0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 97 i. d. F. des Art. 1 des Rentenreformgesetzes 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) ist zum 1.1.1992 in Kraft getreten (Art. 85 Abs. 1 RRG 1992) und hat die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden § 1281 RVO, § 58 AVG und § 78 RKG ersetzt. Mit diesen Bestimmungen i. d. F. des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (HEZG) v. 11.7.1985 (BGBl. I S. 1450) war mit Wirkung zum 1.1.1986 erstmals die Anrechnung von Einkommen auf Witwen- bzw. Witwerrenten eingeführt worden.
Die Verabschiedung von Einkommensanrechnungsvorschriften mit Wirkung zum 1.1.1986 fußte im Ergebnis auf einer Entscheidung des BVerfG v. 12.3.1975 (SozR 2200 § 1266 Nr. 2), durch die der Gesetzgeber verpflichtet worden war, die nach der bis 31.12.1985 gegen Art. 3 GG verstoßende Gesetzeslage hinsichtlich der von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängigen Gewährung von Renten an Witwen und Witwer verfassungskonform zu gestalten und eine Art. 3 GG entsprechende gleiche Versorgung sowohl von Witwen als auch von Witwern sicherzustellen. Um dabei das Ziel einer "kostenneutralen" Lösung zu verwirklichen, erschien die Einführung einer Einkommensanrechnung sowohl bei Witwer- als auch bei Witwenrenten unumgänglich. Abweichend von der bis zum 31.12.1991 geltenden Gesetzeslage ordnet(e) § 97 die Anrechnung von Einkommen auch auf die Erziehungsrente und die Waisenrente an über 18 Jahre alte Kinder an. Die Anrechnung von Einkommen auf Waisenrenten ist mit Wirkung zum 1.7.2015 durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 15.4.2015 (BGBl. I S. 583) wieder aufgehoben worden (vgl. Rz. 3a und 8a)
Rz. 2
Durch das Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften (4. Euro-Einführungsgesetz) v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) ist Abs. 2 durch Satz 4 ergänzt worden (Art. 6 Nr. 6 des Gesetzes). Durch Abs. 2 Satz 4 soll verhindert werden, dass Regelungen des EG-Rechts (Art. 46c Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 1408/71 und danach berechnete Renten) i. V. m. den Einkommensanrechnungsregelungen des SGB VI bei nach nationalen Vorschriften berechneten Renten zu un- angemessenen Ergebnissen führen (vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 15). Abs. 2 Satz 4 ist zum 1.7.2001 in Kraft getreten (Art. 68 Abs. 12 des Gesetzes). Wegen des Inkrafttretens der VO (EG) Nr. 883/2004 am 1.5.2010 hat Abs. 2 Satz 4 eine redaktionelle Änderung erfahren. Die Bestimmung verweist nun allgemein auf die Mitgliedstaten der EU, die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz. Damit erfasst das Gesetz alle Staaten, auf die die VO (EWG) Nr. 1408/71 und die VO (EG) 883/2004 Anwendung finden können.
Rz. 3
Eine durch Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz – AVmEG) v. 21.3.2001 (BGBl. I. S. 403) eingeführte Umwandlung der dynamisch ausgestalteten Anrechnungsfreibeträge (vgl. hierzu unten Rz. 12 ff.) in Festbeträge, die zum 1.1.2002 in Kraft treten sollte, ist durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. c des Gesetzes zur Verbesserung des Hinterbliebenenrentenrechts v. 17.7.2001 (BGBl. I S. 1598) mit Wirkung zum 18.7.2001 wieder aufgehoben worden, so dass die derzeitige Fassung des Gesetzes insoweit im Ergebnis unverändert der Fassung vom 1.7.2001 entspricht.
Rz. 3a
Mit Wirkung zum 1.7.2015 wird durch Streichung des Wortes "Waisenrenten" in § 97 Abs. 1 durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 15.4.2015 (BGBl. I S. 583) auf die Anrechnung von Einkommen auf Waisenrenten verzichtet. Dies gilt sowohl für Bestandsrenten als auch für Renten, die ab dem 1.7.2015 beginnen. Da die verschiedenen Arten des auf Hinterbliebenenrenten anzurechnenden Einkommens ausschließlich in § 18 a SGB IV geregelt sind, wird gleichzeitig konsequenterweise der Verweis in § 97 Abs. 1 auf diese Norm des SGB IV beschränkt und der zuvor im Gesetz enthaltene Verweis auch auf die §§ 18 b bis 18e SGB IV durch das 5. SGB IV-Änderungsgesetz gestrichen.
1 Allgemeines
Rz. 4
In Abs. 1 Satz 1 wird angeordnet, dass Einkommen, das mit einer der genannten Renten (vgl. Rz. 7) zusammentrifft, grundsätzlich auf die Rente angerechnet wird. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz normiert Abs. 1 Satz 2.
Das anrechenbare Einkommen bestimmt sich nach Abs. 2 Satz 1 und 2, während Satz 3 festlegt, in welchem Umfang das anrechenbare Einkommen (tatsächlich) angerechnet wird.
Abs. 3 regelt die Reihenfolge der Einkommensanrechnung für den Fall, dass ein Berechtigter Anspruch auf mehrere der genannten Renten hat.
Abs. 4 betrifft den Fall des Zusammentreffens einer Erziehungsrente mit einer Hinterbliebenenrente.
§ 314 enthält Übergangsregelungen für Einkommensanrechnungen auf Witwen- und Witwerrenten (§ 314 Abs. 1 und 2) bei Todesfällen vor dem 1.1.1986 bzw. zwischen dem 1.1.1986 und dem ...