Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Ruhen. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Entlassungsentschädigung. Minderung der Anspruchsdauer. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungspflicht. Verschiebung der Antragstellung

 

Orientierungssatz

1. Zum Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruch bzw zur Minderung der Anspruchsdauer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisse unter Zahlung einer Abfindung.

2. Hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) bis zur Entscheidung über den Arbeitslosengeldantrag nach einer Gruppenberatung beim Arbeitgeber nur eine schriftliche Befragung des Arbeitslosen durchgeführt und der Arbeitslose im Verwaltungs- und Klageverfahren die Rechtmäßigkeit der Sperrzeit und die Minderung der Anspruchsdauer vehement bestritten, so ist die BA mangels klar zu Tage tretender Gestaltungsmöglichkeiten - trotz Kenntnis der hohen Abfindungssumme - nicht verpflichtet den Arbeitslosen spontan zu beraten, den Arbeitslosengeldantrag zur Vermeidung der Minderung der Anspruchsdauer 5 Monate zu verschieben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.09.2006; Aktenzeichen B 7a AL 70/05 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juni 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) im Wege des Herstellungsanspruchs im Streit.

Der Kläger ist von Beruf Chemiker und war in der Zeit vom 1. September 1970 bis zum 31. März 1997 als leitender Angestellter bei der Firma H AG beschäftigt. Mit Aufhebungsvertrag vom 27. Dezember 1995 wurde das Arbeitsverhältnis nach dem Wortlaut des Aufhebungsvertrages auf Veranlassung der Firma H AG aus betrieblichen Gründen im gegenseitigen Einvernehmen zum 31. März 1997 beendet. Nach dem Inhalt des Vertrages war eine Ende April 1997 zahlbare Abfindung in Höhe von 530.000,00 DM vereinbart.

Am 26. März 1997 meldete sich der Kläger im Rahmen einer in den Räumen der Firma H AG vom Zeugen M durchgeführten Gruppenberatung der Beklagten schriftlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg, jeweils zum 1. April 1997. In der Folgezeit teilte der Kläger der Beklagten mit, dass wegen der bei ihm anerkannten Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 90 eine betriebsbedingte Kündigung nicht möglich gewesen und daher die o. g. Vereinbarung geschlossen worden sei. Mit Bescheid vom 3. September 1997 stellte die Beklagte fest, dass wegen der dem Kläger gewährten Abfindung in Höhe von 530.000,00 DM und wegen eingetretener Sperrzeit der Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 3. November 1997 gemäß § 117a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe. Mit Bescheid vom 9. September 1997 stellte die Beklagte fest, dass der Alg-Anspruch des Klägers im Hinblick auf die gewährte Abfindung bis zum 30. Juni 1997 gemäß § 117 Abs. 2 und 3 AFG ruhe. Mit Bescheid ebenfalls vom 9. September 1997 stellte die Beklagte fest, dass für die Zeit vom 1. April 1997 bis 23. Juni 1997 (12 Wochen) eine Sperrzeit gemäß §§ 119, 119 a AFG eingetreten sei, und führte zur Begründung aus, dass im Hinblick auf die im Falle des Klägers anzuwendenden Kündigungsschutzbestimmungen eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht zulässig gewesen wäre, und ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers nicht erkennbar sei. Durch Bewilligungsbescheid vom 5. September 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 4. November 1997 für die Dauer von längstens 516 Wochentagen. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 27. April 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Alg-Anspruch voraussichtlich am 28. Juni 1999 erschöpft sei.

Mit Schreiben vom 20. November 1999 beantragte der Kläger, seinen Anspruch auf Alg unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Beschluss vom 4. August 1999 (B 7 AL 38/98) zu korrigieren und neu festzulegen. Mit Bescheid vom 26. November 1999 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag vom 20. November 1999 ab und führte zur Begründung aus, dass keine neuen Tatsachen vorgetragen oder sonstige Anhaltspunkte erkennbar seien, aufgrund derer sich die getroffene Entscheidung als fehlerhaft erweisen könne (§ 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 17. Dezember 1999 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass eine Minderung der Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) bei Ablauf von mehr als einem Jahr zwischen dem Eintritt des Sperrzeitereignisses, also dem Abschluss des Auflösungsvertrages, und dem Beginn der Arbeitslosigkeit vergangen sei, ausgeschlossen sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das die Sperrzeit nach § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG begründende Ereignis das Ende des Beschäftigungsverh...

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