Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Revisionszulassung bei geklärter Rechtslage
Leitsatz (NV)
1. Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Zudem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein.
2. Eine Zulassung der Revision wegen Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) kommt nur in Betracht, wenn eine bestimmte abstrakte Rechtsfrage, deren Beantwortung der Rechtsfortbildung dient, in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Hinsichtlich der Anforderungen an die schlüssige Darlegung der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts gelten die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung entwickelten Grundsätze sinngemäß.
3. Die Rechtsfragen, ob eine Entschädigung i.S. der § 24 Nr. 1 Buchst. a; § 34 Abs. 1 und 2 EStG die Beendigung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses voraussetzt und unter welchen Voraussetzungen von der Beendigung eines Dienstverhältnisses auszugehen ist, sind geklärt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt im Streitjahr 1998 neben seinem Bruttolohn in Höhe von 73 530 DM eine von seiner Arbeitgeberin nach § 24 Nr. 1 a, § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt besteuerte Entschädigung von brutto 16 506 DM. Diese einmalige Zahlung hatte folgenden Grund: Bei der Arbeitgeberin wurde im Mai 1998 eine Betriebsvereinbarung zum Abbau von übertariflichen Zulagen getroffen. Diese sah --beginnend mit dem 1. Juli 1998-- die Abgeltung verschiedener, gemäß den zunächst unbefristet geschlossenen Vereinbarungen vom 17. Mai 1990 und vom 20. Januar 1953 in der Fassung vom 3. August 1964 gezahlter übertariflicher Zulagen ("25 % - übertarifliche Zulage", "Qualifikations-Zulage", "Treue-Zulage") durch eine einmalige Ausgleichszahlung vor. Die Höhe der Einmalabfindung wurde in Anwendung der Betriebsvereinbarung zum Abbau von übertariflichen Zulagen in Abhängigkeit des Lebensalters und der Dienstjahre des Arbeitnehmers berechnet.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte die Anwendung der Tarifermäßigung ab, erließ aber einen Einkommensteueränderungsbescheid, in dem die Einmalzahlung unter Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG (sog. Drittelregelung) --abgemildert-- besteuert wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2002 wies das FA den Einspruch des Klägers zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG rechtfertigende neue Rechtsgrundlage nicht gegeben, wenn unter Fortsetzung des Einkunftserzielungstatbestandes im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses ein bestehender Anspruch durch den Vertragspartner abgegolten werde. Eine Entschädigung i.S. der § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 EStG verlange, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet werde. All den aufgeführten Entscheidungen des BFH liege die Erkenntnis zugrunde, dass Ereignisse, die den Einkunftserzielungstatbestand nicht in seinem Bestand berührten, nicht zu einer Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG führten. Das bedeute für die Fälle, in denen einem Arbeitnehmer ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses entgangene oder entgehende Einnahmen ersetzt würden, dass nur eine Modifikation des bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliege, die die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht rechtfertigen könne. Sofern der Kläger vortrage, die herrschende Auffassung in der Literatur folge der Auffassung des BFH nicht, treffe dies in dieser Allgemeinheit nicht zu. So verneinten Mellinghoff (in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl. 2002, § 24 Rdnr. 11) und Seeger (in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., 2003, § 24 Rdnr. 12) in Fällen der hier zu entscheidenden Art bereits das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Im Streitfall sei das bisherige arbeitsvertragliche Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin, das den Einkunftserzielungstatbestand darstelle, nicht aufgelöst worden, weshalb die Anwendung des vom Kläger begehrten ermäßigten Steuersatzes nicht gerechtfertigt sei.
II. Mit der ausführlich begründeten Beschwerde macht der Kläger geltend: Die Rechtsfrage sei klärungsbedürftig. Zwar habe der BFH entschieden, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet sein müsse, diese Rechtsprechung habe aber im Schrifttum Widerspruch erfahren. Auch habe sich der BFH in den Entscheidungen nur unzureichend mit den abweichenden Rechtsansichten auseinander gesetzt. Das FA trage zu Unrecht vor, dass Teile des Schrifttums nicht im Widerspruch zu der BFH-Rechtsprechung stünden. Im Streitfall handele es sich bei der Ausgleichszahlung nicht lediglich um eine andere Zahlungsmodalität, sondern um eine neue, für den Kläger mit erheblichen finanziellen Einbußen verbundene Leistung. Zu klären sei ggf. auch die weitere Frage, unter welchen Voraussetzungen von der Beendigung eines Dienstverhältnisses im Falle einer Änderungskündigung und bei vergleichbaren Sachverhalten wie dem Streitfall auszugehen sei. Die bezeichneten Rechtsfragen seien auch klärungsfähig.
Das FA ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht gegeben seien. Die zitierten meist älteren Literaturmeinungen könnten nicht als "ernst zu nehmende neue Argumente" angeführt werden.
Entscheidungsgründe
III. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Zudem muss die Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (BFH-Beschlüsse vom 1. März 2004 X B 151/02, BFH/NV 2004, 951; vom 10. April 2003 X B 109/02, BFH/NV 2003, 1082). Eine Zulassung der Revision wegen Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) kommt nur in Betracht, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung des Gesetzes aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Die Rechtsfortbildung muss über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und die vorgelegte Rechtsfrage muss klärungsfähig und klärungsbedürftig sein (BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 2003 X B 26/03, BFH/NV 2004, 82; vom 15. September 2004 I B 204/03, juris Nr.: STRE200451322).
2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
a) Die dargelegte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Die Entscheidung des FG entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Eine erneute Befassung mit der Rechtsfrage erscheint nicht geboten. So hat der Senat in seinem Beschluss vom 28. Februar 2005 XI B 182/03 ausgeführt:
"Nach dem BFH-Urteil vom 10. Oktober 2001 XI R 54/00, BFHE 197, 54, BStBl II 2002, 181, setzt die Beurteilung des einem Arbeitnehmer geleisteten Ersatzes für entgangene oder entgehende Einnahmen als Entschädigung i.S. der § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 EStG voraus, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis beendet wird. In dem BFH-Urteil vom 6. März 2002 XI R 36/01, BFH/NV 2002, 1144, hat der Senat entschieden, dass die entgeltliche Herabsetzung einer Pensionszusage ohne weitere Änderung des Dienstverhältnisses nicht zu einer steuerbegünstigten Abfindung führt." Und in dem BFH-Urteil vom 10. April 2003 XI R 4/02 (BFHE 202, 290, BStBl II 2003, 748) heißt es: "Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (BFH-Urteile vom 12. April 2000 XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195; vom 23. Januar 2001 XI R 7/00, BFHE 194, 411, BStBl II 2001, 541; vom 10. Oktober 2001 XI R 54/00, BFHE 197, 54, BStBl II 2002, 181; vom 6. März 2002 XI R 36/01, BFH/NV 2002, 1144) ist eine die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG rechtfertigende neue Rechtsgrundlage nicht gegeben, wenn unter Fortsetzung des Einkunftserzielungstatbestandes im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses ein bestehender Anspruch durch den Vertragspartner abgegolten wird. Eine Entschädigung i.S. der § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 EStG verlangt, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet wird."
Der Kläger hat keine neuen Argumente vorgetragen, die den Senat dazu veranlassen könnten, die Rechtsfrage erneut zu prüfen (dazu vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 115 Rz. 28). Die Rechtslage ist durch die Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt; bisher nicht berücksichtigte Gesichtspunkte sind nicht erkennbar.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen von der Beendigung eines Dienstverhältnisses auszugehen sei, geklärt. Der BFH hat entschieden, dass für die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen Erfüllungsleistungen und Entschädigungen maßgeblich ist, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis nach bürgerlichem Recht wirksam beendet worden ist; unter Auflösung des Dienstverhältnisses ist die nach bürgerlichem (Arbeits-)Recht wirksame Auflösung zu verstehen (BFH-Beschluss vom 1. April 2004 XI B 128/02, BFH/NV 2004, 1251, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1412446 |
BFH/NV 2005, 1812 |