Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Künstlersozialabgabe. Eigenwerbung betreibendes Unternehmen. Begriff Werbung. Künstlereigenschaft. Fotograf. Layouter
Leitsatz (amtlich)
Bei Eigenwerbung betreibenden Unternehmen ist nicht erst zur Festsetzung der Höhe der Künstlersozialabgabe, sondern bereits zur Feststellung der Künstlersozialabgabepflicht dem Grunde nach erforderlich, dass tatsächlich nicht nur gelegentlich selbständige Künstler in Anspruch genommen werden.
Normenkette
KSVG §§ 2, 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. November 2002 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das von der Klägerin betriebene Unternehmen der Pflicht zur Künstlersozialabgabe (KSA) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegt.
Die Klägerin betreibt ein Versandhandelsunternehmen überwiegend im Bekleidungsbereich. Zur Erstellung der Versandkataloge beauftragt sie freiberufliche Werbefotografen und Layouter. Allein die Erstellung der Fotografien für den Modeteil des Hauptkatalogs Herbst/Winter 2002 verursachte Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 11. November 1988 stellte die Beklagte die Künstlersozialabgabepflicht der Klägerin fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 1989 zurück und verwies darauf, dass nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG ab dem 1. Januar 1988 zur KSA auch Unternehmer verpflichtet seien, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betrieben, wenn diese Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit der in der Nr 5 genannten Unternehmen entspreche und sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilten. Die von der Klägerin beauftragten Fotografen seien künstlerisch tätig.
Hiergegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Mit Urteil vom 23. Februar 2001 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 11. November 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 1989 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Werbefotograf habe auf die Motivwahl und Motivgestaltung nach ästhetischen Gesichtspunkten keinen wesentlichen Einfluss. Das Werbefoto sei im Wesentlichen durch die technisch-handwerkliche Aufnahme ohne entscheidenden eigenen gestalterischen Ansatz geprägt, was ebenso auf Modefotografie wie auf Hartwarenfotografie zutreffe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 8. November 2002 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei durch ihre regelmäßige Katalogwerbung im Versandhandel gemäß § 24 Abs 1 Satz 2 iVm § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 7 KSVG ein künstlersozialabgabepflichtiges Unternehmen. Zu Unrecht habe das SG angenommen, dass infolge der von der Klägerin dargestellten genauen Vorgaben für die Katalogfotografie kein Gestaltungsspielraum für die Werbefotografen bestehe. Es sei davon auszugehen, dass die überwiegende Zahl der im Künstlerbericht der Bundesregierung aufgeführten Berufsgruppen sowie der im Bereich “Wort” tätigen Autoren grundsätzlich zu den Künstlern und Publizisten im Sinne des KSVG gehörten. Bei ihnen könne die Künstler- bzw Publizisteneigenschaft unterstellt werden. Auf dieser Grundlage und in Anbetracht der ausdrücklichen Nennung des Werbefotografen im Zusammenhang mit dem Grafik-, Mode-, Textil- und Industrie-Designer sowie dem Layouter könne die Künstler- bzw Publizisteneigenschaft hier unterstellt werden. Nur bei der Festsetzung der Abgabehöhe komme es darauf an, ob die Werbefotografen im Einzelfall einen künstlerischen Gestaltungsspielraum besessen hätten.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 2, 24 KSVG sowie Verfahrensmängel der unzureichenden Sachaufklärung und Beweiswürdigung. Sie trägt vor, die Katalogherstellung sei keine Eigenwerbung. Denn bei der klassischen Werbung, von welcher der Gesetzgeber ausgegangen sei, handele es sich um die Erregung von Aufmerksamkeit für bestimmte Produkte, ohne damit ein konkretes Kaufangebot zu verbinden, während es sich bei dem Versandhandelskatalog um eine “bebilderte Preisliste” handele, in der das konkrete Warenangebot wie in einem Schaufenster oder einer Verkaufsauslage dargestellt werde. Soweit das LSG die Auffassung vertrete, für den Abgabetatbestand sei bereits das Betreiben von Eigenwerbung ausreichend, widerspreche dies eindeutig dem Gesetzeswortlaut, der neben der Eigenwerbung auch die Beauftragung selbstständiger Künstler erfordere. Wenn das LSG aber von der widerleglichen Vermutung ausgegangen sei, dass Katalogfotografen und Layouter künstlerisch tätig seien, so hätte es die ihm vorliegenden Beweismittel zur Kenntnis nehmen und bewerten müssen. Die Überprüfung hätte jedenfalls dazu geführt, dass bei allen mit der Katalogherstellung befassten Fotografen und Layoutern kein künstlerischer Entscheidungsspielraum gegeben sei. Unrichtig und mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht in Einklang zu bringen sei die Auffassung, dass wegen der Aufnahme des Werbefotografen in die Durchführungsverordnung zum KSVG (KSVGDV) unter “bildender Kunst” die unwiderlegliche Vermutung begründet sei, ein Werbefotograf sei künstlerisch tätig. Das BSG habe vielmehr deutlich gemacht, dass bei der Abgrenzung für den Bereich der Fotografie ganz allgemein entscheidend sei, ob dem Schaffen eines Fotografen eine schöpferische Leistung in einem Umfang zu Grunde liege, die über das in diesem Beruf durch eine schöpferische bzw gestalterische Komponente gekennzeichnete Handwerkliche deutlich hinausgehe. Bei den Katalogfotografien sei keines der für eine künstlerische Fotografie maßgeblichen Kriterien erfüllt. Dasselbe gelte für die Layouter.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 8. November 2002 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 23. Februar 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.
Nach dem mit Wirkung zum 1. Januar 1988 eingeführten § 24 Abs 1 Satz 2 Buchst a KSVG idF des Gesetzes zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung vom 18. Dezember 1987 (BGBl I 2794), der durch das Gesetz zur Änderung des KSVG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) mit Wirkung ab dem 1. Januar 1989 lediglich in der Bezeichnung geändert worden ist (nunmehr § 24 Abs 1 Satz 2 Nr 1 KSVG), sind zur KSA Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreiben, wenn diese Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit der in Satz 1 Nr 5 (jetzt Nr 7) genannten Unternehmen entspricht und sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen. Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2001 ist das Erfordernis entfallen, dass die Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit eines der in Satz 1 Nr 7 genannten Unternehmen entsprechen muss. Nach der Fassung des Gesetzes vom 13. Juni 2001 (BGBl I 1027) sind nunmehr Unternehmer zur KSA verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen.
Unveränderte Voraussetzung ist nach allen Fassungen geblieben, dass der Unternehmer für Zwecke seines eigenen Unternehmens Werbung betreibt. Das LSG hat den Begriff der Werbung nicht erläutert, sondern lediglich festgestellt, die Klägerin betreibe “regelmäßige Katalogwerbung”. Wenn die Klägerin dem entgegenhält, bei dem Versandhandelskatalog handele es sich lediglich um eine “bebilderte Preisliste”, in der das konkrete Warenangebot wie in einem Schaufenster oder einer Verkaufsauslage dargestellt werde, nicht aber um klassische Werbung, misst sie dem Begriff der Werbung jedoch einen zu engen Bedeutungsgehalt bei. Insbesondere liegt Werbung auch dann vor, wenn damit, abgesehen vom Erwecken allgemeiner Aufmerksamkeit, auch die Aufforderung zu einem konkreten Kaufangebot verbunden ist. Werbung umfasst nach allgemeinem Sprachverständnis alle Maßnahmen der Herstellung, Anwendung und Verbreitung von Werbemitteln, die dazu dienen sollen, einzelne Personen oder ganze Konsumentengruppen zu beeinflussen und zum Kauf von Gütern bzw Dienstleistungen anzuregen (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 25 ≪1979≫). Zu den Werbeträgern, mit deren Hilfe die Werbebotschaft der Zielgruppe nahe gebracht werden soll, gehören namentlich die Printmedien und hierzu wiederum Prospekte und Kataloge (vgl Brockhaus Enzyklopädie, Band 24 ≪1999≫, unter “Werbung”). Soweit das BSG den Begriff der Werbung als “positive Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit (sog Imagepflege) und seiner Leistungen zum Zwecke der Gewinnung von Kunden” bezeichnet hat (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 6 S 34), war dies nicht abschließend und in engem Sinne zu verstehen; auch die Warenpräsentation der Klägerin mittels ihrer Versandkataloge fällt deshalb darunter. Die Annahme des LSG, die Klägerin betreibe “regelmäßige Katalogwerbung”, ist damit im Ergebnis zutreffend.
Die Werbung für eigene Zwecke musste in dem Zeitraum vom 1. Januar 1988 bis zum 30. Juni 2001 darüber hinaus nach Art und Umfang der Tätigkeit eines selbstständigen Werbeunternehmens entsprechen. Für diesen Zeitraum hat das LSG allerdings keine gesonderten Feststellungen getroffen, sondern sich darauf beschränkt, Ausführungen zum Kostenaufwand der Klägerin für ihren Hauptkatalog der Saison Herbst/Winter 2002 zu machen. Da sich der Kostenaufwand in den Vorjahren in vergleichbaren Größenordnungen bewegt haben dürfte und die Klägerin insoweit auch keine Revisionsrügen geltend gemacht hat, kann davon ausgegangen werden, dass die Werbung der Klägerin während des hier streitgegenständlichen Zeitraums wegen ihres erheblichen Kostenaufwands nach ihrer Art und ihrem Umfang der Tätigkeit eines selbstständigen Werbeunternehmens entsprochen hat.
Das LSG hat allerdings zu Unrecht darauf verzichtet zu prüfen, ob die Eigenwerbung betreibende Klägerin tatsächlich auch Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt, sondern gemeint, dies im Rahmen der Entscheidung über die Abgabepflicht dem Grunde nach unterstellen zu können. Dies entspricht nicht der gesetzlichen Regelung, erweist sich aber im Ergebnis als unschädlich.
Der Senat hat zu § 24 KSVG bereits entschieden, dass der in Abs 1 Satz 1 aufgeführte Katalog dem Anliegen des Gesetzgebers entspreche, alle Unternehmen in die Abgabepflicht einzubeziehen, die zur Erreichung ihres Unternehmensziels typischerweise regelmäßig künstlerische Leistungen verwerten (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 19 S 122). Das Betreiben eines der in § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG aufgeführten Unternehmen gilt kraft Gesetzes als “professionelle” Kunstvermarktung (BSGE 80, 141, 143 = SozR 3-5425 § 24 Nr 16; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17 S 116). Für die Eigenwerbung betreibenden Unternehmen hat der Gesetzgeber aber einen besonderen Satz später angefügt und darin weitere Voraussetzungen für eine Abgabepflicht verlangt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in seiner Entscheidung vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1) Bedenken geltend gemacht, wenn der Gesetzgeber wie im KSVG 1981 weiterhin daran festhalte, die Verwertung von Kunst oder künstlerischen Darbietungen zur Eigenwerbung von Unternehmen nicht der Abgabepflicht zu unterwerfen. Handelten diese Unternehmen wie professionelle Vermarkter, gebiete es der Gleichheitssatz, sie ebenfalls der Abgabepflicht zu unterwerfen. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert, indem er mit Wirkung zum 1. Januar 1988 in § 24 Abs 1 KSVG den Satz 2 eingefügt und damit auch diejenigen Unternehmer in die Abgabepflicht einbezogen hat, die “wie professionelle Vermarkter” Werbung für das eigene Unternehmen betreiben. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollen jedoch diejenigen Unternehmer nicht als professionelle Vermarkter im Sinne des KSVG angesehen werden, die nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen (BT-Drucks 11/862, S 8). Erforderlich ist jedenfalls, dass überhaupt Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt werden. An dieser einschränkenden Voraussetzung hat der Gesetzgeber entgegen dem Referentenentwurf auch in dem Zweiten Gesetz zur Änderung des KSVG und anderer Gesetze vom 13. Juni 2001 (BGBl I S 1027) festgehalten. In dem Referentenentwurf (abgedruckt bei Mestmäcker/Schulze, Urheberrechtskommentar, Band 2, KSVG, Anhang Einleitung S 8 ff) war noch vorgesehen, die Abgabepflicht in § 24 Ab 1 Satz 2 KSVG auf alle Unternehmer zu erweitern, “die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens nicht nur gelegentlich Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben”. Mit dieser Formulierung sollte erreicht werden, dass die für Zwecke des eigenen Unternehmens betriebene Werbung wie die Werbung für Dritte als typische Verwertung anzusehen ist (Begründung zum Referentenentwurf, aaO, S 22). Da sich der Gesetzgeber der vorgeschlagenen Formulierung jedoch nicht angeschlossen hat, ist (weiterhin) davon auszugehen, dass Unternehmer nicht schon allein deshalb als “professionelle Vermarkter” gelten, weil sie Eigenwerbung betreiben. Bei ihnen kann also im Gegensatz zu den in § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG genannten Unternehmen nicht kraft Gesetzes davon ausgegangen werden, dass sie typischerweise zu den regelmäßigen Verwertern künstlerischer Leistungen zählen. Vielmehr muss bei Eigenwerbung betreibenden Unternehmern schon im Rahmen der Entscheidung über die grundsätzliche Abgabepflicht als solche nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG zusätzlich geprüft werden, ob sie auch tatsächlich nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen. Eine Unterscheidung dahingehend, dass im Rahmen des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG eine “abstrakte Künstlereigenschaft” ausreichend sein soll, während erst im Zusammenhang mit § 25 KSVG konkret zu prüfen ist, ob eine künstlerische Leistung erbracht wird, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Der Gesetzessystematik entspricht es zwar, dass ein unter den Katalog des § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG fallendes Unternehmen der Abgabepflicht unterliegen kann, ohne nach § 25 KSVG tatsächlich eine KSA zahlen zu müssen. Für § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass es bereits bei der Abgabepflicht dem Grunde nach auf die Auftragserteilung an selbstständige Künstler oder Publizisten ankommt.
Die getroffenen Feststellungen des LSG reichen aber aus, diese Frage zu bejahen. Das gilt zunächst ohne Weiteres für das Merkmal “nicht nur gelegentlich”, weil die Klägerin Werbekataloge regelmäßig und in erheblichem Umfang unter Heranziehung freiberuflicher Fotografen und Layouter auf den Markt bringt. Aber auch die Künstlereigenschaft dieser Personengruppen kann ohne weitere Feststellungen bejaht werden, insbesondere was den “künstlerischen” Wert der Fotografien und den den Fotografen und Layoutern im Einzelfall verbliebenen Gestaltungsspielraum angeht. Die Berufsgruppe der hier in Frage stehenden Art gehört kraft gesetzlicher Wertung zu den selbstständigen Künstlern.
Allerdings hat das LSG dem § 2 Abs 2 Nr 7 KSVGDV der den Werbefotografen dem Bereich “bildende Kunst” zuordnet, insoweit eine zu weit reichende Bedeutung beigemessen. In seiner Entscheidung vom 30. Januar 2001 zum Industriedesigner hat der Senat bekräftigt, es sei nicht entscheidend, dass Grafik-, Mode-, Textil- und Industriedesigner in § 2 Abs 2 Nr 9 KSVGDV ausdrücklich als Künstler aufgeführt würden. Denn die Verordnung wolle und könne mangels gesetzlicher Ermächtigung die Begriffe der Kunst und Publizistik nicht eigenständig definieren (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11 S 45 mwN). Sie habe lediglich den Zweck, die verschiedenen künstlerischen und publizistischen Tätigkeiten den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst zuzuordnen und so angesichts der in vielen Jahren unterschiedlichen Höhe der Abgabe in diesen vier Bereichen für Rechtssicherheit bei der Erhebung der Künstlersozialabgabe zu sorgen (BSG, aaO). Das muss sinngemäß auch für die Werbefotografen gelten. Für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2001 kommt hinzu, dass der Gesetzgeber die KSVGDV durch Art 8 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des KSVG und anderer Gesetze vom 13. Juni 2001 (BGBl I S 1027) aufgehoben hat.
Maßgebend ist allein der Künstlerbegriff des Gesetzes. Nach § 2 KSVG ist Künstler, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Das KSVG hat damit eine an der Typologie der Ausübungsformen orientierte Einteilung in Kunstgattungen vorgenommen, den Kunstbegriff aber materiell nicht definiert. Dieser ist vielmehr aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 12 – Unterhaltungsshow – und BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr 5 – Musikinstrumentenbauer –; zum Kunstbegriff des Art 5 GG: BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG: BT-Drucks 9/26, S 18 zu § 2; BT-Drucks 8/3172, S 19 ff). Fotografie kann sowohl eindeutig künstlerischer Natur sein als auch in handwerklicher Form ausgeübt werden. Sie ist sowohl Unterrichtsfach an Kunsthochschulen als auch Gegenstand einer staatlich geregelten Ausbildung für einen Handwerksberuf. Damit weist sie Gemeinsamkeiten mit anderen beruflichen Tätigkeiten auf, die sowohl in handwerklicher (vgl BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr 5 – Musikinstrumentenbauer; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 8 – Feintäschner; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 14 – Restaurator) als auch in künstlerischer Form ausgeübt werden können. Bei der Zuordnung zum Zwecke der Abgabenerhebung nach dem KSVG hat es der Senat stets abgelehnt, die künstlerische Qualität der jeweiligen Arbeiten zu bewerten, sondern als maßgebend angesehen, in welchem Tätigkeitsbereich und gesellschaftlichem Umfang die einzelnen Leistungen erbracht werden: Wer sich auf dem herkömmlichen Berufsfeld eines Handwerks bewegt, wird auch nicht dadurch zum Künstler im Sinne des KSVG, dass seine Leistungen einen eigenschöpferischen, gestalterischen Charakter aufweisen, weil ein solcher bei diesen Handwerksberufen typisch ist. Als Künstler ist er vielmehr erst dann einzuordnen, wenn er das typische handwerkliche Berufsfeld verlässt, sich mit seinen Produkten in einem künstlerischen Umfeld bewegt und in künstlerischen Kreisen als gleichrangig anerkannt wird. Andererseits hat der Senat bei Berufstätigkeiten, die nach dem gesetzgeberischen Willen den künstlerischen zuzuordnen sind, nicht als entscheidend angesehen, ob im Einzelfall (zB wegen der Eigenart des Produkts oder wegen konkreter Vorgaben des Auftraggebers) ein großer oder kleiner Gestaltungsspielraum bei der Auftragsdurchführung verbleibt (vgl BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11 – Industriedesigner). Die Zweckgebundenheit der Produkte (Gebrauchsgegenstände, Werbung) steht ihrer Einordnung als künstlerisch in keinem Fall entgegen.
Bei der Fotografie ist es für ihre Einordnung als künstlerisch sogar entscheidend, dass sie zu Werbezwecken erfolgt. Für diese Auslegung spricht bereits der Katalog der typischen kunstvermarktenden Unternehmen in § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG, der unter Nr 7 die Werbung betreibenden Unternehmen erfasst. Für die bildliche Gestaltung von Werbung und Marketing ziehen Werbeagenturen und Public-Relations-Büros vielfach selbstständige Grafiker, Werbefotografen und Designer heran (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl 1992, § 24 RdNr 101 und 104). Die Einbeziehung der Werbung betreibenden Unternehmen in den Kreis der Kunstverwerter lässt darauf schließen, dass gerade die von diesen typischerweise herangezogenen “kreativen” Selbständigen zu dem Personenkreis zählen, der in § 2 KSVG mit “bildende Kunst Schaffenden” bezeichnet worden ist.
Dass dies tatsächlich auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, folgt aus den Materialien zum KSVG, wonach ausdrücklich alle Berufsgruppen als künstlerisch angesehen werden, die im Künstlerbericht der Bundesregierung aufgeführt sind. Dort sind in der Berufsgruppe “Fotodesigner” künstlerische Fotografen, Lichtbildner, Kameramänner und Werbefotografen genannt (BT-Drucks 7/3071, S 7). Der gesamte Bereich der “kreativen Werbefotografie” ist damit als bildende Kunst im Sinne des KSVG einzustufen, ohne dass es auf den konkreten Auftragsgegenstand ankommt.
Die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte Abgrenzung der von ihr praktizierten, durch enge Vorgaben der Kunden gekennzeichnete Art der Werbefotografie von der “künstlerischen Fotografie”, wie sie im Urteil des Senats vom 24. Juni 1998 – B 3 KR 11/97 R (BSG SozR 3-5425 § 25 Nr 11) – zur Tätigkeit der Gemäldefotografie für ein Kunstdia-Archiv definiert worden ist, übersieht, dass die Berufsgattung der Werbefotografie vom Gesetzgeber pauschal dem Bereich der bildenden Kunst iS des § 2 KSVG zugeordnet worden ist. Sie berücksichtigt nicht, dass die Berufsgattung der Werbefotografie neben die Berufsgattung der (zweckfreien) künstlerischen Fotografie zu stellen ist und aus der Verneinung dieser noch nicht folgt, dass es sich um eine handwerkliche Ausübung handelt. Die Werbefotografie kann je nach der Art des Auftrags und des geforderten Ergebnisses zwar einen eigenschöpferischen künstlerischen Ausdruck haben, der derjenigen der künstlerischen Fotografie im engeren Sinne nahe kommt; der Gestaltungsspielraum kann aber auch stark eingeschränkt sein, ohne dass die Einordnung als “bildende Kunst” iS des § 2 KSVG in Frage zu stellen ist. Allein der bei der Erstellung der Fotografie bestimmte Zweck, der Werbung zu dienen, bewirkt, dass der Fotograf sich nicht auf eine bloße naturgetreue Ablichtung eines Bildobjekts beschränken darf, sondern bemüht sein muss, dieses Objekt nach den Vorstellungen seines Auftraggebers möglichst vorteilhaft ins Bild zu setzen. Wenn dem Auftraggeber eine Anzahl von Aufnahmen desselben Motivs zur Auswahl überlassen wird, besagt dies nur, dass der Auftraggeber das Bild auswählen kann, das aus seiner Sicht sein Angebot für den Kunden am vorteilhaftesten präsentiert, nicht aber, dass es darum ginge, die handwerklich gelungenste Aufnahme herauszusuchen. Letzteres könnte ohne Weiteres dem Fotografen selbst als Fachmann überlassen werden. Die Vielzahl der Aufnahmen eines Motivs bestätigt somit, dass es viele Möglichkeiten gibt, ein Objekt handwerklich einwandfrei abzulichten, und dass es einer geschmacklich-ästhetischen Entscheidung bedarf, welches die beste Form der Ablichtung ist. Diese Entscheidung muss zunächst vom Fotografen getroffen werden, was nicht ausschließt, dass er seinem Auftraggeber mehrere Varianten zur Auswahl überlässt. Darin liegt der Unterschied zur bloßen Ablichtung von Gemälden, die sich in einer möglichst originalgetreuen Wiedergabe, also der Erfüllung einer handwerklich-technischen Vorgabe, erschöpft.
Die Ausbildung eines Werbefotografen als Fotografenhandwerker steht der Einstufung als “bildender Künstler” iS des § 2 KSVG ebenfalls nicht entgegen, weil er als Werbefotograf das rein handwerkliche Berufsfeld verlässt. Werbefotografen sind damit Pressefotografen vergleichbar, die ebenfalls unabhängig von ihrer Ausbildung und der künstlerischen Qualität ihrer Bilder allein deshalb – als Publizisten – von § 2 KSVG erfasst werden, weil ihre Tätigkeit einem bestimmten Zweck dient (Pressefotografie, Bildjournalismus, Bildberichterstattung), der vom Berufsfeld des Fotografenhandwerks nicht umfasst wird (BSGE 78, 118 = SozR 3-5425 § 26 Nr 2). Soweit Layouter im Rahmen der Katalogherstellung herangezogen werden, gilt Entsprechendes wie für Fotografen. Insbesondere die Tatsache, dass Layouter den Handwerkerberuf des Schriftsetzers weitgehend ersetzt haben, steht ihrer Einordnung als Künstler nicht entgegen, wenn sie im Rahmen der Werbung tätig werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seiner hier noch anwendbaren, bis zum 1. Januar 2002 gültigen alten Fassung (vgl § 197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl I 2144).
Fundstellen
Haufe-Index 1121013 |
NZA 2004, 648 |
SozR 4-5425 § 24, Nr.2 |