des Gehaltsniveaus, liege ein kollektiver Bezug vor. Dies gelte aber auch für die Angabe von "steuerlichen Gründen" oder von "Leistungsgesichtspunkten". Der Arbeitgeber bringe nämlich zum Ausdruck, daß Leistungsgesichtspunkte oder aber eine unterschiedliche steuerliche Behandlung für ihn Grundsätze sein könnten, nach denen das übertarifliche Lohn- bzw. Gehaltsgefüge gestaltet werden könne. Dies seien Entlohnungsgrundsätze im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Ein kollektiver Bezug liege aber auch bei der Anhebung der Gehälter der AT-Angestellten um grundsätzlich 4,4 % vor.
Der Betriebsrat hat beantragt
festzustellen, daß die Anrechnung der übertarif-
lichen Zulagen im Zusammenhang mit der ab
1. April 1990 zwischen der IG Medien und dem Ver-
band der Zeitschriftenverlage in Hamburg und
Schleswig-Holstein e.V. für die Angestellten in
Zeitschriftenverlagen in Hamburg und Schleswig--
Holstein vereinbarte Gehaltserhöhung nach unter-
schiedlichen Kriterien dem Mitbestimmungsrecht
des Betriebsrats unterliegt.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Anrechnung der Tariflohnerhöhung 1990 auf die übertariflichen Zulagen nicht zu. Das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beziehe sich nur auf generelle Regelungen. In seinem Betrieb bestehe aber keine generelle Zulagenregelung. Die Zulagen ergäben sich vielmehr ausschließlich als rechnerisches Ergebnis der rein individuell bestimmten effektiven Gehaltsvereinbarungen. Schon deshalb könne ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Hinblick auf bestimmte Verteilungsgrundsätze nicht bestehen. Wo aber eine allgemeine Regelung von Anfang an nicht bestanden habe, könne sie durch einen Anrechnungsvorgang auch nicht verändert werden. Ohne Regelung gebe es keine Neuregelung.
Im übrigen weise die unterschiedliche Anrechnung der Tariflohnerhöhung keine kollektiven Bezüge auf. Soweit er in den aus der vorgelegten Aufstellung ersichtlichen Fällen die Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage angerechnet habe, hätten dem ausschließlich individuell bedingte Umstände zugrunde gelegen. Bei zwei Beschäftigten habe er kurz zuvor die Gehälter angehoben. In acht Fällen seien individuelle Leistungsgesichtspunkte für die Art und Weise der Anrechnung maßgeblich gewesen, in einem weiteren Fall sei die Anrechnung aus verhaltensbedingten Gründen erfolgt. Bei drei Mitarbeitern sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses absehbar gewesen. Ein Mitarbeiter habe selbst aus steuerlichen Gründen um die volle Anrechnung gebeten. Bei einer weiteren Mitarbeiterin sei wegen der geringen Betriebszugehörigkeit nur eine Teilanpassung des Gehalts vorgenommen worden. Hinsichtlich vier Mitarbeiterinnen, die sich im Mutterschutz oder Erziehungsurlaub befänden bzw. erkrankt seien, sei die Entscheidung lediglich zunächst zurückgestellt worden.
Dem Betriebsrat stehe auch kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der AT-Angestellten zu. Deren Gehaltserhöhung werde schon vom Antrag des Betriebsrats nicht erfaßt. Dieser sei allein auf die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Anrechnung übertariflicher Zulagen gerichtet. Solche übertariflichen Zulagen seien aber bei AT-Angestellten gerade nicht gegeben. Unabhängig davon sei die Festsetzung der Höhe der Gruppengehälter für AT-Angestellte mitbestimmungsfrei. Die Behandlung der AT-Angestellten könne auch keine Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit sich in der Anrechnung der übertariflichen Zulagen bei anderen Angestellten kollektive Tatbestände ergäben.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats in vollem Umfang stattgegeben; es hat in der Begründung ausdrücklich ein Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der den AT-Angestellten gewährten Gehaltserhöhung bejaht. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen; es hat gleichfalls in der Begründung ein Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der AT-Angestellten bejaht. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Arbeitgeber die Zurückweisung des Antrags des Betriebsrats.
II. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist im wesentlichen unbegründet. A. Die Rechtsbeschwerde macht zu Unrecht geltend, das Landesarbeitsgericht habe dem Betriebsrat mehr zugesprochen, als sich aus dessen Antragstellung ergebe. Die hierin liegende Rüge der Verletzung des § 308 ZPO ist nicht begründet.
I. 1. Richtig ist, daß das Landesarbeitsgericht nicht nur über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage der Tarifangestellten entschieden hat, sondern auch über die Mitbestimmung bei der generellen Anhebung der Gehälter der sog. AT-Angestellten um 4,4 %.
a) Es handelt sich dabei um voneinander zu trennende Sachverhalte. AT-Angestellte sind Angestellte, die kraft ihrer Tätigkeit nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages fallen. Die Tariflohnerhöhung wirkt sich also auf ihr Gehalt nicht unmittelbar aus, jedenfalls nicht im Sinne eines Anrechnungstatbestandes. Da es an einem Tarifgehalt fehlt, kann es auch keinen übertariflichen Lohnbestandteil geben, auf den eine Tariflohnerhöhung angerechnet werden könnte.
b) Daß das Landesarbeitsgericht beide Sachverhalte bescheiden wollte, ergibt sich nicht ohne weiteres aus dem Tenor seines Beschlusses, aber unzweifelhaft aus den Entscheidungsgründen. Im Tenor hat das Landesarbeitsgericht lediglich die Beschwerde des Arbeitgebers gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Dieses hatte dem Antrag des Betriebsrats entsprochen und festgestellt, daß die Anrechnung der übertariflichen Zulagen im Zusammenhang mit der ab 1. April 1990 vereinbarten Gehaltserhöhung nach unterschiedlichen Kriterien der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Dabei hatte es in den Gründen in der Anhebung der Gehälter der AT-Angestellten einen kollektiven Tatbestand und auch insoweit ein Mitbestimmungsrecht ausdrücklich bejaht.
Wenn das Landesarbeitsgericht bei dieser Sachlage die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und seinerseits in den Gründen gleichfalls ausdrücklich festgestellt hat, der Antrag des Betriebsrats erfasse auch die AT-Angestellten und es bestehe ein Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der diesen gewährten Gehaltserhöhung - nach Wertung des Landesarbeitsgerichts als "Zulagen zu ihren Effektivgehältern" anzusehen -, kann das nur in dem Sinne verstanden werden, daß das Landesarbeitsgericht insoweit auch eine Entscheidung treffen wollte.
Die Bestimmung der Reichweite einer Entscheidung richtet sich nicht nur nach ihrem Tenor, sondern auch den Gründen. Gerade weil der Tenor des angefochtenen Beschlusses für sich neutral ist - Zurückweisung der Beschwerde - bedarf es neben der Berücksichtigung von Tenor und Gründen des bestätigten erstinstanzlichen Beschlusses hier in besonderer Weise der Heranziehung der Entscheidungsgründe zur Bestimmung des Entscheidungsumfangs. Danach hat aber das Landesarbeitsgericht eine Entscheidung getroffen auch über die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Anhebung der Gehälter der AT-Angestellten.
2. Das Landesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung über ein Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der AT-Angestellten dem Betriebsrat nicht mehr zugesprochen, als dieser beantragt hat.
a) Der Streitgegenstand eines Verfahrens, über den das Gericht zu entscheiden hat, wird grundsätzlich durch den Antrag des Antragstellers bestimmt. Auch im Beschlußverfahren ist das Gericht an diesen Antrag gebunden und darf dem Antragsteller nicht etwas zusprechen, was dieser gar nicht beantragt hat. Insoweit gilt § 308 ZPO entsprechend (vgl. schon BAGE 19, 76, 79 = AP Nr. 15 zu § 76 BetrVG, zu 2 der Gründe; BAGE 25, 87, 92 = AP Nr. 1 zu § 20 BetrVG 1972, zu III 3 a der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 81 Rz 33; Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 80 Rz 25).
b) Wie im Urteilsverfahren ist für die Bestimmung des Antrags nicht nur dessen Wortlaut maßgebend. Sein Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Grundlage für die Auslegung ist das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vorgangs, der Anlaß für den Streit der Beteiligten gegeben hat. Wegen des Erfordernisses der Prozeßklarheit darf sich die Auslegung andererseits aber nicht völlig vom Wortlaut entfernen und sich über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen (Senatsbeschluß vom 15. Dezember 1972 - 1 ABR 5/72 - AP Nr. 5 zu § 80 ArbGG 1953, zu II 6 der Gründe; BAGE 51, 151, 155 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I 2 a der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, § 81 Rz 34).
c) Es spricht vieles dafür, den Antrag des Betriebsrats schon in der ersten Instanz in dem Sinne auszulegen, daß er die Gehaltserhöhung der AT-Angestellten erfaßte, wie dies das Arbeitsgericht angenommen hat.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wären die AT-Angestellten jedenfalls zweitinstanzlich einbezogen worden. Das Arbeitsgericht hatte in seiner Begründung ausdrücklich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch hinsichtlich der Gehaltserhöhung der AT-Angestellten bejaht. Wenn es damit unter Verstoß gegen § 308 ZPO eine nicht beantragte Entscheidung getroffen hätte, wäre dieser Fehler geheilt. Der Betriebsrat hat zweitinstanzlich ohne Einschränkungen die Zurückweisung der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluß beantragt. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, daß er sich die erstinstanzliche Entscheidung zu eigen machte. Dies genügt zur Aufrechterhaltung einer an sich verfahrensfehlerhaften - weil mehr als beantragt zusprechenden - Entscheidung (BGH Urteil vom 6. Dezember 1978 - VIII ZR 282/77 - NJW 1979, 2250; BGHZ 111, 158, 161 = NJW 1990, 1910, 1911; vgl. auch BAGE 62, 100, 105 = AP Nr. 36 zu § 80 BetrVG 1972, zu B I 3 der Gründe; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., § 308 Anm. 1 D; Zöller/Vollkommer, ZPO, 17. Aufl., § 308 Rz 7).
Das gilt hier umso mehr, als der Betriebsrat vor dem Landesarbeitsgericht ausdrücklich vorgetragen hatte, sein Antrag umfasse "auch den Bereich der AT-Angestellten, nämlich jede übertarifliche Zulage bzw. deren Anrechnung". Dies geschah in Erwiderung der vom Arbeitgeber in der Beschwerdebegründung erhobenen Rüge, die Gehaltserhöhung der AT-Angestellten sei vom Antrag nicht erfaßt. Spätestens hier konnte also kein Zweifel mehr daran bestehen, daß der Betriebsrat die AT-Angestellten einbeziehen wollte, ein eventueller Verstoß des Arbeitsgerichts gegen § 308 ZPO also geheilt war. Soweit in dieser in zweiter Instanz erweiterten Antragstellung - nämlich Zurückweisung der Beschwerde auch hinsichtlich der Entscheidung über die AT-Angestellten - eine Änderung des Antrags liegt, wäre diese gem. § 81 Abs. 3 i.V.m. § 87 ArbGG zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat über sie entschieden und damit die Änderung mindestens als sachdienlich angesehen.
d) Gegen diese Auslegung des Antrags des Betriebsrats spricht auch nicht die Einlassung des Betriebsrats in der Rechtsbeschwerdeerwiderung, die AT-Angestellten würden weder im Antrag des Betriebsrats noch im Entscheidungstenor der Vorinstanzen genannt; der Betriebsrat wolle lediglich sein Mitbestimmungsrecht festgestellt wissen, wenn im Zusammenhang mit der Gehaltserhöhung bei dem Arbeitgeber nach der Tarifrunde die Gehälter sich aufgrund einer Anrechnung unterschiedlich erhöhten. Wenn der Betriebsrat damit sagen will, daß der Bereich der AT-Angestellten nicht Gegenstand seines Antrags gewesen sei, widerspräche das den dargelegten Erklärungen des Betriebsrats vor dem Arbeitsgericht bzw. vor dem Landesarbeitsgericht.
Die Erklärungen des Betriebsrats in der Rechtsbeschwerdeerwiderung sind aber insoweit auch nicht eindeutig. Er weist weiter darauf hin, das Landesarbeitsgericht habe überzeugend dargelegt, bei den vom Arbeitgeber angegebenen Gründen für die unterschiedliche Anrechnung der Tariflohnerhöhung bzw. bei der unterschiedlichen Gehaltsanhebung der AT-Angestellten gehe es um den klassischen Fall der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Damit beruft sich der Betriebsrat also gerade auch auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Bejahung eines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich der AT-Angestellten.
Den Erklärungen des Betriebsrats in der Rechtsbeschwerdeerwiderung kann also weder entnommen werden, daß er von vornherein und durchgehend ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Gehaltserhöhung der AT-Angestellten nicht festgestellt wissen wollte, noch daß er seinen nach den maßgeblichen Erklärungen vor dem Arbeitsgericht bzw. Landesarbeitsgericht so zu verstehenden Antrag teilweise zurücknehmen will, was ohnehin nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich wäre, § 92 Abs. 2 Satz 3 ArbGG.
3. Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen § 308 ZPO liegt demgemäß nicht vor. Das Landesarbeitsgericht konnte auch über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gehaltserhöhung der AT-Angestellten entscheiden, da diese Frage spätestens durch den zweitinstanzlich gestellten Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zum Streitgegenstand des Verfahrens geworden war.
II. Der im Sinne der Ausführungen zu A I zu verstehende Antrag ist zulässig. Ein Streit der Betriebspartner darüber, ob der Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht hat, kann mit einem Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats ist nicht deshalb entfallen, weil der Arbeitgeber die teilweise Anrechnung bzw. die Erhöhung der Gehälter der AT-Angestellten durchgeführt hat. Es handelt sich nicht um einen abgeschlossenen, sondern um einen fortwirkenden Vorgang. Die geänderten Gehälter werden monatlich gezahlt, so daß die Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht und dementsprechend ein mitbestimmungswidriger Zustand besteht, nach wie vor von unmittelbarer Bedeutung ist (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 26. März 1991 - 1 ABR 43/90 - AP Nr. 32 zu § 75 BPersVG).
Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Bei einem Streit über bestehende Mitbestimmungsrechte muß der Betriebsrat diejenigen Maßnahmen des Arbeitgebers und denjenigen betrieblichen Vorgang, für die bzw. für den er ein Mitbestimmungsrecht beansprucht, so genau bezeichnen, daß mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche Maßnahmen oder Vorgänge das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist (BAGE 46, 367 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; Senatsbeschluß vom 18. Oktober 1988 - 1 ABR 26/87 - AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe).
Diesen Voraussetzungen genügt der Antrag. Der Betriebsrat begehrt die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich eines konkreten Tatbestandes, nämlich hinsichtlich der zum 1. April 1990 erfolgten teilweisen Anrechnung auf übertarifliche Zulagen nach unterschiedlichen Kriterien und - bei richtiger Auslegung seines Antrags - der im gleichen Zusammenhang erfolgten Gehaltserhöhung der AT-Angestellten um grundsätzlich 4,4 %. Damit ist hinreichend konkret umschrieben, für welche Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird.
B. Die Rechtsbeschwerde ist überwiegend unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen zu Recht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sowohl hinsichtlich der teilweisen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen der Tarifangestellten als auch hinsichtlich der Gehaltserhöhungen der AT-Angestellten bejaht. Begründet ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit, als das Landesarbeitsgericht ein Mitbestimmungsrecht auch bei Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage des Arbeitnehmers R bejaht hat.
I. Die teilweise Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen ist mitbestimmungspflichtig - ausgenommen die Anrechnung auf die Zulage des Arbeitnehmers R .
1. Die Frage, nach welchen Kriterien sich die Höhe übertariflicher oder außertariflicher Zulagen und deren Verhältnis zueinander bestimmen soll, unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dieses Mitbestimmungsrecht soll den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmers orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen. Es soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges sichern (vgl. etwa BAGE 54, 79 und BAGE 57, 309 = AP Nr. 26 und Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAGE 46, 182 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang - jeweils m.w.N.).
Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 (- GS 2/90 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 30) besteht dieses Mitbestimmungsrecht auch bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/ außertarifliche Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe der Tariflohnerhöhung, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung erfolgt oder sich automatisch vollzieht (Beschluß vom 3. Dezember 1991, aaO).
Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich allerdings nur auf generelle Regelungen und nicht auf die Regelung von Einzelfällen. Die individuelle Lohngestaltung, Regelungen mit Rücksicht auf besondere Umstände des einzelnen Arbeitnehmers, bei denen ein innerer Zusammenhang zu ähnlichen Regelungen für andere Arbeitnehmer nicht besteht, unterliegen also nicht der Mitbestimmung.
Ob ein derartiger kollektiver Tatbestand vorliegt, ist nicht allein quantitativ zu bestimmen. Es sind generelle Regelungsfragen vorstellbar, die vorübergehend nur einen Arbeitnehmer betreffen, andererseits können individuelle Sonderregelungen auf Wunsch der betroffenen Arbeitnehmer gehäuft auftreten.
Beim Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG richtet sich die Abgrenzung von Einzelfallgestaltungen zu kollektiven Tatbeständen danach, ob es um Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsform geht oder nicht. Hierbei kann die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer ein Indiz dafür sein, ob ein kollektiver Tatbestand vorliegt oder nicht. Das ist deshalb von Bedeutung, weil es dem Zweck des Mitbestimmungsrechts widerspräche, wenn der Arbeitgeber es dadurch ausschließen könnte, daß er mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern jeweils "individuelle" Vereinbarungen über eine bestimmte Vergütung trifft und sich hierbei nicht selbst binden und keine allgemeine Regelung aufstellen will. Mit einer solchen Vorgabe, nur individuell entscheiden zu wollen, könnte sonst jedes Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen werden. Bei der Änderung der Verteilungsgrundsätze für über-/außertarifliche Zulagen geht es stets um die Strukturformen des Entgelts. Deshalb liegt hier stets ein kollektiver Tatbestand vor (Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 - GS 2/90 -, aaO, zu C III 3 b der Gründe, m.w.N.).
2. Hiervon ausgehend ist für die streitigen Anrechnungen ein kollektiver Tatbestand zu bejahen - ausgenommen die Anrechnung auf die Zulage des Arbeitnehmers R .
a) Der Arbeitgeber gewährt einer Vielzahl seiner Angestellten übertarifliche Zulagen. Das allein ist nach den vorstehenden Grundsätzen ein Indiz für die Annahme eines kollektiv zu bewertenden Zulagengefüges. Im Streitfall geht es allerdings nicht um die Einführung des Entlohnungssystems. Für die Beurteilung der Mitbestimmungspflichtigkeit maßgeblicher Tatbestand ist vielmehr die Umsetzung der Tariflohnerhöhung in der Weise, daß diese teilweise voll weitergegeben, teilweise aber - in unterschiedlicher Höhe - auf die übertariflichen Zulagen angerechnet wurde.
Auch dieser Tatbestand weist jedoch kollektive Bezüge auf. Der Arbeitgeber beruft sich zu Unrecht darauf, bei der Anrechnung handele es sich ausnahmslos um mitbestimmungsfreie Einzelmaßnahmen.
b) aa) Soweit der Arbeitgeber in acht Fällen eine teilweise oder volle Anrechnung wegen Leistungsgesichtspunkten vorgenommen hat, liegt darin ein typischer kollektiver Bezug.
Wie der Senat schon in seinen Urteilen vom 22. September 1992 (- 1 AZR 459/90, 1 AZR 460/90 und 1 AZR 461/90 -, alle zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ausgeführt hat, setzt die Bemessung übertariflicher Zulagen nach der Qualität der Arbeitsleistung stets eine irgendwie definierte Mindestleistung voraus, an der gemessen sich feststellen läßt, ob eine Arbeitsleistung einen und welchen übertariflich zu vergütenden Wert hat. Bei der Prüfung, ob eine Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage angerechnet werden soll oder nicht, werden regelmäßig die Leistungen der einzelnen Arbeitnehmer zueinander ins Verhältnis gesetzt. Wenn aufgrund einer solchen Leistungsbeurteilung der Arbeitgeber bei einem Arbeitnehmer eine Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage anrechnet, steht diese Entscheidung in einem inneren Zusammenhang zu Anrechnungs- bzw. Nichtanrechnungsentscheidungen bei den anderen Arbeitnehmern. Durch die Verringerung der Zulagenhöhe des einen Arbeitnehmers bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, daß er dessen Arbeitsleistung geringer bewertet als die der anderen Arbeitnehmer, bei denen es zu keiner oder nur einer geringeren Anrechnung gekommen ist. Die Entscheidung des Arbeitgebers, eine Tariflohnerhöhung auf die einer Vielzahl von Arbeitnehmern gewährte übertarifliche Zulage in Einzelfällen wegen schlechter Arbeitsleistungen anzurechnen, verändert das leistungsbezogene übertarifliche Lohn- und Gehaltsgefüge und hat damit kollektiven Bezug (Urteile vom 22. September 1992, aaO).
bb) Ein kollektiver Bezug liegt in gleicher Weise vor, soweit der Arbeitgeber in einem Fall die Anrechnung auf - nicht näher dargelegte - "verhaltensbedingte Gründe" stützt. Ob ein Arbeitnehmer die volle Weitergabe der Tariflohnerhöhung wegen seines Verhaltens "nicht verdient", setzt einen Vergleich mit dem (Wohl-) Verhalten anderer Arbeitnehmer voraus. Insoweit liegt die Sache nicht anders als beim Leistungsvergleich.
cc) Ein kollektiver Bezug ist auch gegeben, soweit der Arbeitgeber die Anrechnung mit der absehbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der geringen Betriebszugehörigkeit begründet. Dem liegt offensichtlich die Überlegung zugrunde, bei der Bemessung der Höhe der Zulagen die Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. der Noch-Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Damit stellt der Arbeitgeber aber einen allgemeinen Entlohnungsgrundsatz auf, der nicht von individuellen Besonderheiten einzelner Personen abhängt, sondern kollektiv geprägt ist.
dd) Um einen kollektiven Tatbestand geht es auch, soweit in zwei Fällen der Arbeitgeber die Anrechnung damit begründet, es habe bereits kurz zuvor eine Anhebung der Gehälter der betroffenen Angestellten stattgefunden. Dieser Entscheidung liegt die vergleichende Überlegung zugrunde, daß eine volle Weitergabe der Tariflohnerhöhung eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung gegenüber anderen Zulagenempfängern darstellt. Damit ist das Gesamtgefüge der Zulagen angesprochen. Die Frage, ob die Anrechnung wegen der vorangegangenen Erhöhung im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern gerechtfertigt war oder nicht, ist eine typische Frage der inneren Lohngerechtigkeit und daher mitbestimmungspflichtig.
ee) Soweit in vier Fällen sich Arbeitnehmerinnen in Mutterschutz oder Erziehungsurlaub befinden bzw. langzeiterkrankt sind, liegt der kollektive Bezug gleichfalls auf der Hand. Auch wird ein allgemeiner Lohngrundsatz deutlich, nämlich der, bei der Frage der Weitergabe von Tariflohnerhöhungen zu berücksichtigen, daß das Arbeitsverhältnis faktisch zur Zeit nicht vollzogen wird. Dies ist ein Sachverhalt, der nicht auf die unmittelbar betroffenen Personen beschränkt ist, sondern als abstrakter Grundsatz jeden anderen Arbeitnehmer in gleicher Weise treffen kann. Insoweit gilt nichts anderes als etwa hinsichtlich der Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit für die Bemessung der Zulage.
3. Ist also bei diesen Anrechnungen von einem kollektiven Tatbestand auszugehen, haben sich durch sie auch die Verteilungsgrundsätze geändert. Da der Arbeitgeber nur in einem Teil der Fälle die Tariflohnerhöhung voll weitergegeben hat, in einem anderen Teil aber Anrechnungen in unterschiedlicher Höhe vorgenommen hat, hat sich das Verhältnis der Zulagen zueinander notwendigerweise verschoben. Daß die Zahl der Anrechnungen gegenüber der Zahl der einheitlich um die Tariflohnerhöhung erhöhten Zulagen eher gering sein mag, ist unerheblich.
Es liegt auch keiner der Ausnahmetatbestände vor, in der nach der Entscheidung des Großen Senats ausnahmsweise trotz Änderung der Verteilungsgrundsätze mangels anderweitigen Regelungsspielraums oder wegen gleichmäßiger und voller Anrechnung ein Mitbestimmungstatbestand entfällt.
4. Kein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand ist allerdings anzunehmen, soweit die Anrechnung der Tariflohnerhöhung im Fall des Arbeitnehmers R auf dessen Wunsch aus steuerlichen Gründen erfolgte. Hier handelt es sich um einen Sachverhalt, der durch allein in der Person des Arbeitnehmers bestehende Umstände geprägt ist. Es fehlt an einem den kollektiven Bezug kennzeichnenden, über den Einzelfall hinausgehenden inneren Zusammenhang mit anderen Maßnahmen. Weder sind Leistungen untereinander abzuwägen noch erfolgt eine Einordnung unter ein abstraktes Kriterium, wie etwa das der Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Entscheidend für die Maßnahme war allein der Wunsch des Arbeitnehmers, von der an sich beabsichtigten vollen Weitergabe der Tariflohnerhöhung wegen für ihn nachteiliger steuerlicher Auswirkungen abzusehen. Der Umstand allein, daß eine ähnliche steuerliche Situation auch in der Person eines anderen Arbeitnehmers auftreten kann, ändert an dieser Beurteilung nichts. Ursächlich für die Anrechnung war nicht die Anwendung eines übergeordneten Lohngrundsatzes, sondern allein der Wunsch des Arbeitnehmers.
Die mit der Anrechnung verbundene Verringerung der übertariflichen Zulage ist damit keine Maßnahme der betrieblichen Lohngestaltung, sondern eine ausschließlich einzelfallbezogene Maßnahme. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kommt hier auch unter Berücksichtigung der vom Großen Senat im Beschluß vom 3. Dezember 1991 (aaO) aufgestellten Grundsätze nicht in Betracht (vgl. auch Senatsurteil vom 22. September 1992 - 1 AZR 461/90 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
5. Soweit der Antrag des Betriebsrats also die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts auch hinsichtlich der gegenüber dem Arbeitnehmer R erfolgten Anrechnung beinhaltet, ist er nicht begründet. Dies führt nicht zur Zurückweisung des gesamten Antrags. Es handelt sich nicht um einen sog. Globalantrag, der sich einschränkungslos auf alle denkbaren Fallgestaltungen erstreckt (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 10. Juni 1986, BAGE 52, 160 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG Beschluß vom 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 67). Der Antrag ist vielmehr beschränkt auf die Anrechnungsfälle im Zusammenhang mit der Tariflohnerhöhung zum 1. April 1990. Welche diese sind, steht zwischen den Beteiligten fest. Der Arbeitgeber hatte selbst eine Liste vorgelegt, aus der sich ergibt, welchen Arbeitnehmern gegenüber aus welchen Gesichtspunkten eine Anrechnung erfolgt ist.
Bei dieser Sachlage ist bei fehlender Mitbestimmungspflichtigkeit eines der mehreren konkreten Fälle nicht der Antrag insgesamt abzuweisen, sondern nur insoweit, als das Mitbestimmungsrecht auch für einen nicht mitbestimmungspflichtigen Fall in Anspruch genommen wird. Mit der Stattgabe des Antrags im übrigen wird dem Betriebsrat kein aliud gegenüber dem gestellten Antrag zugesprochen, sondern nur ein Weniger. Dies ist aber im Rahmen des § 308 ZPO ohne weiteres zulässig.
Soweit der Betriebsrat also die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich der gegenüber den Tarifangestellten vorgenommenen Anrechnungen begehrt, ist der Antrag unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses insoweit zurückzuweisen, als er die aus steuerlichen Gründen erfolgte Anrechnung gegenüber dem Arbeitnehmer R erfaßt. Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch bei der Erhöhung der Gehälter der AT-Angestellten bejaht.
1. Der Senat hat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer linearen Anhebung der Gehälter von AT-Angestellten bereits in seinem - nicht veröffentlichten - Beschluß vom 21. August 1990 - 1 ABR 72/89 - bejaht (zustimmend Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 87 Rz 139 - die dort für den Senatsbeschluß angegebene Fundstelle AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung ist allerdings nicht zutreffend). Hieran hält der Senat fest.
Die Rechtsverhältnisse der AT-Angestellten unterliegen grundsätzlich der Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG. Damit hat der Betriebsrat auch gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen bei die AT-Angestellten betreffenden Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen. Zur Ausgestaltung des Entlohnungsgrundsatzes gehört die Aufstellung des Entgeltsystems mit allen seinen Einzelheiten sowie die Bildung und Umschreibung der Gehaltsgruppen nach Tätigkeitsmerkmalen oder anderen Kriterien (vgl. Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 678; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 87 Rz 441; von Friesen, DB 1980, Beilage Nr. 1, S. 8 f.; Reuter, Vergütung von AT-Angestellten und betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung, 1979, S. 40 ff.; Wiedemann, In memoriam Sir Otto Kahn-Freund, 1980, S. 343, 355 ff.).
Auch die isolierte Festsetzung der Wertunterschiede zwischen den einzelnen AT-Gruppen - z.B. nach abstrakten Kriterien, nach Prozentsätzen oder sonstigen Bezugsgrößen - ist keine Frage der Gehaltshöhe und unterliegt deshalb der Mitbestimmung des Betriebsrats. Es geht hier um die abstrakte Ausgestaltung des Entlohnungsgrundsatzes. Insofern gilt nichts anderes als für die Ausgestaltung eines Provisionssystems (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Juli 1988 - 1 AZR 54/87 - AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; BAGE 45, 208 = AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Provision).
Dagegen besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung des Wertunterschiedes von der letzten Tarifgruppe zur ersten AT-Gruppe, weil damit gleichzeitig die Gehaltshöhe festgelegt wäre, die dem Arbeitgeber allein vorbehalten bleiben soll (Senatsbeschluß vom 22. Januar 1980, BAGE 32, 350 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Wiese, aaO, § 87 Rz 676; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 502, 544; Reuter, aaO, S. 22; Wiedemann, aaO, S. 352 ff.; a.A.: Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 87 Rz 139; von Friesen, AuR 1980, 367, 370; Hanau, BB 1977, 350, 354).
Bei der Entscheidung, ob die AT-Gehälter linear oder unterschiedlich nach abstrakten Kriterien erhöht werden sollen, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, solange ein mitbestimmtes Gehaltsgruppensystem nicht besteht. Der Betriebsrat hat dann noch nicht durch Beteiligung an der Bildung der AT-Gruppen und der Festsetzung der Wertunterschiede zwischen diesen Gruppen an der Verteilungsgerechtigkeit mitgewirkt. Der Betriebsrat hat zwar nicht mitzubestimmen bei der Festlegung des Betrages der Erhöhung (hier 4,4 %), wohl aber bei seiner Verteilung. In welcher Weise das vom Arbeitgeber festgelegte Gesamtvolumen für die Gehaltserhöhung verteilt wird, berührt die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit, solange mitbestimmte AT-Gruppenregelungen nicht vorliegen. Bei der Entscheidung, ob die Gehälter linear oder nach abstrakten Kriterien unterschiedlich erhöht werden sollen, wird eine Vereinbarung darüber getroffen, ob das bisherige Verhältnis der Gehälter zueinander bestehen bleiben oder anläßlich der Gehaltserhöhung unter gleichberechtigter Mitwirkung des Betriebsrats geändert werden soll (vgl. Senatsbeschluß vom 21. August 1990 - 1 ABR 72/89 -, n.v.).
2. Hiervon ausgehend ist im vorliegenden Fall das Mitbestimmungsrecht zu bejahen. Eine mitbestimmte Gehaltsgruppenregelung für AT-Angestellte liegt beim Arbeitgeber nicht vor. Schon deshalb wäre eine lineare Anhebung aller AT-Gehälter um 4,4 % nach den vorstehenden Grundsätzen mitbestimmungspflichtig.
Es kommt hinzu, daß der Arbeitgeber die Gehälter der AT-Angestellten nicht ausnahmslos um 4,4 % erhöht hat, sondern teilweise hiervon abgewichen ist. Nach der vom Arbeitgeber vorgelegten Aufstellung sind die Gehälter teilweise überhaupt nicht (Nr. 16), teilweise um geringere Beträge (Nr. 28 um 1,9 %, Nr. 26 um 4,3 %), teilweise um höhere Beträge (Nr. 6 und Nr. 27 um 6,3 %, Nr. 25 um 4,5 %) erhöht worden. Der Betriebsrat hat darüber hinaus drei weitere AT-Angestellte genannt, deren Gehälter überhaupt nicht bzw. nur um 3,4 % bzw. 3,5 % erhöht worden sind. Selbst wenn man also unter Berücksichtigung der Entscheidung des Großen Senats zur Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen, wonach ein Mitbestimmungsrecht eine Änderung der Verteilungsgrundsätze voraussetzt, bei linearer Erhöhung aller AT-Gehälter um den gleichen prozentualen Betrag wegen des unveränderten Verhältnisses der Gehälter zueinander ein Mitbestimmungsrecht verneinen wollte, änderte sich im Ergebnis hier nichts. Da die Gehälter eben nicht alle gleichmäßig, sondern teilweise unterschiedlich erhöht worden sind, ändert sich auch ihr bisheriges Verhältnis zueinander, es kommt also zu einer Änderung der "Verteilungsgrundsätze". Damit ist aber in jedem Fall ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand gegeben.
Die Rechtsbeschwerde ist also auch insoweit unbegründet.
Dr. Weller Kremhelmer Dr. Rost
Gnade Mager
Fundstellen
BB 1993, 1589 |
BB 1993, 1589-1591 (LT1-2) |
DB 1993, 1143-1146 (LT1-2) |
EBE/BAG 1993, 66-70 (LT1-2) |
BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 10 (13) (LT1-2) |
JR 1993, 308 |
JR 1993, 308 (S) |
NZA 1993, 561 |
NZA 1993, 561-566 (LT1) |
SAE 1993, 352-358 (LT1-2) |
ZAP, EN-Nr 583/93 (S) |
AP § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (LT1-2), Nr 61 |
EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung, Nr 40 (LT1-2) |
JuS 1993, 973 (L) |
ZfPR 1993, 158-159 (L) |