Entscheidungsstichwort (Thema)
Erkrankung nach Urlaubsantritt
Leitsatz (amtlich)
Ist der Urlaub so festgesetzt, daß er nicht vor dem Stichtag für den Antritt des übertragenen Urlaubs nach § 23 des Tarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Bundespost beendet wird, hat der Arbeitgeber bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers keine Verpflichtung, die wegen nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit nicht anzurechnenden Urlaubstage nachzugewähren. In diesem Fall verfallen die wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllten Urlaubsansprüche.
Normenkette
BGB § 275; BUrlG § 7 Abs. 1, 3; PTNeuOG Art. 4 § 21; Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 in der am 30. Juni 1994 geltenden Fassung (TV Arb) § 23 Abs. 1, 10, 17
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 1995 – 11 Sa 454/95 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 1995 – 6 Ca 6282/94 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über drei Tage Resturlaub aus dem Urlaubsjahr 1993/1994.
Der Kläger war bereits vor der Neuordnung des Postwesens bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Fernmeldehandwerker im Fernmeldeamt D… beschäftigt. Er ist Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft, die mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TV Arb) abgeschlossen hat. In diesem Tarifvertrag sind u.a. folgende urlaubsrechtliche Bestimmungen enthalten:
Ҥ 23
Erholungsurlaub
(1) Der Arbeiter erhält in jedem Urlaubsjahr einen Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist der Zeitraum vom 1. April bis 31. März.
…
(10) Der Urlaub ist in dem Urlaubsjahr zu gewähren und zu nehmen, für das der Urlaubsanspruch entsteht. Urlaub, der im Urlaubsjahr nicht oder nicht voll gewährt oder genommen wurde, ist spätestens bis zum 30. Juni des nächsten Urlaubsjahres anzutreten. Ist dies aus betrieblichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich, verlängert sich die Frist bis zum 30. September.
…
(17) Erkrankt der Arbeiter während des Urlaubs und zeigt dies unverzüglich an, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet. Der durch die Unterbrechung verbleibende Resturlaub ist nachzugewähren.”
Für den Bereich der Beklagten ist durch den Tarifvertrag das Urlaubsjahr abweichend vom Kalenderjahr auf den Zeitraum 1. April bis 31. März festgelegt worden. Der Kläger hat seinen tariflichen Urlaub für das Urlaubsjahr 1993/1994 nicht voll in Anspruch genommen. Der übertragene Resturlaub ist auf den 6. Juni bis 6. Juli 1994 festgesetzt worden. Während des Urlaubs erkrankte der Kläger. Durch ärztliche Bescheinigung ist für den 4. Juli bis 6. Juli 1994 Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen worden.
Mit der am 10. Oktober 1994 erhobenen Klage hat der Kläger den Anspruch auf Nachgewährung von drei Urlaubstagen gerichtlich geltend gemacht. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger drei Erholungsurlaubstage nach § 23 TV Arb in 1994 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachgewährung von Urlaub für die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit vom 4., 5. und 6. Juli 1994.
1. Die Beklagte hat als Rechtsnachfolgerin des früheren Unternehmens Deutsche Bundespost TELEKOM auch die tariflichen Ansprüche des Klägers zu erfüllen. Das ist in Art. 4 Postneuordnungsgesetz vom 14. September 1994, § 21 Abs. 1 Satz 2 Postpersonalrechtsgesetz klargestellt.
2. Die vom Kläger geltend gemachten drei Tage Tarifurlaub aus dem Urlaubsjahr 1993/1994 sind zwar auf das folgende Urlaubsjahr übertragen worden. Sie sind jedoch mit Ablauf des 6. Juli 1994 ersatzlos untergegangen.
a) Die Tarifvertragsparteien haben in § 23 Abs. 1 Satz 2 TV Arb entsprechend § 13 Abs. 3 BUrlG das Urlaubsjahr abweichend vom Kalenderjahr festgelegt. Sie haben in § 23 Abs. 10 Satz 2 TV Arb die automatische Übertragung des Urlaubs eigenständig geregelt. Der im vorhergehenden Urlaubsjahr nicht oder nicht voll gewährte Urlaub muß spätestens bis zum 30. Juni angetreten werden. Der 1993/1994 nicht voll gewährte Urlaub ist danach auf das erste Quartal des Urlaubsjahres 1994/1995 übertragen worden. Auf die vom Kläger vorgebrachten betrieblichen Hinderungsgründe kam es nicht an.
b) Der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers ist nicht voll erfüllt worden. Vom 6. Juni bis 3. Juli 1994 ist der mit der Festsetzung des Urlaubs nach § 7 Abs. 1 BUrlG beabsichtigte Erfolg, die Freistellung von der Arbeitspflicht, eingetreten. Dagegen ist am 4., 5. und 6. Juli 1994 kein Erfüllungserfolg eingetreten, weil infolge der Arbeitsunfähigkeit des Klägers keine Arbeitspflicht bestanden hat. Nach § 23 Abs. 17 Satz 1 TV Arb sind die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Urlaub anzurechnen. Sie gelten daher auch nicht als erfüllt.
c) Der nicht erfüllte dreitägige Urlaubsanspruch ist untergegangen, weil die Beklagte nach § 275 Abs. 1 BGB von der Freistellungsverpflichtung freigeworden ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats geht der durch die Leistungshandlung des Arbeitgebers konkretisierte Urlaubsanspruch gemäß § 243 Abs. 2, § 275 Abs. 1, § 300 Abs. 2 BGB ersatzlos unter, wenn die Freistellung nachträglich unmöglich wird, ohne daß der Arbeitgeber die Unmöglichkeit zu vertreten hat (Senatsurteile vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 65/90 – BAGE 73, 221 = AP Nr. 3 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW; vom 9. August 1994 – 9 AZR 384/92 – BAGE 77, 296, 301 = AP Nr. 19 zu § 7 BUrlG, zu 2b der Gründe).
So liegt der Fall hier. Mit Ablauf des 6. Juli 1994 ist die Gewährung von Urlaub aus dem Urlaubsjahr 1993/1994, der spätestens bis zum 30. Juni 1994 angetreten worden ist, unmöglich geworden. Die Beklagte hat auch nicht die infolge Krankheit eingetretene Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 4., 5. und 6. Juli 1994 zu vertreten.
d) Soweit das Landesarbeitsgericht von der weiteren Übertragung des infolge Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllten Urlaubsanspruchs ausgegangen ist, verkennt es die tarifliche Regelung des § 23 Abs. 10 Satz 3 TV Arb.
Auch ohne ausdrückliche tarifliche Regelung ist ebenso wie beim gesetzlichen Urlaub nach § 7 Abs. 3 BUrlG davon auszugehen, daß der Urlaubsanspruch als befristeter Freistellungsanspruch spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergeht. Der Übertragungszeitraum ist durch § 23 Abs. 10 Satz 2 TV Arb mit der Maßgabe festgelegt, daß die Abwicklung des Urlaubs bis zum 30. Juni begonnen haben muß (“spätestens bis zum 30. Juni … anzutreten”). So wird gewährleistet, daß das Ende des Übertragungszeitraums entsprechend der individuellen Urlaubsdauer flexibel festgelegt wird. Damit entfällt nicht die Befristung. Sie fällt mit dem Ende des festgesetzten Urlaubszeitraums zusammen.
Tritt während des festgesetzten Urlaubs eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auf, so wird der Übertragungszeitraum nicht verlängert. Die bis zum 30. September des nächsten Urlaubsjahres verlängerte Übertragung setzt nach § 23 Abs. 10 Satz 3 TV Arb voraus, daß der Antritt des Urlaubs bis zum 30. Juni wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht möglich war. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen.
Diese tarifliche Regelung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Sie enthält zwar je nach der Lage der Arbeitsunfähigkeit vor oder nach dem Stichtag zum Antritt des übertragenen Urlaubs unterschiedliche Rechtsfolgen. Das ist jedoch im Rahmen der Tarifautonomie zulässig. Nach § 23 Abs. 10 Satz 3 TV Arb werden nur die Arbeitnehmer durch die Verlängerung des Übertragungszeitsraums bis zum 30. September besser gestellt, die infolge Arbeitsunfähigkeit oder wegen betrieblicher Gründe gehindert waren, den übertragenen Urlaub bis zum 30. Juni anzutreten. Die Arbeitnehmer, die in der Lage waren, den Urlaub früher anzutreten, sollen nach dem Inhalt der Regelung das mit einer Erkrankung verbundene Verfallsrisiko für die nach dem 30. Juni festgesetzten Urlaubstage tragen. Damit wird bezweckt, die Arbeitnehmer zu einer rechtzeitigen Urlaubsnahme anzuhalten. Derartige Tarifbestimmungen sind nicht ungewöhnlich (vgl. zu § 52 MTB II BAG Urteil vom 31. Mai 1990 – 8 AZR 184/88 – AP Nr. 12 zu § 9 BUrlG; für § 49 MTW Senatsurteil vom 19. März 1996 – 9 AZR 67/95 – AP Nr. 13 zu § 9 BUrlG). Sie belasten auch nicht die Arbeitnehmer übermäßig. Denn in den ersten drei Monaten des Übertragungszeitraums muß auf Verlangen des Arbeitnehmers der Urlaub gewährt werden (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG). Ein Recht des Arbeitgebers, aus betrieblichen Gründen den Urlaub zu verweigern, besteht in dieser Zeit nicht (Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 7 BUrlG Rz 109).
II. Der Kläger hat als Unterlegener die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Unger, Trümner
Fundstellen
Haufe-Index 884926 |
NZA 1997, 889 |
AP, 0 |