Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein ermäßigter Steuersatz für sog. "Buy-Out"-Vergütungen eines Drehbuchautors
Leitsatz (amtlich)
Wird der Vertrag eines Drehbuchautors mit einer Produktionsgesellschaft dahin gehend geändert, dass die Vergütung für die Ausarbeitung von Drehbüchern einer Fernsehserie, die bislang von der Zahl der ausgestrahlten Sendungen abhing, nur noch einmal für jedes gelieferte Drehbuch gezahlt wird (sog. "Buy-Out"-Vergütung), so unterliegt die Vergütung nicht dem ermäßigten Steuersatz.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist von Beruf Journalist und Drehbuchautor. Da er und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau für das Streitjahr (1996) keine Steuererklärung abgegeben hatten, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) einen Schätzungsbescheid.
Der hiergegen eingelegte, aber nicht begründete Einspruch blieb ohne Erfolg. Erst während des Klageverfahrens reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung 1996 ein. Die Erklärung weist u.a. Einkünfte des Klägers aus selbständiger Tätigkeit als Journalist/Autor in Höhe von 241 607 DM aus.
Das FA erließ daraufhin einen Einkommensteueränderungsbescheid, mit dem eine höhere Steuer festgesetzt wurde.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens konkretisierten die Kläger ihr Klagebegehren dahin gehend, dass ein Teil der Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes in Höhe von 80 000 DM dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu unterwerfen sei. Sie begründeten das damit, dass es sich insoweit um sog. "Buy-Out"-Vergütungen handele, die der Kläger für die Veräußerung und Abtretung von Nutzungsrechten an von ihm geschaffenen Drehbüchern erhalten habe. Als Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG unterlägen sie dem nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigten Steuersatz.
In diesem Zusammenhang wies der Kläger auf einen Vertrag vom 30. September 1993 hin, demzufolge sich die Fa. A-KG verpflichtet hatte, ihm als Vergütung für die Ausarbeitung der Drehbücher für 15 Folgen der Fernsehkrimiserie … für die Erstausstrahlung je Folge einen Betrag in Höhe von 25 000 DM und für Wiederholungen jeweils 22 000 DM zu zahlen. In der Folge habe aber der Sender B seine Geschäftspolitik grundsätzlich geändert und ihm, dem Kläger, bedeutet, dass er nur dann weiterhin im Geschäft bleiben könne, wenn er bereit sei, den Vertrag mit der A-KG zu ändern und für die Folge IX und alle weiteren Folgen eine Vereinbarung zu akzeptieren, bei der durch die Zahlung eines Einmalbetrags jeweils auch die Honorare für Wiederholungssendungen abgegolten seien. Er sei deshalb gezwungen gewesen, sich auf den Abschluss eines weiteren Vertrags vom 8. März 1996 einzulassen. Dieser Vertrag sicherte ihm für die Ausarbeitung des Drehbuchs der Folge IX die Zahlung eines einmaligen Honorars in Höhe von 120 000 DM (bezeichnet als "Gesamt-Buy-Out") und für die Erstellung eines entsprechenden Exposés 10 000 DM zu. Der Betrag war zahlbar in vier Teilbeträgen bei Vertragsabschluss, bei Lieferung, bei Abnahme durch den Produzenten und bei Abnahme durch B.
Die Klage hatte hinsichtlich des ―nunmehr allein streitigen― ermäßigten Steuersatzes keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die vom Kläger im Jahr 1996 vereinnahmten "Buy-Out"-Beträge seien nicht als außerordentliche Einkünfte mit dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG in der damals geltenden Fassung zu besteuern. Sie seien nicht als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG zu beurteilen. Die Entscheidung vom 20. Februar 2002 1 K 4521/98 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 830 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 8. Oktober 1998 den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 20. März 2001 in der Weise zu ändern, dass Einkünfte des Klägers aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 80 000 DM nach § 34 Abs. 1 EStG dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die streitigen Einkünfte des Klägers nicht nach § 34 Abs. 1 EStG dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind.
Zu den dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfenden Einkünften gehören nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG.
1. Der Begriff der Entschädigung ist im Gesetz nicht definiert. Er setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass der Steuerpflichtige einen Schaden durch den Wegfall von Einnahmen erlitten hat und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt ist, diesen Schaden auszugleichen (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. Juli 1991 X R 79/90, BFHE 165, 75; vom 27. November 1991 X R 10/91, BFH/NV 1992, 455; vom 21. September 1993 IX R 32/90, BFH/NV 1994, 308). Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen; dementsprechend muss die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. August 1993 XI R 8/93, BFHE 172, 338, BStBl II 1994, 167, m.w.N.).
2. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
a) Es fehlt bereits an einer Ersatzleistung. Der streitige Betrag von 80 000 DM war nach den Feststellungen des FG Teil einer "Gesamt-Buy-Out"-Vergütung im Sinne des Vertrages vom 8. März 1996. Er war nicht zum Ausgleich eines Schadens bestimmt, der dem Kläger aus dem Wegfall von Einnahmen entstanden ist. Es handelt sich vielmehr um ein Entgelt, das der Kläger für die Ausarbeitung eines Drehbuchs der Serie … erhalten hat.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob die Verpflichtung zur Ausarbeitung dieses Drehbuchs noch aus dem ursprünglichen Vertrag vom 30. September 1993 hergeleitet werden kann. Verhält es sich so, so beruht die "Gesamt-Buy-Out"-Vergütung nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitslage im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung. Beruht die Verpflichtung zur Ausarbeitung des Drehbuchs der Folge IX jedoch auf der Vereinbarung vom 8. März 1996, so gelten die Grundsätze, die der BFH im Urteil vom 14. Juli 1993 I R 84/92 (BFH/NV 1994, 23) unter dem Schlagwort "Anschlussverträge" aufgestellt hat. Es handelt sich dabei um neue Verträge, die Erfüllungs- und keine Ersatzpflichten begründen. Der Entscheidung in BFH/NV 1994, 23 lag der Fall zugrunde, dass ein Erfinder mit einem Unternehmen Lizenzverträge abgeschlossen hatte, die ihm lebenslange Zahlungen sicherten. Der Rechtsnachfolger des Lizenznehmers war nicht mehr bereit, die Zahlungen weiter zu leisten, sagte jedoch dem Erfinder ―nach entsprechenden Verhandlungen― eine einmalige Zahlung zu. Der BFH entschied, dass diese Zahlung keine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sei, sofern der Erfinder dem zahlenden Unternehmen im Gegenzug die ungestörte Vermarktung seiner Erfindungen gestattet habe.
c) Maßgeblich dafür, dass die "Gesamt-Buy-Out"-Zahlungen als Erfüllungsleistungen anzusehen sind, ist allein der Umstand, dass der Kläger die Vergütung nicht bekommen hätte, wenn er nicht seinerseits die versprochene Leistung erbracht hätte. Folglich hängt die Annahme eines "Anschlussvertrags" entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht davon ab, ob der vorangegangene Vertrag "ordnungsgemäß" abgewickelt worden ist. Gegen eine solche Einschränkung spricht auch das BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 23. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren die ursprünglichen Lizenzverträge gerade nicht "ordnungsgemäß" abgewickelt worden.
3. Unterstellt, durch die Regelung im Vertrag vom 8. März 1996 würden die Einnahmen des Klägers tatsächlich für die Zukunft gemindert, so wäre der Sachverhalt ―soweit hier von Interesse― der Änderungskündigung eines Arbeitsverhältnisses vergleichbar. Für diesen Fall wird in der Literatur angenommen, dass ein einmaliger Ausgleich, den der Arbeitnehmer für die Umsetzung auf einen geringer entlohnten Arbeitsplatz erhält, als Entschädigung steuerbegünstigt ist (vgl. z.B. von Bornhaupt, Betriebs-Berater ―BB―, Beilage 7/1980, 14; Offerhaus, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1994, 225; zweifelhaft aufgrund des BFH-Urteils vom 10. Oktober 2001 XI R 54/00, BFHE 197, 54, BStBl II 2002, 181, hierzu Zugmaier, Finanz-Rundschau ―FR― 2002, 346; Hutter, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung ―BFH-PR― 2002, 127, m.w.N.). Demgegenüber kann nicht ernstlich erwogen werden, dass im Fall der Änderungskündigung auch der künftige Arbeitslohn eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt. Im Streitfall hat der Kläger ―aus welchen Gründen auch immer― neben dem Entgelt für seine weitere Tätigkeit keine Abstandszahlung erhalten.
4. Entgegen der Auffassung des Klägers kann ein anderes Ergebnis auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der ursprüngliche Vertrag vom 30. September 1993 kein Wahlrecht der A-KG zum Übergang auf eine Honorierung im Wege eines "Gesamt-Buy-Outs" enthielt. Der Kläger beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung zur Kapitalisierung wiederkehrender Bezüge. Zur Beantwortung der Frage, ob die Kapitalisierung auf einer neuen Rechts- und Billigkeitslage beruht oder lediglich eine ―ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte― Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellt, hat die Rechtsprechung des BFH darauf abgestellt, ob die Möglichkeit zur Kapitalabfindung bereits bei Vereinbarung der wiederkehrenden Bezüge vorgesehen war (vgl. BFH-Urteile vom 17. März 1978 VI R 63/75, BFHE 124, 543, BStBl II 1978, 375; vom 16. April 1980 VI R 86/77, BFHE 130, 168, BStBl II 1980, 393; vom 27. Februar 1991 XI R 8/87, BFHE 164, 243, BStBl II 1991, 703; vom 9. Juli 1992 XI R 5/91, BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27; vom 25. August 1993 XI R 8/93, BFHE 172, 338, BStBl II 1994, 167). Allen diesen Entscheidungen ist jedoch gemeinsam, dass die Empfänger der wiederkehrenden Bezüge infolge der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses keine Leistungen mehr an den Zahlenden erbrachten. Es handelte sich vielmehr um Versorgungsbezüge. Infolgedessen konnte sich in diesen Fällen nicht die Frage stellen, ob die Bezüge ―sei es in wiederkehrender, sei es in kapitalisierter Form― Entgelt für künftige Leistungen darstellen konnten.
5. Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob der Kläger der Umwandlung der Honorierung in "Gesamt-Buy-Out"-Vergütungen nur unter starkem wirtschaftlichem Druck zugestimmt hat.
6. Schließlich kann unerörtert bleiben, ob eine Steuerbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil es infolge der sechs noch zu liefernden Drehbuchfolgen und der am Leistungsfortschritt orientierten Teilzahlungen am Erfordernis der "Zusammenballung" fehlen könnte (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 51/95, BFHE 180, 152, BStBl II 1996, 416; Weber-Grellet, Deutsches Steuerrecht 1996, 1993, 1999; Kanzler, FR 1996, 496).
Fundstellen
Haufe-Index 1178585 |
BFH/NV 2004, 1342 |
BStBl II 2004, 876 |
BFHE 2005, 287 |
BFHE 206, 287 |
BB 2004, 1725 |
DB 2004, 1704 |
DStRE 2004, 1066 |
HFR 2004, 984 |