Entscheidungsstichwort (Thema)
Sendungsstatus kein Anscheinsbeweis für Zustellung. Auslieferungsbeleg des Einschreibens der Deutschen Post AG als tauglicher Zugangsbeweis
Leitsatz (amtlich)
Der Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens ist vom Auslieferungsbeleg zu unterscheiden. Aus dem Sendungsstatus geht nicht der Name des Zustellers hervor und er beinhaltet auch keine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers. Die Aussagekraft des Sendungsstatus reicht nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs der Postsendung zu gründen.
Normenkette
BGB § 130; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 19.03.2019; Aktenzeichen 7 Ca 89/18) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 19. März 2019 - 7 Ca 89/18 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Fortbestand des zwischen ihnen begründeten Arbeitsverhältnisses über den 31. Juli 2017 hinaus.
Der am 00. Dezember 0000 geborene Kläger war seit 1. Januar 2017 bei der Beklagten auf der Grundlage des Dienstvertrags vom 16. Januar 2017 (Bl. 7 bis 9 d. ArbG-Akte) nebst Nachtrag vom 12. April 2017 (Bl. 10 d. ArbG-Akte) zu einem Bruttomonatsentgelt von durchschnittlich 3.400,00 € als Rettungsassistent beschäftigt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger am 29. Juni 2017 ein auf den 19. Juni 2017 datiertes Kündigungsschreiben (Bl. 19 d. ArbG-Akte) zugegangen ist.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Juli 2017 hinaus fortbesteht, stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die arbeitgeberseitige Kündigung vom 19. Juni 2017 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien schon deshalb nicht aufgelöst, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Kündigung dem Kläger gem. § 130 Abs.1 BGB zugegangen sei. Vorliegend habe die Beklagte nach ihrem Vorbringen die Übermittlungsform des sogenannten Einwurf-Einschreibens gewählt. Sie habe einen Einlieferungsbeleg vom 28. Juni 2017 vorgelegt sowie einen Auslieferungsbeleg, nach welchem die Sendung am 29. Juni 2017 zugestellt worden sei. Allein durch Vorlage eines Ein- und Auslieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens könne kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung begründet werden. Der Zugang einer Sendung zu dem in einem Auslieferungsbeleg dokumentierten Zeitpunkt sei kein derart typischer Geschehensablauf, dass er einen Anscheinsbeweis begründen könnte. Bei Postzustellungen erfolgten nicht selten Fehlleistungen. Die Beklagte habe trotz gerichtlichen Hinweises weder vorgetragen, inwiefern das ordnungsgemäße Zustellungsverfahren eingehalten wurde, noch entsprechende Beweise angeboten, sondern lediglich den Einlieferungsbeleg und die Zustellbestätigung in Kopie vorgelegt. Mangels Zugangs einer schriftlichen Kündigung bestehe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 12. April 2019 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 6. Mai 2019 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 12. Juli 2019 am 12. Juli 2019 begründet.
Sie trägt vor: Die Kündigung sei dem Kläger am 29. Juni 2017 unter seiner Anschrift S. 0, 00000 A.-E. zugestellt worden. Unter dieser Anschrift habe der Kläger auch die Gehaltsabrechnung vom Juni 2017 erhalten. Die Beklagte habe als Zustellungsart das Einwurf-Einschreiben gewählt, das sich von einem Einschreiben per Rückschein in der Weise unterscheide, dass das Schreiben in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen und der Einwurf von dem Mitarbeiter der Deutschen Post mit Datums- und Uhrzeitangabe dokumentiert wird. Dieses Einschreiben gehe dem Empfänger mit Einwurf in den Briefkasten zu. Bei nachgewiesener Absendung eines Einwurfeinschreibens sei ein Anscheinsbeweis für dessen Zugang herzuleiten. Sowohl aus dem Ein- als auch aus dem Auslieferungsbeleg folge eine starke zusätzliche Indizwirkung für den tatsächlich erfolgten Zugang der Sendung. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, darzulegen, inwieweit das ordnungsgemäße Zustellungsverfahren bei der Deutschen Post eingehalten wurde, nachdem dies seitens des Klägers nicht bestritten worden sei. Auch ein entsprechender Beweisantritt durch das Benennen des Zustellers führe zu keinem anderen Beweiswert betreffend den Nachweis des Zugangs des Kündigungsschreibens, nachdem sich der Zusteller in Anbetracht der Vielzahl der zuzustellenden Briefsendungen an die Zustellung eines konkreten Schreibens nicht erinnere, sondern lediglich angeben könne, dass er, entsprechend seinen Vermerken, die Zustellung an einem bestimmen Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit an einer bestimmten Adresse bewirkt habe.
Die Bekl...