Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage des Vorwegabzugs bei Zahlungen an einen ausländischen Sozialversicherungsträger
Leitsatz (NV)
,,Träger der gesetzlichen Rentenversicherung" ist auch ein ausländischer Träger.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 Buchst. a
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1986 zusammenveranlagt. Der Kläger ist im Großherzogtum Luxemburg beschäftigt und bezieht dort Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; er ist sog. Grenzgänger. Die an die luxemburgische Rentenversicherung (Pensionskasse) abzuführenden Beiträge betragen 16 v. H. und werden vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer je zur Hälfte getragen. Der Kläger hat im Streitjahr solche Beiträge in Höhe von . . . Flux (= . . . DM) entrichtet. Bei der Veranlagung beließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) den vom Kläger im Ausland bezogenen Arbeitslohn aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens Luxemburg (DBA-Luxemburg) steuerfrei; der Arbeitslohn wurde bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt (§ 32 b des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Das FA kürzte den zusätzlichen Sonderausgabenhöchstbetrag (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) um den Arbeitgeberanteil auf 0 DM.
Das Finanzgericht (FG) hat die gegen die Kürzung des Vorwegabzugs gerichtete Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Kläger erlaube § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG die Kürzung des Vorwegabzugs nicht nur dann, wenn der Arbeitslohn, auf den die Rentenversicherungsbeiträge entfallen, im Geltungsbereich des EStG erzielt worden ist.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde tragen die Kläger vor, die Rechtsfrage, ob die ,,gesetzliche Rentenversicherung" i. S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG auch eine ausländische Rentenversicherung sei, habe grundsätzliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern dargelegte Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es besteht kein allgemeines Interesse an der Klärung der Rechtslage durch höchstrichterlichen Rechtsspruch, da die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie dies im Urteil der Vorinstanz geschehen ist (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1978 V B 15/77, BFHE 124, 264, BStBl II 1978, 394; vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 56).
Das FG hat - wie bereits das FA - stillschweigend unterstellt, daß Arbeitnehmerbeiträge an den luxemburgischen Sozialversicherungsträger von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen als Vorsorgeaufwendungen abgezogen werden können. Dies ist nicht unzweifelhaft: Nach der Rechtsprechung des BFH sind nicht als Sonderausgaben abziehbar Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung, die auf Arbeitslohn entfallen, der nach dem Montage-Erlaß (BFH-Urteil vom 18. Juli 1980 VI R 97/77, BFHE 131, 339, BStBl II 1981, 16) oder nach § 3 Nr. 63 EStG a. F. (weil in der ehemaligen DDR erzielt; BFH-Urteil vom 27. März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64, BStBl II 1981, 530) steuerfrei ist bzw. war. Dies wird damit begründet, daß ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen i. S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG vorliege. Abschn. 87 a Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990 (= Abschn. 52 Abs. 1 Nr. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1990) hat diese Aussage verallgemeinert: Nicht abziehbar sind auch gesetzliche Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, die auf Arbeitslohn entfallen, der aufgrund eines DBA steuerfrei ist.
Dieses Ergebnis wird in der Literatur überwiegend abgelehnt (z. B. Söhn in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10 Rdnr. M 7 ff.; Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 EStG Anm. 376). Auch nach Auffassung des erkennenden Senats ist dies nicht zweifelsfrei: Kann der Steuerpflichtige weder in Luxemburg (dort als beschränkt Steuerpflichtiger) noch im Inland Vorsorgeaufwendungen geltend machen, bedürfte eine solche Auslegung des § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG einer Überprüfung am Maßstab des Verfassungsrechts und des Rechts der Europäischen Gemeinschaft.
Diese Frage kann indes dahingestellt bleiben, da die Abziehbarkeit jedenfalls an § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG scheitert. Dies hat das FG im Ergebnis zu Recht bejaht. ,,Träger der gesetzlichen Rentenversicherung" ist auch ein ausländischer Träger. Zwar gibt es zu dieser Frage noch keinen höchstrichterlichen Rechtsspruch. Sie läßt sich aber schlicht aus dem Gesetz beantworten: § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt nur bei Versicherungsunternehmen oder Bausparkassen voraus, daß sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben oder daß ihnen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist; im übrigen fordert die Vorschrift lediglich, daß die Vorsorgeaufwendungen ,,an einen Sozialversicherungsträger" geleistet werden. Die Kläger beziehen sich für ihre Rechtsauffassung auf Herrmann / Heuer / Raupach (a. a. O., § 10 EStG Anm. 103), denen zufolge ,,gesetzliche Rentenversicherung" i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ,,die gesetzliche Sozialversicherung für Arbeitnehmer nach der RVO, dem AVG nebst AVNG und dem RKnappG . . ." ist. Dies verhilft den Klägern indes nicht zum Erfolg, da hiernach bereits die Abziehbarkeit der Arbeitnehmerbeiträge in die luxemburgische Pensionskasse zu versagen wäre. Sind die Beiträge aber abziehbar (so zutreffend Söhn, a. a. O., § 10 Rdnr. E 38; Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10 Anm. 7), ist folgerichtig auch eine Kürzung des Vorwegabzugs gerechtfertigt (vgl. Herrmann / Heuer / Raupach, a. a. O., § 10 Anm. 385: ,,nach dem Wortlaut und dem Zweck"; und Söhn, a. a. O., § 10 Rdnr. N 14; s. ferner Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 10 EStG Rdnr. 248; Stephan in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 10 Rdnr. 252).
Fundstellen
Haufe-Index 418190 |
BFH/NV 1992, 382 |