Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewährungsaufstieg. schädliche Unterbrechung durch Inanspruchnahme von Elternzeit. Benachteiligungsverbot wegen Inanspruchnahme von Elternzeit. Inkohärenz einer tariflichen Regelung. Unterbrechung durch Elternzeit
Leitsatz (amtlich)
§ 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT verletzte das Benachteiligungsverbot des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG, soweit danach die Inanspruchnahme von Elternzeit nur bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren als unschädlich angesehen wurde und längere Unterbrechungszeiträume zum Verlust der gesamten bis dahin zurückgelegten Bewährungszeit führten.
Orientierungssatz
1. § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG bindet als zwingendes Recht auch die Tarifvertragsparteien. Das gesetzliche Benachteiligungsverbot untersagt nicht nur Regelungen, die den Anspruch auf Elternzeit unmittelbar einschränken, sondern auch solche, die sich auf die arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitnehmer vor oder nach der Elternzeit, sei es auch nur mittelbar nachteilig auswirken.
2. § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG steht darum Regelungen entgegen, die die von Art. 6 GG geschützte Freiheit, sich für die Elternzeit zu entscheiden, um Familie und Beruf vereinbaren zu können, beeinträchtigen, sofern sich der Nachteil nicht allein aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternzeit als ruhendes Arbeitsverhältnis ergibt.
3. Nach § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT begann nach dem Ende der letzten Beurlaubung die Bewährungszeit in ihrer gesamten Länge neu zu laufen, wenn die Zeiten der Beurlaubung wegen Elternzeit eine Gesamtdauer von fünf Jahren überschritten.
4. Selbst wenn der Bewährungsaufstieg zumindest auch das Ziel verfolgte, einen Zugewinn der Angestellten an Erfahrungswissen zu honorieren, war die Ausgestaltung des § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT nicht geeignet, einem etwaigen Verlust an Erfahrungswissen infolge des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit Rechnung zu tragen. Die tarifliche Regelung führte nämlich auch bei typisierender Betrachtung dazu, dass in einer Vielzahl von Fallgestaltungen zurückgelegte Bewährungszeiten unwiderruflich verloren gingen, obwohl nach der Grundannahme der Tarifvertragsparteien, eine kürzer als fünf Jahre andauernde Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses sei für den Verlust des Erfahrungswissens unschädlich, ein solcher Verlust nicht vorlag.
5. § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT verletzte darum das Benachteiligungsverbot des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG als höherrangiges nationales Gesetzesrecht, soweit danach die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit nur bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren als unschädlich angesehen wurde und längere Unterbrechungszeiträume zum Verlust der gesamten bis dahin zurückgelegten Bewährungszeit führten.
Normenkette
BEEG § 15 Abs. 2 S. 6; LGG Berlin § 8 Abs. 4 S. 2 Nr. 1; BAT § 23a S. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. d; TVÜ-Länder i.d.F. des Angleichungs-TV Land Berlin vom 14. Oktober 2010 (TVÜ-Länder/Berlin) § 8 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2013 – 14 Sa 2442/12 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. November 2012 – 58 Ca 8326/12 – abgeändert.
3. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, das Vergleichsentgelt der Klägerin mit Wirkung zum 1. Oktober 2011 neu zu berechnen und die Klägerin zu diesem Zeitpunkt in der EG 13 Ü TV-L/Berlin der individuellen Zwischen- bzw. Endstufe zuzuordnen, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5 TVÜ-Länder/Berlin) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung in die VergGr. Ib BAT bestimmt hätte.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem beklagten Land auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Neuberechnung des Vergleichsentgelts und die Stufenzuordnung der Klägerin aufgrund eines nachgeholten Bewährungsaufstiegs.
Die Klägerin ist seit dem 15. April 1991 bei dem beklagten Land beschäftigt. Nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts finden auf das Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für das Land Berlin geltenden Tarifverträge Anwendung. Die Klägerin war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses in die Vergütungsgruppe IIa Fallgruppe 1a des Teils I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Daraus war nach einer 15-jährigen Bewährungszeit ein Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe Ib Fallgruppe 2 BAT vorgesehen. Die Klägerin ist mit einem Beschäftigungsumfang von 50 % der regulären Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten tätig.
In der Zeit vom 23. Juli 1997 bis zum 26. Mai 2000 befand sich die Klägerin zwei Jahre, zehn Monate und vier Tage im Erziehungsurlaub. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit nahm sie vom 27. Februar 2001 bis zum 22. Oktober 2003 zwei Jahre, sieben Monate und 26 Tage Elternzeit. Insgesamt befand sie sich damit fünf Jahre, fünf Monate und 30 Tage im Erziehungsurlaub bzw. in Elternzeit.
Mit Inkrafttreten des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vom 14. Oktober 2010 (Angleichungs-TV Land Berlin) zum 1. November 2010 wurde die Klägerin in die EG 13 Ü TV-L/Berlin übergeleitet und dort mit einem Vergleichsentgelt von 2.135,85 Euro einer individuellen Zwischenstufe zwischen den Stufen 4b und 5 ihrer Entgeltgruppe zugeordnet.
Am 26. September 2011 beantragte die Klägerin vergeblich ihre Höhergruppierung in die EG 14 TV-L/Berlin. Der TVÜ-Länder regelt in der Fassung des Angleichungs-TV Land Berlin (TVÜ-Länder/Berlin) die Nachholung des Bewährungsaufstiegs wie folgt:
„§ 8 Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege |
…
(2) |
1Beschäftigte, die aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in eine der Entgeltgruppe 2 sowie 9 bis 15 übergeleitet werden und
- die spätestens am 1. August 2011 bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts die für eine Höhergruppierung erforderliche Zeit der Bewährung oder Tätigkeit zur Hälfte erfüllt haben,
- in der Zeit zwischen dem 1. Dezember 2010 und dem 31. Oktober 2012 höhergruppiert wären,
- bis zum individuellen Aufstiegszeitpunkt weiterhin eine Tätigkeit auszuüben haben, die diesen Aufstieg ermöglicht hätte, und
- bei denen zum individuellen Aufstiegszeitpunkt keine Anhaltspunkte vorliegen, die bei Fortgeltung des bisherigen Rechts einer Höhergruppierung entgegengestanden hätten,
erhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach bisherigem Recht höhergruppiert wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischenbeziehungsweise Endstufe, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung bestimmt hätte. …” |
Der BAT bestimmte zu den Folgen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub in der seit dem 1. April 1991 für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder geltenden Fassung des 66. Änderungstarifvertrags zum BAT vom 24. April 1991:
„§ 23a |
Bewährungsaufstieg im Bereich des Bundes und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder |
Der Angestellte, der ein in der Anlage 1a mit dem Hinweiszeichen * gekennzeichnetes Tätigkeitsmerkmal erfüllt, ist nach Erfüllung der vorgeschriebenen Bewährungszeit höhergruppiert. Für die Erfüllung der Bewährungszeit gilt folgendes:
1. |
Das Erfordernis der Bewährung ist erfüllt, wenn der Angestellte während der vorgeschriebenen Bewährungszeit sich den in der ihm übertragenen Tätigkeit auftretenden Anforderungen gewachsen gezeigt hat. Maßgebend ist hierbei die Tätigkeit, die der Vergütungsgruppe entspricht, in der der Angestellte eingruppiert ist. |
2. |
In den Fällen des § 23 beginnt die Bewährungszeit in der Vergütungsgruppe, aus der der Angestellte im Wege des Bewährungsaufstiegs aufrücken kann, an dem Tage, von dem an er aufgrund dieser Vorschrift in dieser Vergütungsgruppe eingruppiert ist. |
… |
|
4. |
Die Bewährungszeit muß ununterbrochen zurückgelegt sein. Unterbrechungen von jeweils bis zu sechs Monaten sind unschädlich; unabhängig hiervon sind ferner unschädlich Unterbrechungen wegen |
|
… |
|
|
d) |
Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz und sonstiger Beurlaubung zur Kinderbetreuung bis zu insgesamt fünf Jahren. |
…” |
|
Der 77. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 29. Oktober 2001 ersetzte mit Wirkung zum 1. Januar 2002 das Wort „Erziehungsurlaub” durch den Begriff „Elternzeit”.
Mit ihrer am 29. Mai 2012 eingereichten Klage begehrt die Klägerin noch die Neuberechnung des Vergleichsentgelts unter Berücksichtigung eines bei Weitergeltung des BAT zum 1. Oktober 2011 erfolgten Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe Ib BAT. Dabei bezieht sie die Zeit des Erziehungsurlaubs in die Bewährungszeit nicht ein. Den ursprünglich verfolgten Antrag auf Höhergruppierung in die EG 14 TV-L/Berlin hat sie mit Schriftsatz vom 9. Juli 2015 im Revisionsverfahren zurückgenommen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT diskriminiere sie mittelbar und verletze zugleich Art. 3 Abs. 2 bzw. Abs. 3 GG sowie § 2 Abs. 2 des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) Berlin. Die tarifliche Bestimmung sei nicht geeignet gewesen, ihr Ziel zu erreichen. Die Addition von an sich unschädlichen Unterbrechungszeiten, zwischen denen Erfahrungswissen wieder aktualisiert werden könne, sei als Mittel zur Sanktionierung des Verlustes an Erfahrungswissen weder angemessen noch erforderlich. Im Übrigen führe die tarifliche Regelung zu einer Benachteiligung aller Eltern, die Elternzeit nicht nur für ein Einzelkind benötigten. Das gebe Anlass zu Bedenken der Vereinbarkeit von § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT mit Art. 6 GG.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, das Vergleichsentgelt der Klägerin neu zu berechnen mit der Maßgabe, dass die Klägerin nach einem Bewährungsaufstieg ab dem 1. Oktober 2011 einzugruppieren war in die Vergütungsgruppe Ib BAT.
Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin habe eine mittelbare Diskriminierung nicht dargelegt, weil sie sich auf den Hinweis beschränkt habe, Elternzeit werde überwiegend von Frauen in Anspruch genommen. Ob dies auch für die weiteren Unterbrechungstatbestände des § 23a Satz 2 Nr. 4 BAT gelte, lege sie jedoch nicht dar. Vergleichsgruppe sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch die Gesamtheit der von einer Regelung erfassten Personen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren im zuletzt zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT verletzte das Benachteiligungsverbot des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG als höherrangiges nationales Gesetzesrecht, soweit danach die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit (künftig einheitlich: Elternzeit) nur bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren als unschädlich angesehen wurde und längere Unterbrechungszeiträume zum Verlust der gesamten bis dahin zurückgelegten Bewährungszeit führten. Darum wäre die Klägerin bei Fortgeltung des BAT am 1. Oktober 2011 im Wege des Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe Ib BAT aufgestiegen. Das hat zur Folge, dass das Vergleichsentgelt gemäß § 8 Abs. 2 TVÜ-Länder/Berlin zum 1. Oktober 2011 neu zu berechnen und die Klägerin zu diesem Zeitpunkt einer neuen Stufe in der EG 13 Ü zuzuordnen ist. Die Klage hat bereits deshalb Erfolg. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung durch § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT sowie der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang zur Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (jetzt Paragraph 5 Nr. 2 der überarbeiteten Fassung der Rahmenvereinbarung vom 18. Juni 2009 im Anhang zur Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG) kommt es darum nicht an.
I. Der Klageantrag ist missverständlich formuliert und bringt das Begehren der Klägerin nicht korrekt zum Ausdruck. Er legt nahe, dass sie ab dem 1. Oktober 2011 in die zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr existierende Vergütungsgruppe Ib des Teils I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert werden will. Tatsächlich begehrt sie allein die Neuberechnung des Vergleichsentgelts in der EG 13 Ü TV-L/Berlin nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 TVÜ-Länder/Berlin. Dies hat sie im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht klargestellt. Der Antrag ist daher dahin zu verstehen, dass die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, das Vergleichsentgelt mit Wirkung zum 1. Oktober 2011 neu zu berechnen und sie zu diesem Zeitpunkt in der EG 13 Ü TV-L/Berlin der individuellen Zwischen- bzw. Endstufe zuzuordnen, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5 TVÜ-Länder/Berlin) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe Ib BAT bestimmt hätte.
II. § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT verstieß gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot in § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG und war deshalb unwirksam.
1. § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT schloss eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts der Klägerin nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Länder/Berlin aus. Danach war nur ein Gesamtzeitraum von bis zu fünf Jahren der Elternzeit bzw. Kinderbetreuung unschädlich. Wurde durch eine oder mehrere (vgl. dazu BAG 15. November 2001 – 8 AZR 39/01 – zu II 3 d und e der Gründe) Zeiten der Beurlaubung aus diesen Gründen eine Gesamtdauer von fünf Jahren überschritten, hatte dies den Verlust der gesamten bis dahin zurückgelegten Bewährungszeit zur Folge. Nach Ende der letzten Beurlaubung begann die Bewährungszeit in ihrer gesamten Länge neu zu laufen (Fürst GKÖD Bd. IV Teil 2a BAT Stand Mai 2002 T § 23a Rn. 35, 37; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand September 2003 § 23a Erl. 9.2.2 Buchst. e). Nach § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT war zwar die erste Unterbrechung der Bewährungszeit der Klägerin durch den ersten Erziehungsurlaub bis zum 26. Mai 2000 unschädlich. Nach dem Ende der zweiten Unterbrechung am 22. Oktober 2003 war jedoch die gesamte bis dahin zurückgelegte Bewährungszeit untergegangen und lief mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit neu an, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt insgesamt fünf Jahre, fünf Monate und 30 Tage wegen Erziehungsurlaubs bzw. Elternzeit beurlaubt gewesen war. Die Bewährungszeit war damit erst im Oktober 2018, also außerhalb des von § 8 Abs. 2 (Bewährungsaufstieg bis spätestens 31. Oktober 2012) bzw. § 8 Abs. 3 (Bewährungsaufstieg bis spätestens 31. Dezember 2014) TVÜ-Länder/Berlin eröffneten Zeitfensters, abgelaufen.
2. Diese Rechtslage war jedoch mit § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG nicht zu vereinbaren.
a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG kann der Anspruch auf Elternzeit nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Wortgleiche Regelungen enthielten § 15 Abs. 3 BErzGG idF vom 20. Dezember 1996 und § 15 Abs. 2 Satz 4 BErzGG in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes. Dieses gesetzliche Benachteiligungsverbot bindet als zwingendes Recht mangels einer Tariföffnungsklausel auch die Tarifvertragsparteien (BAG 26. November 2003 – 4 AZR 693/02 – zu I 4 der Gründe). Es zwingt diese zwar nicht dazu, für einen Ausgleich der Nachteile zu sorgen, die sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Erziehungsurlaubs für die Arbeitnehmer ergeben (BAG 15. Dezember 1998 – 3 AZR 251/97 – zu II 1 der Gründe). Es verbietet aber nicht nur Regelungen, die den Anspruch auf Elternzeit unmittelbar einschränken, sondern auch solche, die sich auf die arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitnehmer vor oder nach der Elternzeit, sei es auch nur mittelbar, nachteilig auswirken. Dabei sind § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG bzw. seine Vorgängerbestimmungen unter Berücksichtigung der Grundentscheidungen („im Lichte”) des Art. 6 Abs. 1 GG, denen das gesetzliche Benachteiligungsverbot Rechnung trägt, auszulegen (vgl. BAG 26. November 2003 – 4 AZR 693/02 – zu I 4 der Gründe; Buchner/Becker MuSchG/BEEG 8. Aufl. § 15 BEEG Rn. 29; Göhle-Sander in jurisPK-Vereinbarkeit von Familie und Beruf Kapitel 6.15 Rn. 53). § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG und seine Vorgängerbestimmungen stehen bzw. standen darum Regelungen entgegen, die die von Art. 6 GG geschützte Freiheit, sich für die Elternzeit zu entscheiden, um Familie und Beruf vereinbaren zu können, beeinträchtigen, sofern sich der Nachteil nicht allein aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternzeit als ruhendes Arbeitsverhältnis ergibt.
b) § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT zeichnete nicht nur die Nachteile nach, die daraus folgten, dass die Elternzeit zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt. Vielmehr hatte die tarifliche Bestimmung Nachteile für die arbeitsrechtliche Stellung der Angestellten, die Elternzeit beanspruchten, zur Folge, die mit § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG bei der im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Auslegung dieses Benachteiligungsverbots nicht mehr vereinbar waren.
aa) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nicht endgültig geklärt, welchen Zweck der Bewährungsaufstieg verfolgte.
(1) Der Bewährungsaufstieg als (automatische) Höhergruppierung von Angestellten, die in bestimmten Vergütungsgruppen eingruppiert waren, in die nächst höhere Vergütungsgruppe ohne Änderung der auszuübenden Tätigkeit nach Ableistung einer bestimmten Bewährungszeit wurde im Jahr 1966 in den BAT für den Bereich des Bundes und der Länder als Reaktion der Tarifvertragsparteien auf die im Lauf des Jahres 1965 für die Beamten der Länder eingeführte Regelbeförderung aus den Eingangsämtern der vier Laufbahnen in das jeweils erste Beförderungsamt eingefügt (zur Entstehungsgeschichte ausführlich Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand November 1989 § 23a Rn. 2 ff.; zur Zielrichtung des Bewährungsaufstiegs vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer/ Hoffmann/Dassau BAT Stand April 2005 § 23a Erl. 1.1).
(2) Seit der Entscheidung vom 28. November 1984 (– 4 AZR 35/83 – BAGE 47, 253; zuletzt 4. Mai 2010 – 9 AZR 184/09 – Rn. 45, BAGE 134, 202) hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass ein Angestellter im Laufe der Zeit innerhalb seines Aufgabengebiets Fähigkeiten und Fertigkeiten durch seine Tätigkeit hinzugewinne, die seine persönliche Qualifikation erhöhe und eine Höhergruppierung rechtfertige. Damit honorierten die Tarifvertragsparteien ein gewisses Erfahrungswissen. Nur so werde die für den BAT kennzeichnende Verbindung zwischen der jeweils geleisteten Arbeit und der Eingruppierung gewahrt und eine dem BAT fremde Entkoppelung von Arbeitsleistung und dafür zu zahlender Vergütung vermieden (BAG 2. Dezember 1992 – 4 AZR 152/92 – zu IV 3 d gg der Gründe, BAGE 72, 64).
(3) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf die an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geübte Kritik auch ausdrücklich offengelassen, ob für die Bewährungszeit erhöhtes Erfahrungswissen eine Rolle spielen solle (BAG 2. Dezember 1992 – 4 AZR 152/92 – zu IV 3 d gg der Gründe, BAGE 72, 64). Tatsächlich könnte die Entstehungsgeschichte der Einfügung eines Bewährungsaufstiegs in den BAT dafür sprechen, dass dieser Aufstieg allein die Angleichung der Beschäftigungsbedingungen der Angestellten des öffentlichen Dienstes an die der Beamten bezwecken, also auch den Angestellten bei beanstandungsfreier Arbeitsleistung über einen bestimmten Zeitraum hinweg die Möglichkeit einer „Regelbeförderung” gewähren sollte (in diesem Sinne Pfarr Anm. AP BAT § 23a Nr. 24 zu II 2 a; dies. Anm. AP BAT § 23a Nr. 16 zu II 2; Fürst GKÖD Bd. IV Teil 2a BAT Stand Februar 1993 T § 23a Rn. 2). Nach diesem Zweck genügte der Nachweis der Eignung für eine bestimmte Tätigkeit durch die praktische Ausübung dieser Tätigkeit (vgl. BAG 4. August 1960 – 4 AZR 541/58 –), ohne dass dafür „besondere Leistungen” erforderlich gewesen wären. Dafür spricht auch die von den Tarifvertragsparteien in § 23a Satz 2 Nr. 1 BAT gewählte Formulierung, der Angestellte müsse sich „den in der ihm übertragenen Tätigkeit auftretenden Anforderungen gewachsen gezeigt” haben. Das lässt darauf schließen, dass keine Steigerung der Leistung im Sinne einer „besonderen Bewährung” verlangt wurde, sondern nur die Erwartungen an die Arbeitsleistung leistungsmäßig erfüllt werden mussten (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand Dezember 1993 § 23a Rn. 39 f.). Für eine reine Regelbeförderung könnte schließlich auch die rechtliche Ausgestaltung des Bewährungsaufstiegs als bloße, rein tatsächliche Aussicht, bei kumulativer Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale am Bewährungsaufstieg teilzuhaben (BAG 14. Juni 1995 – 4 AZR 225/94 –), sprechen.
bb) Letztlich kann offenbleiben, welchem Zweck der Bewährungsaufstieg diente. Die Begrenzung der Unschädlichkeit der Unterbrechung der Tätigkeit wegen Elternzeit auf fünf Jahre war auch dann nicht mit § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG zu vereinbaren, wenn der Bewährungsaufstieg den Zugewinn an Erfahrungswissen honorieren sollte.
(1) Das Institut der Elternzeit soll die Ausübung des Erziehungsrechts ohne Verlust des Arbeitsplatzes erleichtern. Es dient der Förderung der Betreuung und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren durch die Eltern und der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf. Mit der Schaffung dieses Instituts hat der Gesetzgeber der aus Art. 6 Abs. 1 GG erwachsenen Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, Rechnung getragen (BAG 18. Dezember 2008 – 6 AZR 287/07 – Rn. 30, BAGE 129, 93). Die Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, es Eltern gleichermaßen zu ermöglichen, teilweise und/oder zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten, wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. Darüber hinaus muss der Staat dafür Sorge tragen, dass die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt sowie dafür, dass eine Rückkehr in die Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach den Zeiten der Kindererziehung ermöglicht wird (BVerfG 10. November 1998 – 2 BvR 1057/91 ua. – zu B I 4 der Gründe, BVerfGE 99, 216).
(2) Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Instituts der Elternzeit schützt § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmer, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, nicht nur hinsichtlich der Grundentscheidung, ob Elternzeit genommen werden soll, sondern auch hinsichtlich der Folgeentscheidung, für welchen Zeitraum dies geschehen soll. Darum steht § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG unter anderem sämtlichen Regelungen entgegen, die zu Nachteilen beim weiteren beruflichen Aufstieg der Arbeitnehmer infolge der Inanspruchnahme von Elternzeit führen, soweit sich diese Nachteile nicht allein daraus ergeben, dass das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit ruht (vgl. BAG 26. November 2003 – 4 AZR 693/02 – zu I 4 der Gründe; 15. Dezember 1998 – 3 AZR 251/97 – zu II 1 der Gründe).
(3) Nach diesen Grundsätzen war zwar § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 3 BAT, wonach die Zeit der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses nicht auf den Bewährungsaufstieg angerechnet werden musste, mit § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG vereinbar. Die Tarifvertragsparteien mussten die Hemmung der Bewährungszeit, die sich allein daraus ergab, dass das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs bzw. der Elternzeit der Klägerin ruhte, nicht ausgleichen. Diese Zeit musste deshalb nicht als Zeit der Bewährung berücksichtigt werden (vgl. für die Hemmung der Stufenlaufzeit in § 17 Abs. 3 TVöD-AT BAG 27. Januar 2011 – 6 AZR 526/09 – Rn. 69, BAGE 137, 80). Die Klägerin hat das erkannt und begehrt nicht die Berücksichtigung der Unterbrechungszeiten für den Bewährungsaufstieg.
(4) § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT war dagegen nach § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG nichtig, soweit danach die Zeit der Bewährung im aktiven Arbeitsverhältnis verloren ging, wenn dieses durch Elternzeit länger als fünf Jahre unterbrochen war. Das gilt unabhängig davon, ob der Bewährungsaufstieg allein die beanstandungsfreie Arbeitsleistung mit einer „Regelbeförderung” belohnen oder zumindest auch den Zugewinn an Erfahrungswissen honorieren sollte.
(a) Sollte die Tarifnorm allein eine „Regelbeförderung” sicherstellen, ist kein aus der Rechtsnatur der Elternzeit erwachsender Grund ersichtlich, die vor bzw. zwischen den Elternzeiten zurückgelegte Bewährungszeit nach Rückkehr ins aktive Arbeitsverhältnis bei Überschreiten bestimmter Zeiträume untergehen zu lassen und damit Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme von Elternzeit bzw. deren Dauer zu nehmen. Zeigten sich die Angestellten nach Wiederaufnahme des aktiven Arbeitsverhältnisses weiterhin bis zum Ende der Bewährungszeit den Anforderungen des Arbeitsplatzes gewachsen, war es geboten, den Bewährungsaufstieg zu dem Zeitpunkt zu vollziehen, in dem – unter Außerachtlassen der Elternzeit selbst – die Bewährungszeit vollendet war. Auf die Länge der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch Elternzeiten kam es bei einem solchen Zweck des Bewährungsaufstiegs nicht an, sondern allein darauf, dass sich die Angestellten während des aktiven Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum hinweg bewährt hatten.
(b) Selbst wenn der Bewährungsaufstieg zumindest auch das Ziel verfolgt hätte, einen Zugewinn an Erfahrungswissen zu honorieren, war die Ausgestaltung des § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT nicht geeignet, einem etwaigen Verlust an Erfahrungswissen infolge des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit Rechnung zu tragen. Darum ließ sich auch bei einem solchen Zweck der tariflichen Bestimmung der durch den Verlust der Bewährungszeit bei Inanspruchnahme von Elternzeit über mehr als fünf Jahre ergebende Nachteil nicht mehr mit der Rechtsnatur des Erziehungsurlaubs rechtfertigen.
(aa) Allerdings führt die Inanspruchnahme von Elternzeit zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit zur Unterbrechung des aktiven Arbeitsverhältnisses. Dies kann den Verlust von Erfahrungswissen nach sich ziehen (vgl. für die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch eine langjährige Freiheitsstrafe BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 381/14 – Rn. 14; Krasemann Das Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O 8. Aufl. 11. Kapitel Rn. 181).
(bb) § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT war jedoch nicht geeignet, einen Verlust an Erfahrungswissen aufgrund von Inanspruchnahme von Elternzeit abzubilden und damit einen etwaigen Zweck, den Verlust an Erfahrungswissen zu sanktionieren, zu erreichen.
(aaa) Nach § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT ging die zurückgelegte Bewährungszeit unter anderem immer dann vollständig verloren, wenn das Arbeitsverhältnis durch mehrere Elternzeiten für insgesamt mehr als fünf Jahre unterbrochen war. Auf die Länge der einzelnen Unterbrechungen sowie die Dauer der zwischen den Elternzeiten liegenden Zeiträume, in denen Erfahrungswissen wieder aufgefrischt und weiter erworben werden konnte, kam es nach der tariflichen Regelung in diesem Fall nicht an. Die Tarifvertragsparteien gingen also – sofern es ihnen auf die Bewahrung von Erfahrungswissen angekommen sein sollte – offensichtlich davon aus, dass bei Unterbrechungen unabhängig von ihrer Länge und Häufigkeit kein für den Bewährungsaufstieg relevanter Verlust an Erfahrungswissen eintrat, sofern nur die Unterbrechungszeit insgesamt weniger als fünf Jahre betrug. Dagegen war ein solcher Verlust unwiderlegbar zu vermuten, sobald die Unterbrechungen in ihrer Summe fünf Jahre überstiegen. Dies führte auch bei typisierender Betrachtung dazu, dass in einer Vielzahl von Fallgestaltungen zurückgelegte Bewährungszeiten unwiderruflich verloren gingen, obwohl nach der Grundannahme der Tarifvertragsparteien, eine kürzer als fünf Jahre andauernde Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses sei für den Verlust des Erfahrungswissens unschädlich, ein solcher Verlust nicht vorlag. Darauf weist die Klägerin zu Recht hin.
(bbb) Die Inkohärenz der tariflichen Regelung belegt folgendes Beispiel: § 16 Abs. 1 Satz 2 BErzGG idF vom 6. Dezember 1991 ließ ebenso wie aktuell § 16 Abs. 1 Satz 6 BEEG die Verteilung der Elternzeit auf mehrere Zeitabschnitte zu. Seit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 12. Oktober 2000 (BGBl. I S. 1426) sah § 15 Abs. 2 Satz 1 BErzGG die Möglichkeit vor, zwölf Monate des Erziehungsurlaubs mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes zu übertragen (so auch § 15 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 BEEG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung). Nahm eine Angestellte diese Rechte für drei Kinder in Anspruch, konnte sie die Elternzeit von insgesamt maximal neun Jahren bei entsprechender Zustimmung des Arbeitgebers auf mehrere Zeiträume verteilen, zwischen denen erhebliche Zeiten des aktiven Arbeitsverhältnisses liegen konnten. War sie in eine Vergütungsgruppe mit 15-jährigem Bewährungsaufstieg eingruppiert, konnte es zu folgender Verteilung von Elternzeit und aktiver Tätigkeit kommen: An eine aktive Tätigkeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1992 schloss sich ein Erziehungsurlaub für das erste Kind vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1994 an. Darauf folgte eine Phase der aktiven Tätigkeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1997.
Wegen der inzwischen erfolgten Geburt eines zweiten Kindes wurde zum zweiten Mal Erziehungsurlaub genommen, diesmal vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 1999. Danach arbeitete die Angestellte vom 1. Januar 2000 bis zum 30. September 2008. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Zeiten ihrer aktiven Tätigkeit für den Bewährungsaufstieg berücksichtigt. Nahm sie jetzt jedoch eine weitere Elternzeit für ein drittes Kind vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. Dezember 2009, so dass insgesamt Elternzeiten von fünf Jahren und drei Monaten genommen waren, gingen die gesamten 14 Jahre und neun Monate aktiver Tätigkeit als Bewährungszeit verloren, obwohl zwischen den Elternzeiten elf Jahre und neun Monate aktiver Tätigkeit lagen. Damit überwog die aktive Zeit, in der Erfahrungswissen erworben und erhalten werden konnte, sowohl hinsichtlich ihrer Gesamtdauer als auch bezüglich der Zeit zwischen den einzelnen Unterbrechungen die Dauer der Unterbrechung. Gleichwohl führte die tarifliche Regelung zum Verlust der gesamten 14 Jahre und neun Monate betragenden Bewährungszeit, die vor dem 31. Dezember 2009 zurückgelegt worden war. Ein Verlust von Erfahrungswissen war dadurch nicht abgebildet.
(cc) Darüber hinaus zeigt vorstehendes Beispiel, dass insbesondere Angestellten in Vergütungsgruppen mit langen Bewährungszeiten die Entscheidung, ob sie mehr als ein Kind bekommen bzw. ob sie bei mehreren Kindern die individuell für erforderlich gehaltene Betreuungszeit tatsächlich in Anspruch nehmen wollten, durch § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT strukturell erschwert wurde. Zudem benachteiligte die tarifliche Regelung strukturell Angestellte mit mehreren Kindern. Diese Angestellten wurden bei ihrer Entscheidung, ob und wie lange sie Elternzeit in Anspruch nehmen wollten, in besonderem Maße von der tariflichen Bestimmung nachteilig betroffen. Das belegt vorliegender Fall. Die Klägerin macht ausdrücklich geltend, sie hätte, wenn sie die tarifliche Regelung gekannt hätte, die Länge der zweiten Elternzeit begrenzen können. § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG versagt auch aus diesem Grund § 23a Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. d BAT die Wirksamkeit.
(dd) Die Tarifvertragsparteien des TV-L und des TV-L/Berlin tragen § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG nunmehr Rechnung. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 TV-L bzw. § 17 Abs. 3 Satz 2 TV-L/Berlin ist die Inanspruchnahme von Elternzeit unabhängig von ihrer Dauer unschädlich. Diese Zeit wird lediglich nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Mai 2015 § 17 Rn. 39; zu Zweifeln bzgl. der Wirksamkeit der Anordnung in § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, wonach bei Elternzeiten bei mehr als fünf Jahren eine Rückstufung erfolgt, vgl. BAG 27. Januar 2011 – 6 AZR 526/09 – Rn. 42, BAGE 137, 80).
III. Die Klägerin erfüllte am 1. Oktober 2011 alle Voraussetzungen für eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Länder/Berlin.
1. Die Bewährung der Klägerin in den Zeiten ihrer aktiven Tätigkeit bis zu ihrer Überleitung in den TV-L/Berlin steht nicht im Streit. Sie hatte die erforderliche Bewährungszeit von 15 Jahren spätestens am 1. August 2011 zur Hälfte erfüllt und wäre nach erfüllter Bewährungszeit am 1. Oktober 2011 und damit innerhalb des von § 8 Abs. 2 Satz 1 zweiter Spiegelstrich TVÜ-Länder/Berlin eröffneten Zeitfensters in die Vergütungsgruppe Ib BAT höhergruppiert worden. Die 15-jährige Bewährungszeit lief am 15. April 1991 an. Unter Berücksichtigung der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch die beiden Elternzeiten von insgesamt fünf Jahren, fünf Monaten und 30 Tagen wäre sie im Oktober 2011 erfüllt gewesen. Die Tätigkeit der Klägerin blieb auch nach ihrer Überleitung in den TV-L/Berlin bis zu diesem Zeitpunkt unverändert.
2. Auch die Voraussetzungen des vierten Spiegelstrichs des § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder/Berlin sind erfüllt. Danach ist erforderlich, dass bis zum individuellen Aufstiegszeitpunkt keine Anhaltspunkte vorliegen, die bei Fortgeltung des bisherigen Rechts einer Höhergruppierung entgegengestanden hätten. Dazu hat die Klägerin zwar nichts vorgetragen. Der vierte Spiegelstrich des § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder/Berlin ist jedoch als anspruchsausschließende Voraussetzung konzipiert, so dass das beklagte Land das Vorliegen dieses Anspruchsausschlusses hätte darlegen müssen. Das ist nicht geschehen. Insbesondere beruft sich das beklagte Land nicht darauf, dass die Klägerin sich zwischen der Überleitung in den TV-L/Berlin und dem Zeitpunkt des fiktiven Bewährungsaufstiegs nicht weiterhin bewährt habe.
3. Gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BAT in der für Bund und Länder geltenden Fassung hätte die Klägerin ab dem 1. Oktober 2011 die höhere Vergütung aus der Vergütungsgruppe Ib BAT erhalten. Die Neuberechnung des Vergleichsentgelts hat zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen.
IV. Es kann dahinstehen, ob sich der Anspruch der Klägerin auf eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Länder/Berlin auch aus § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 LGG Berlin ergäbe. Nach dieser seit Inkrafttreten des Landesantidiskriminierungsgesetzes vom 31. Dezember 1990 (GVBl. Berlin 1991 S. 8) geltenden Bestimmung dürfen bei Einstellungen und Beförderungen unter anderem Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit aufgrund der Betreuung von Kindern nicht als Kriterium herangezogen werden. Gleichlautende Regelungen waren und sind im LGG Berlin idF vom 8. Oktober 2001 (GVBl. Berlin S. 530) sowie aktuell im LGG Berlin idF vom 6. September 2002 nach Maßgabe der Änderungen durch das Gesetz vom 18. November 2010 (GVBl. Berlin 2002 S. 280 bzw. GVBl. Berlin 2010 S. 502) enthalten. Ob unter „Beförderungen” auch die berufliche Entwicklung und damit auch die Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstiegs zu verstehen ist (idS Schiek in Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder 2. Aufl. Rn. 1381) und deshalb Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses wegen Elternzeit außer Betracht bleiben müssten (so für § 15 Abs. 4 BGleiG idF vom 30. November 2001, wonach die Beurlaubung sich nicht nachteilig auf eine Beförderungsreihenfolge und die Möglichkeit einer Höhergruppierung oder Höherreihung auswirken durfte, das Rundschreiben des BMI vom 5. Februar 2003 – D II 2 – 220 218/238 – [zitiert nach Uttlinger/Breier/Kiefer/ Hoffmann/Dassau BAT Stand April 2005 § 23a nach Erl. 6.7], sowie die Mitgliederversammlung der TdL für Landesgleichstellungsgesetze mit vergleichbarem Inhalt [zitiert nach Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau aaO]), ist höchstrichterlich ungeklärt und bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Oye, Jerchel
Fundstellen
Haufe-Index 9482277 |
BAGE 2017, 16 |
BB 2016, 1587 |
DB 2016, 7 |