Leitsatz (amtlich)
Der Senat verbleibt bei seiner Rechtsauffassung, daß eine Kapitalgesellschaft - auch im Falle beschränkter Steuerpflicht - keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Mit Vertrag vom 6. März 1969 überließ die A in Vaduz/Liechtenstein, unstreitig eine Anstalt im Sinne der Art. 534 f. des Liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts, der Klägerin und Revisionsbeklagten - einer GmbH & Co. KG - (Klägerin) ihre Kenntnisse, Entwicklungsergebnisse und bisherigen und zukünftigen Erfahrungen zur Herstellung von ... Als Gegenleistung zahlte ihr die Klägerin im Jahre 1969 = 28 257,09 DM, im Jahre 1970 = 40 035,26 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) sah die A als mit diesen Beträgen nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtig an und erließ gegen die Klägerin wegen Nichteinbehaltung und Abführung der Steuer nach § 50a Abs. 4 Buchst. b EStG unter dem 8. und 13. Januar 1971 einen Haftungsbescheid über 17 073 DM ESt und 512,19 DM Ergänzungsabgabe.
Die angesichts dieses Bescheides gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG schloß sich in seiner Beurteilung den Entscheidungen des BFH vom 4. März 1970 I R 140/66 (BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428) und vom 4. März 1970 I R 86/69 (BFHE 99, 116, BStBl II 1970, 567) an und hob den Haftungsbescheid ersatzlos auf.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Bescheid wiederherzustellen. Nach dem zwischen der Klägerin und der A geschlossenen Vertrug handele es sich bei dem überlassenen Know-how um typisches Ingenieurwissen, das Ausfluß einer freien Berufstätigkeit sei. Die Steuerpflicht entstehe auch dann, wenn der ausländische Know-how-Geber die verwerteten Kenntnisse in einem gewerblichen Unternehmen entwickelt oder erworben und im Rahmen dieses Betriebs der Klägerin überlassen habe, da aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der isolierenden Betrachtungsweise geschlossen werden müßte, daß die Zuordnung bestimmter Einkünfte zu einer der in § 49 EStG genannten Einkunftsarten nur nach den Verhältnissen im Inland zu beurteilen sei.
Der dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BdF hat sich dem Antrag des FA angeschlossen und ausgeführt:
Unstreitig gebe die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu Zweifeln Anlaß. Diese seien im Verein mit den Vorschriften der §§ 18 und 50a Abs. 4 Buchst. b EStG sowie § 15 KStDV zu lösen. Wenn in § 50a Abs. 4 Buchst. b EStG die Einkünfte aus der Verwertung gewerblichen Erfahrungswissens dem Steuerabzug unterworfen würden (wobei der Gesetzgeber ausdrücklich auf die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG verweise), so gelte das auch in dem Falle, in dem eine ausländische Kapitalgesellschaft Einkünfte dieser Art aus der Verwertung solchen Erfahrungswissens erziele, das in selbständiger Arbeit gewonnen worden sei, wie die Anführung der Vorschrift des § 18 EStG in § 15 KStDV deutlich mache.
Aber auch wenn man der Rechtsprechung des BFH in den Urteilen I R 140/66 und vom 7. Juli 1971 I R 41/70 (BFHE 103, 153, BStBl II 1971, 771) folge, zeige der hier streitige Sachverhalt Besonderheiten, die im Ergebnis die beschränkte Steuerpflicht der streitigen Einkünfte begründeten. Die Klägerin habe die streitigen Gebühren an eine Gesellschaft gezahlt, die das mit dem Vertrag vom 6. März 1969 weitervermittelte Erfahrungswissen unstreitig nicht selbst gewonnen habe. Vielmehr sei dieses Erfahrungswissen die geistige Leistung einer Einzelperson, das vor seiner Weitergabe an die A verselbständigt worden sei und sich in der Hand der A als der Know-how-Geberin als die Verwertung selbständiger Arbeit im Inland darstelle. Das müsse um so mehr gelten, als die A ihrem Wesen nach Finanzierungsinteressen (Fremdinteressen) wahrnehme.
Schließlich sei auch daran zu denken, die Weitergabe solchen Erfahrungswissens in Fällen wie dem vorliegenden unter die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG einzuordnen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Wie der erkennende Senat im Urteil I R 41/70 mit eingehender Begründung ausgeführt hat, erzielt eine Kapitalgesellschaft auch im Falle ihrer beschränkten Steuerpflicht keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Der Senat sieht auch nach nochmaliger Prüfung keine Veranlassung, von dieser seiner Rechtsprechung abzuweichen.
a) Der Senat hat im Urteil vom 16. Dezember 1970 I R 137/68 (BFHE 101, 73, BStBl II 1971, 200) dargelegt, daß die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG an die Vorschrift des § 18 EStG und damit an den Begriff der selbständigen Arbeit dergestalt anknüpft, daß sie die Einkünfte einer beschränkt steuerpflichtigen Person im Inland unbeschadet der Tatsache erfaßt, ob diese Person die Einkünfte dadurch erzielt, daß sie die selbständige Arbeit im Inland ausübt oder dadurch, daß sie sie im Inland verwertet. Indes muß es nach dem Gesetz, wie in diesem Urteil des weiteren ausgeführt wird, stets die gleiche Person sein, die die selbständige Arbeit im Inland entweder bewirkt (ausübt) oder aber verwertet. Es ist deshalb nicht denkbar, die Verwertung einer anderen Person zuzurechnen als derjenigen, die die Arbeit - anstatt sie im Inland zu verwerten - auch selbst im Inland hätte bewirken (ausüben) können. Demgemäß wurde mit dem genannten Urteil dahin entschieden, daß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht Platz greift, wenn ein Dritter - wie hier die A - im Ausland das Recht auf Verwertung des ergebnisses einer selbständigen Arbeit - hier des technischen Erfahrungswissens - erwirbt und dieses Recht alsdann durch entgeltliche Übertragung auf einen anderen - hier die Klägerin - im Inland verwertet.
b) Diesem Ergebnis stehen weder die Aufnahme der Vorschrift des § 18 EStG in die - inzwischen gestrichene - Bestimmung des § 15 KStDV noch die Vorschrift des § 50a Abs. 4 Buchst. b EStG entgegen.
Die Aufnahme der Vorschrift des § 18 EStG in die Bestimmung des § 15 KStDV ist verständlich, weil auch Körperschaften ausnahmsweise Einkünfte aus selbständiger Arbeit haben können (vgl. das Beispiel bei Evers, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz 1925, 2. Aufl., Anm. 3 zu § 35 EStG 1925 im Rahmen der Erläuterungen zu § 13 KStG S. 862: Es besorgt der Verwalter einer Stiftung gelegentlich für die Stiftung eine Vermögensverwaltung oder eine Testamentsvollstreckung). Kapitalgesellschaften als solche können hingegen keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit haben, wie im Urteil I R 41/70 eingehend ausgeführt worden ist.
Wenn es in § 50a Abs. 4 Buchst. b EStG heißt, daß die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben werde "bei Einkünften, die aus Vergütung für die Nutzung oder das Recht auf Nutzung von ... gewerblichen Erfahrungen und Kenntnissen herrühren (§ 49 Abs. 1 Ziff. 2, 3 und 6)", so setzt das die Einkommensteuerpflicht dieser Einkünfte - im Streitfalle - nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG voraus, vermag sie aber nicht zu begründen.
2. Eine Aufrechterhaltung des angefochtenen Haftungsbescheides unter dem Gesichtspunkt des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG scheitert daran, daß die A in der Bundesrepublik Deutschland während der Streitjahre weder eine Betriebstätte unterhalte noch einen ständigen Vertreter bestellt hat.
Eine Aufrechterhaltung unter dem Gesichtspunkt des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist ebenfalls nicht gegeben. Die Möglichkeit, die Vermittlung technischen Erfahrungswissens überhaupt im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 3 und § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG einordnen zu können, setzt das Vorliegen eines zeitlich auf bestimmte Zeit begrenzten Vertrages voraus (vgl. BFH-Urteil I R 86/69). Der hier hinsichtlich seiner Rechtsfolgen streitige Vertrag vom 6. März 1969 enthält eine solche zeitliche Begrenzung nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 70927 |
BStBl II 1974, 511 |
BFHE 1974, 503 |