Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 BUrlG erlischt anders als der gesetzliche Mindesturlaub bei Arbeitsunfähigkeit, die über den Übertragungszeitraum hinaus andauert.
Normenkette
SGB IX § 125 Abs. 1 S. 1; BUrlG § 7 Abs. 3 S. 3, Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 29.04.2009; Aktenzeichen 39 Ca 8839/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.04.2009 – 39 Ca 8839/08 – wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil insoweit geändert, wie die Beklagte zur Zahlung von mehr als 3.706,29 EUR brutto nebst Zinsen verurteilt worden ist, und die Klage auch insoweit abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 29.435,98 EUR die Klägerin zu 87,41 % und die Beklagte zu 12,59 % zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 6.309,31 EUR der Klägerin allein auferlegt werden.
4. Die Revision wird insoweit zugelassen, wie die Klage hinsichtlich des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen abgewiesen worden ist.
Tatbestand
Die am … 1946 geborene Klägerin ist schwerbehindert. Sie stand seit dem 01. Juni 1994 als Sozialarbeiterin in den Diensten der Beklagten. Auf ihr Arbeitsverhältnis fand aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme (Abl. Bl. 49 und 50 d. A.) der BAT-O mit Stand 31. Dezember 2002 Anwendung. Das Monatsgehalt der Klägerin belief sich zuletzt auf 2.974,13 EUR brutto.
In der Zeit vom 05. Juli 2006 bis 26. September 2007 und vom 01. Oktober 2007 bis 26. Mai 2008 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 (Abl. Bl. 36 d. A.) hatte sie der Beklagten mitgeteilt, schon lange krank zu sein, da sie ausgebrannt sei. Durch ein mit „Kündigung” überschriebenes Schreiben vom 12. April 2008 (Abl. Bl. 12 d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, wegen einer Knieoperation weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Da ihr die Beklagte keinen behindertengerechten Arbeitsplatz einrichten könne, werde sie ihr Arbeitsverhältnis am 30. April 2008 beenden. Einen der Klägerin daraufhin von der Beklagten übersandten Entwurf eines Aufhebungsvertrages (Abl. Bl. 23 d. A.) unterzeichnete die Klägerin nicht.
Gemäß einer Bescheinigung vom 29. Juli 2008 (Abl. Bl. 48 d. A.) bezieht die Klägerin seit 01. Juni 2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Durch Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 25. Juli 2008 (Abl. Bl. 35 d. A.) ließ sie „das … bestehende Arbeitsverhältnis” zum 31. Juli 2008 kündigen.
Nach Abweisung weitergehender Ansprüche durch Teilurteil vom 10. September 2008 mit einem Streitwert von 19.420,38 EUR richtet sich das Begehren der Klägerin zuletzt noch auf Abgeltung von je 35 Urlaubstagen für 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 10.015,60 EUR brutto.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Beklagte durch Schlussurteil verurteilt, an die Klägerin 4.576,00 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen, und das weitergehende Zahlungsbegehren abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe für 33,33 Urlaubstage aus 2007 und 2008 ein Abgeltungsanspruch zu. Dieser setze sich aus dem jährlichen Mindesturlaub von vier Wochen und fünf Tagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zusammen, wobei sich für 2008 nur ein anteiliger Anspruch ergebe, weil die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung vom 12. April 2008 zum 30. April 2008 gelöst habe. Weitergehende vertragliche Urlaubsansprüche seien nicht abzugelten, weil der arbeitsvertraglich in Bezug genommene BAT-O eine eigenständige Verfallregelung enthalte, die Erfüllbarkeit und damit Arbeitsfähigkeit des Arbeitsnehmers voraussetze. Eine solche Erfüllbarkeit sei nicht ersichtlich, weil die Klägerin unstreitig bis 26. Mai 2008 und wieder ab 01. Juni 2008 arbeitsunfähig gewesen sei, was den Anschein durchgehender Arbeitsunfähigkeit begründet habe, zumal die Klägerin an den drei Tagen zwischen dem 26. Mai und 01. Juni 2008 keine Arbeitsleistung erbracht und keine Angaben zu den ihren Erkrankungen zugrunde liegenden Krankheitsbildern gemacht habe.
Gegen dieses ihr am 22. Mai 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Juni 2009 eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Sie meint, mit ihrem Schreiben vom 12. April 2008 lediglich eine künftige Beendigungserklärung in Aussicht gestellt zu haben. Dies habe die Beklagte auch so verstanden, weil diese ihr sonst nicht einen Aufhebungsvertrag angeboten hätte. Wäre den Parteien bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung der Urlaubsansprüche die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bekannt gewesen, hätten sie für diese eine entsprechende Regelung getroffen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie weitere 5.439,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Pr...