Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Bauleiters. Gesamttätigkeit und Teiltätigkeiten. Auslegung einer Vergütungsordnung durch Gesamtbetriebsvereinbarung. Verhältnis von Tätigkeitsmerkmalen und Tätigkeitsbeispielen. überwiegende Teiltätigkeit als Eingruppierungsmaßstab. Tarifvorbehalt. Weitergeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang. Gehaltsbänder. einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. billiges Ermessen. Darlegungs- und Beweislast
Orientierungssatz
1. Nach der Gesamtbetriebsvereinbarung „Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze” der E-Plus Mobilfunk GmbH, die eine Eingruppierung nach den Funktionen und deren Tätigkeitsmerkmalen sowie Tätigkeitsbeispielen vorsieht, ist es nicht erforderlich, dass die auszuübende Tätigkeit sowohl die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals als auch die eines Tätigkeitsbeispiels erfüllt. Die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals sind auch dann regelmäßig erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine dem in einer Entgeltgruppe genannten Tätigkeitsbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt.
2. Die tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung über die zutreffende Eingruppierung sind von den Gerichten für Arbeitssachen zu ermitteln und festzustellen. Der bloße Verweis auf eine vom Arbeitgeber verfasste Stellenbeschreibung und die dort genannten, auszuübenden Tätigkeiten ersetzt die erforderlichen Feststellungen auch dann nicht, wenn die Angaben von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits nicht in Frage gestellt werden. Als Grundlage für eine Tätigkeitsbeschreibung kommt sie allenfalls dann in Betracht, wenn sie die tatsächlich auszuübende Tätigkeit sowie die Gesamt- oder Teiltätigkeiten ausreichend wiedergibt (hier verneint).
3. Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf eine höhere Vergütung geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und ggf. beweisen. Enthält die Vergütungsregelung ein Gehaltsband, kann er regelmäßig ohne weitere Darlegungen ein Entgelt in Höhe des „Mittelwerts” verlangen. Macht er hingegen einen höheren Wert geltend, ist er für die diesen Wert rechtfertigenden Tatsachen primär darlegungs- und beweispflichtig.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1, 1 Nr. 10; BGB § 315 Abs. 1, § 613a Abs. 1; Gesamtbetriebsvereinbarung "Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze" der E-Plus Mobilfunk GmbH vom 30. Juni 2000 Nr. 3; Gesamtbetriebsvereinbarung "Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze" der E-Plus Mobilfunk GmbH vom 30. Juni 2000 Anlage 2.4 Funktionsbereich Technik/DV
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. Februar 2013 – 15 Sa 1469/12 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und daraus resultierende Entgeltdifferenzansprüche.
Die Beklagte erbringt Dienstleistungen im Bereich des Mobilfunks. Der Kläger ist bei ihr und ihren Rechtsvorgängerinnen seit September 2000 als Bauleiter beschäftigt.
Die E GmbH, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, schloss mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze” vom 30. Juni 2000 (nachfolgend GBV). Diese enthält ua. Regelungen zur Eingruppierung nach Gehaltsgruppen und Gehaltsbändern. Die verschiedenen Tätigkeiten werden in der GBV als „Funktionen” erfasst und dann Funktionscodes, Funktionsbezeichnungen und Gehaltsgruppen zugeordnet. In deren Anlage 2.4 „Gehaltsgruppenzuordnung/Funktionsgruppenmerkmale” werden im Funktionscode 429 der Funktionsbezeichnung „Bauleiter” die Gehaltsgruppen D bis F zugeordnet. Die konkrete Entgelthöhe innerhalb der jeweiligen Gehaltsgruppe wird nach sog. Gehaltsbändern bestimmt, die neben einem unteren und oberen Entgeltwert auch einen sog. Mittelwert aufweisen.
Mit Schreiben vom 9. September 2009 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er ab dem 1. Oktober 2009 dem Bereich Regionalservices, Abteilung Build, Team North, Funktionscode Bauleiter 429, zugewiesen werde. Dort ist er zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter zuständig für die Zustandsüberwachung (ZÜWI = Zustand Überwachen, Warten, Instandhalten) von Mobilfunkstationen im Bereich Nord, welcher ca. 4.000 Standorte umfasst. Er wird seit Beginn seiner Tätigkeit nach der Gehaltsgruppe D GBV vergütet. Seit dem 1. Juli 2010 erhält er monatlich 3.620,22 Euro brutto. Dies entspricht 94,52 vH des Maximalbetrags des Gehaltsbands der Gehaltsgruppe D.
Am 13. Dezember 2011 schloss die Beklagte mit der IG Metall einen „Haustarifvertrag A-L” (nachfolgend HTV), der ua. Regelungen zur „Eingruppierung”, „Ersteingruppierung” und „Überführung der bisherigen Entgelte in den Haustarifvertrag” enthält. Weiterhin heißt es dort:
„§ 19 |
Inkrafttreten und Vertragsdauer |
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Dieser Haustarifvertrag tritt hinsichtlich der Regelungen zur Ersteingruppierung und zur Ermittlung der Kostenneutralität (§§ 4.3 bis 4.5) mit Unterzeichnung in Kraft. Im Übrigen treten die Regelungen des Haustarifvertrages mit Beginn des Monats nach vollständiger Eingruppierung und Feststellung des zur Herstellung von Kostenneutralität anzuwendenden in § 4.1.1 genannten Faktors in Kraft.” |
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nach der Gehaltsgruppe F, hilfsweise der Gehaltsgruppe E GBV zu vergüten. Er erfülle bereits die „Tätigkeitsbeispiele für Funktionen” der Gehaltsgruppe F in der Anlage 2.4 zur GBV. Er sei für die selbständige Baubegehung, -vorbereitung sowie -begleitung und die Abnahme sowie die Koordinierung von Umbauten und Wartungsmaßnahmen mit fachlicher Verantwortung zuständig. Eine Erfüllung auch der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe F sei nach der GBV nicht erforderlich. Er erfülle aber auch diese. Er sei für die bautechnische Betreuung von Funkstationen im Bereich Nord bei der Beklagten weitgehend selbständig und nach seinem Aufgabengebiet umfassend verantwortlich. Er betreue eine Einheit aus technischen Anlagen und Bauelementen, mithin ein „gesamtes System”.
Ihm obliege auch eine erhebliche Entscheidungsverantwortung im Sinne des allgemeinen Tätigkeitsmerkmals der Gehaltsgruppe E GBV. Da er – von der Beklagten zugestanden – ein sehr qualifizierter und zudem bezüglich Leistungsniveau und Berufserfahrung weit überdurchschnittlicher Mitarbeiter sei, könne er 94,52 vH des Maximalbetrags des Gehaltsbands verlangen.
Der Kläger hat – unter Rücknahme der Anträge im Übrigen – zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab 1. Februar 2012 bis zum 31. Juli 2012 nach der Gehaltsgruppe F der Gesamtbetriebsvereinbarung „Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze” vom 30. Juni 2000 mit 94,52 vH des Höchstbetrags der Gehaltsbandbreite der Gehaltsgruppe F, hilfsweise mit einem geringeren Prozentsatz, mindestens aber mit dem Durchschnitt dieser Gehaltsbandbreite, zu entlohnen;
- hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Februar 2012 bis zum 31. Juli 2012 nach der Gehaltsgruppe E der Gesamtbetriebsvereinbarung „Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze” vom 30. Juni 2000 mit 94,52 vH des Höchstbetrags der Gehaltsbandbreite der Gehaltsgruppe E, hilfsweise mit einem geringeren Prozentsatz, mindestens aber mit dem Durchschnitt dieser Gehaltsbandbreite, zu entlohnen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 82.941,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei zutreffend in die Gehaltsgruppe D GBV eingruppiert. Die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppen E und F GBV seien schon nicht erfüllt. Der Kläger betreue nicht – wie für die Gehaltsgruppe F GBV erforderlich – weitgehend selbständig ein gesamtes System bzw. Netz. Er sei auch aufgrund umfassender Vorgaben für die Planung, Realisierung und Wartung von Bauvorhaben an Mobilfunkstationen in seiner Selbständigkeit erheblich eingeschränkt. Aufgrund des großen räumlichen Zuständigkeitsbereichs und der Notwendigkeit, in den meisten Fällen persönlich vor Ort anwesend zu sein, verbringe er jedenfalls den Großteil seiner Arbeitszeit auf der Strecke, so dass die von ihm zu erbringenden höherwertigen Tätigkeiten nicht mehr als 50 vH seiner Gesamttätigkeiten ausmachten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgen diese ihre Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die auf eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe F GBV gerichteten Hauptanträge des Klägers mit unzutreffender Begründung abgewiesen. Ebenso hat es rechtsfehlerhaft eine Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung des Klägers nach der Gehaltsgruppe E GBV angenommen. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
A. Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Antrag zu 1. und in diesem Umfang auch den Antrag zu 3. nicht abweisen. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, nach den Eingruppierungsbestimmungen der GBV genüge es nicht, wenn neben der Funktion schon eines der Tätigkeitsbeispiele erfüllt sei. Vielmehr müsse die Tätigkeit eines Arbeitnehmers auch den Anforderungen des abstrakten Tätigkeitsmerkmals entsprechen, dem das Tätigkeitsbeispiel zugeordnet sei. Die Tätigkeit des Klägers entspreche zwar denen des Tätigkeitsmerkmals der Gehaltsgruppe E GBV, nicht aber der Gehaltsgruppe F GBV. Das Merkmal der Zuständigkeit für ein (segmentübergreifendes) Gesamtsystem sei nicht dargetan.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. In der von der E GmbH mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat vereinbarte GBV heißt es:
„3. Eingruppierung
Die Eingruppierung von MA wird anhand dieser Vereinbarung sowie der Funktionen und deren
- Tätigkeitsmerkmalen
- sowie Tätigkeitsbeispielen durchgeführt (s. Anlagen 2 – 2.5).
…
Die Gehaltsfindung wird innerhalb der Gehaltsgruppen und deren Gehaltsbandbreiten unter Beachtung von
- Qualifikation
- Persönlicher Berufserfahrung
- Leistungsniveau
- Marktbedingungen vorgenommen.
…
Gehaltsgruppenzuordnung/Funktionsgruppenmerkmale |
Anlage 2.4 |
zur |
Gesamtbetriebsvereinbarung |
Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze |
…
Funktionsbereich Technik/DV |
…
Funktionscode |
Funktionsbezeichnung |
Gehaltsgruppen |
… |
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429 |
Bauleiter |
D – F |
… |
|
|
…
D
- • Bearbeitet selbständigmehr als ein spezielles Segment eines Systems /Netzes / Kundenkreises / Verwaltungsteilbereiches hinaus, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät
- •Tätigkeiten qualifizierter Art, für die eine IHK-Ausbildung und einschlägige, nachweisbare Berufserfahrung oder eine erweiterte Ausbildung (z.B. Technikerabschluß) oder Studium erforderlich ist
- •Einarbeitung als Studienabsolvent
FC |
Funktionsbezeichnung |
Tätigkeitsbeispiele für Funktionen |
… |
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429 |
Bauleiter |
Baubegehung, Bauvorbereitung, Baubegleitung und Abnahme sowie Koordinierung von Umbauten und Wartungsmaßnahmen |
… |
|
|
E
- • Bearbeitet selbständigmehr als ein spezielles Segment eines Systems / Netzes / Kundenkreis / Verwaltungsteilbereiches mit Entscheidungsverantwortung, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät
- • Tätigkeiten erhöht qualifizierter Art, für die zusätzlich besondere Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen notwendig sind sowie Entscheidungsverantwortung
FC |
Funktionsbezeichnung |
Tätigkeitsbeispiele für Funktionen |
… |
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429 |
Bauleiter |
Baubegehung, -vorbereitung, -begleitung und Abnahme sowie Koordinierung von Umbauten und Wartungsmaßnahmen mit fachlicher Verantwortung |
… |
|
|
F
- •Bearbeitet weitgehend selbständig ein gesamtes System / Netz / Kundenkreis / Verwaltungsteilbereich, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät, – sowie Fähigkeit der fachlichen Unterweisung anderer Mitarbeiter
- •Tätigkeiten erhöht qualifizierter Art, die weitgehend selbständig und verantwortlich gelöst werden und dabei gründliche Fachkenntnisse über mehrere Sachgebiete verlangen sowie die Fähigkeit der fachlichen Unterweisung anderer Mitarbeiter
FC |
Funktionsbezeichnung |
Tätigkeitsbeispiele für Funktionen |
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… |
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429 |
Bauleiter |
Selbständige Baubegehung, -vorbereitung, -begleitung und Abnahme sowie Koordinierung von Umbauten und Wartungsmaßnahmen mit fachlicher Verantwortung |
… |
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|
…
Protokollnotiz zu den Tätigkeitsmerkmalen für Funktionen:
Die Eingruppierung in eine Gehaltsgruppe verlangt die Erfüllung der Kriterien der vorhergehenden Gehaltsgruppe als Mindestbedingungen.”
2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, für einen Anspruch nach der Gehaltsgruppe F GBV sei es nicht ausreichend, wenn nur die Anforderungen eines Tätigkeitsbeispiels verwirklicht seien, vielmehr müsse die Tätigkeit auch die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals erfüllen, ist rechtsfehlerhaft. Für eine Eingruppierung nach einer Gehaltsgruppe der GBV ist es ausreichend, dass die Tätigkeit die Anforderungen eines in dieser Gehaltsgruppe genannten Tätigkeitsbeispiels erfüllt. Das hat der Senat für die vorliegende GBV bereits mehrfach entschieden (BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 19; 18. Februar 2015 – 4 AZR 778/13 – Rn. 40 ff. mwN).
III. Ob der Kläger nach der Gehaltsgruppe F GBV zu vergüten ist, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist bereits weder ersichtlich, auf welcher Grundlage die GBV für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis maßgebend sein soll, noch kann beurteilt werden, ob die vom Kläger vorgelegten Gehaltsbänder für den streitgegenständlichen Zeitraum Anwendung finden (vgl. BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 25 ff.; 18. Februar 2015 – 4 AZR 780/13 – bzw. – 4 AZR 778/13 – Rn. 23 ff.).
a) Nach dem Vorbringen der Parteien – die beide offensichtlich von der Geltung der GBV ausgehen – ist nicht geklärt, ob die GBV überhaupt die maßgebende kollektivrechtliche Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers darstellen kann. Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, zu denen auch die Eingruppierungsregelungen der GBV zu zählen sind (zum Umfang des Mitbestimmungsrechts vgl. etwa BAG 17. Mai 2011 – 1 AZR 797/09 – Rn. 17; 28. April 2009 – 1 ABR 97/07 – Rn. 19, BAGE 131, 1), wäre für die Zeit vor Abschluss des HTV nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ggf. dann ausgeschlossen, wenn eine zwingende tarifliche Regelung bestand (BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 26 f. mwN). Dass eine solche nicht vorliegt, hat das Landesarbeitsgericht weder für die E GmbH, die die GBV im Jahr 2000 mit abgeschlossen hat, noch für deren Rechtsnachfolgerin, die E GmbH & Co. KG, festgestellt.
b) Eine kollektivrechtliche Weitergeltung der vormals von der E GmbH abgeschlossenen GBV bei der jetzigen Beklagten käme überdies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn die Identität des Betriebs gewahrt geblieben ist oder ein übernommener Betriebsteil als selbständiger Betrieb weitergeführt wurde (BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 29 mwN). Andernfalls wäre vorbehaltlich des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB von einer Transformation der Regelungen der GBV in das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auszugehen (BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 29 mwN). Hierzu fehlt es an den erforderlichen Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.
c) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist auch nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände die beiden vom Kläger eingereichten Seiten, die – insoweit unstreitig – eine Gehaltsstruktur der „A-L” ab dem 1. Juli 2007 und dem 1. Juli 2010 wiedergeben, nach dem Betriebsübergang Bestandteil einer zunächst mit der E GmbH geschlossenen und ggf. kollektivrechtlich weitergeltenden GBV geworden sind oder – namentlich im Falle einer Transformation der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB – aus welchem anderen Grund sie für die Entgeltansprüche des Klägers maßgebend sein sollen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Tatbestand seiner Entscheidung ausgeführt, die Gehaltstreppe sei in der GBV „enthalten”. Dies stellt jedoch keine bindende Tatsachenfeststellung, sondern eine bloße Rechtsbehauptung dar. Die Gehaltsstruktur der „A-L” ab dem 1. Juli 2007 bzw. 1. Juli 2010 kann schon aufgrund des zeitlichen Ablaufs nicht ohne weiteres rechtlicher Bestandteil der bereits im Jahr 2000 abgeschlossenen GBV sein.
2. Überdies fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu der vom Kläger tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.
a) Die tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung über die zutreffende Eingruppierung sind von den Gerichten für Arbeitssachen zu ermitteln und festzustellen. Der bloße Verweis auf eine vom Arbeitgeber verfasste Stellenbeschreibung und die dort genannten, auszuübenden Tätigkeiten ersetzt die erforderlichen Feststellungen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die auf die Eingruppierung gemäß einer Gesamtbetriebsvereinbarung übertragen werden kann, auch dann nicht, wenn die Angaben von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits nicht in Frage gestellt werden. Eine Stellenbeschreibung dient lediglich der Dokumentation der Tätigkeit des Stelleninhabers. Als Grundlage für eine Tätigkeitsbeschreibung kommt sie allenfalls dann in Betracht, wenn sie die tatsächlich auszuübende Tätigkeit sowie die Gesamt- oder Teiltätigkeiten ausreichend wiedergibt (grdl. BAG 13. November 2013 – 4 AZR 53/12 – Rn. 18 mwN), was ggf. ausdrücklich festzustellen ist.
b) Danach fehlt es im Entscheidungsfall an den notwendigen Feststellungen. Ein Verweis auf die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Unterlagen war nicht ausreichend. Die Arbeitsplatzbeschreibung trägt kein Datum. Auch ist nicht vorgetragen, wann sie erstellt wurde. Überdies ist unklar, ob in ihr die Tätigkeiten wiedergegeben werden, die der Kläger im Streitzeitraum ab Januar 2008 durchgehend ausgeübt hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist ihm seine derzeitige Tätigkeit erst ab 1. Oktober 2009 zugewiesen worden. In der Revisionsbegründungsschrift führt er selbst an, dass nach 2008 noch Tätigkeiten zu seinem Aufgabengebiet hinzugetreten sind. Auch die Dokumentationen zu den Mitarbeiterentwicklungsgesprächen beziehen sich jeweils lediglich auf die „letzten 6-12 Monate” als „Betrachtungszeitraum”.
IV. Über den Hilfsantrag hatte der Senat nicht zu entscheiden, da noch nicht feststeht, ob die Klage bereits bezüglich des Hauptantrags erfolgreich ist.
B. Die zulässige Revision der Beklagten ist ebenfalls begründet. Das folgt schon daraus, dass das Landesarbeitsgericht keine hinreichenden Feststellungen zu den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten als Grundlage seiner Eingruppierung getroffen hat. Der Senat kann deshalb auch insoweit nicht beurteilen, ob – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – die abstrakten Tätigkeitsmerkmale oder das Tätigkeitsbeispiel des Funktionscodes 429 der Gehaltsgruppe E GBV erfüllt sind.
C. Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die fehlenden Feststellungen zu treffen haben. Dabei wird ferner Folgendes zu beachten sein:
I. Nach Feststellung der tatsächlichen Aufgaben des Klägers wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu beurteilen haben, ob die Tätigkeit als einheitliche Gesamttätigkeit zu bewerten ist oder es sich um unterschiedlich zu bewertende Teiltätigkeiten handelt. Zwar erfolgt die Eingruppierung nach Nr. 3 Satz 1 GBV lediglich „anhand dieser Vereinbarung sowie der Funktionen und deren Tätigkeitsmerkmalen sowie Tätigkeitsbeispielen”. Es fehlt an einer ausdrücklichen Bestimmung, wonach eine überwiegende Tätigkeit für die Eingruppierung maßgebend sein soll. Jedoch handelt sich um einen allgemein anerkannten Grundsatz des Eingruppierungsrechts, dass sich die auszuübende Tätigkeit eines Arbeitnehmers aus verschiedenen Teiltätigkeiten unterschiedlicher Entgeltgruppen zusammensetzen kann (sh. BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 33 mwN).
II. Für den Fall, dass das Landesarbeitsgericht zu der Bewertung gelangt, es lägen mehrere Teiltätigkeiten vor, sind diese anhand der Maßstäbe, die der Senat in seiner Entscheidung vom 18. Februar 2015 (– 4 AZR 778/13 – Rn. 44 mwN) zur vorliegenden GBV aufgeführt hat, zu überprüfen und die maßgebende Gehaltsgruppe zu ermitteln.
III. Sollte danach eine Eingruppierung nach der Gehaltsgruppe F oder E GBV in Betracht kommen, ist hinsichtlich der Gehaltshöhe auf Folgendes hinzuweisen:
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Arbeitgeber durch Nr. 3 Satz 5 GBV in zulässiger Weise ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 Abs. 1 Halbs. 1 BGB nach Maßgabe der dort genannten Kriterien eingeräumt wird (BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 36 mwN).
2. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf eine höhere Vergütung geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und ggf. beweisen. Soweit lediglich der „Mittelwert” geltend gemacht wird, reicht in einem ersten Schritt die bloße Geltendmachung desselben durch den Arbeitnehmer aus. Mangels anderer Anhaltspunkte kann er grundsätzlich davon ausgehen, dass im Durchschnitt ein Entgeltanspruch in der Höhe des „Mittelwerts” bestehen soll (sh. BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 37 mwN).
3. Macht er jedoch – wie der Kläger – einen höheren Wert als den Mittelwert geltend (94,52 vH des Maximalbetrags), ist er hierfür primär darlegungsbelastet, wobei hinsichtlich der in Nr. 3 Satz 5 GBV genannten Kriterien der „Marktbedingungen” und des „Leistungsniveau[s]” bei dem wechselseitigen Vortrag die für diese Kriterien erforderlichen Tatsachenkenntnisse des Arbeitgebers zu beachten sind (vgl. BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 38). Insoweit wird daher ein qualifiziertes Bestreiten der Beklagten notwendig sein, auch wenn der primäre Vortrag des Klägers pauschal gehalten sein sollte. Für die Darlegung von 94,52 vH des Maximalbetrags des Gehaltsbands der Gehaltsgruppen F bzw. E GBV wird andererseits allein nicht ausreichend sein, dass der Kläger vorträgt, in der niedrigeren Gehaltsgruppe D GBV diesen Prozentsatz derzeit zu erhalten. Allerdings macht der Kläger auch geltend, bezüglich Qualifikation und Leistungsniveau weit überdurchschnittlich zu sein und versucht dies mit diversen Leistungsnachweisen zu belegen. Auch die Beklagte räumt ein, der Kläger sei ein „sehr qualifizierter Mitarbeiter”. Danach ist nicht ausgeschlossen, dass er mehr als den Mittelwert beanspruchen kann, sollte er nach den Gehaltsgruppen E oder F GBV zu vergüten sein. Jedenfalls kann allein die von der Beklagten angeführte „Verweildauer” in einer Gehaltsgruppe aufgrund der verschiedenen in Nr. 3 GBV benannten Kriterien eine ermessensfehlerfreie Leistungsbestimmung nicht begründen (BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 38).
Unterschriften
Eylert, Treber, Rinck, Hannig, Valerie Holsboer
Fundstellen
Haufe-Index 9017547 |
BB 2016, 371 |