Entscheidungsstichwort (Thema)
Massenentlassungsanzeige an Bundesagentur für Arbeit. Unwirksamkeit der Kündigung. Stellungnahme des Betriebsrats. Mitteilung der Angaben zur Sozialauswahl
Leitsatz (amtlich)
Unterrichtet der Insolvenzverwalter die Agentur für Arbeit nur unvollständig über die in § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG genannten Kriterien, führt dies zur Unwirksamkeit einer nachfolgenden betriebsbedingten Kündigung.
Normenkette
KSchG § 17; BGB § 134; MERL Art. 3
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Entscheidung vom 21.03.2013; Aktenzeichen 2 Ca 2440/12) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtsunwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten.
Der Kläger ist seit dem Jahre 1988 bei der G. Service GmbH als Leiter für die Abteilung Teile und Zubehör beschäftigt. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von durchschnittlich 4.205,39 €. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des KSchG Anwendung.
Mit Beschluss vom 01.08.2012 eröffnete das Amtsgericht Duisburg über das Vermögen der G. Service GmbH das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Dieser schloss mit dem bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden Betriebsrat unter dem 28.11.2012 einen Interessenausgleich mit beigefügter Namensliste (Bl. 83 ff d. A.) und einen Sozialplan (Bl. 95 ff d. A.). Der Beklagte hörte überdies den Betriebsrat mit Schreiben vom 27.11.2012 zur beabsichtigten Kündigung der sich aus der Namensliste ergebenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, zu denen auch der Kläger gehörte, an (Bl. 101 ff d. A.) und erstattete unter dem 28.11.2012 eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Wesel. Wegen der Einzelheiten der Anzeige wird auf Bl. 105 ff d. A. verwiesen.
Ebenfalls mit Schreiben vom 28.11.2012 kündigte der Beklagte das mit dem Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 28.02.2013.
Mit seiner am 05.12.2012 beim Arbeitsgericht Duisburg anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht.
Er hat insbesondere eine fehlerhafte soziale Auswahl gerügt und beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 28.11.2012 mit dem 28.02.2013 seine Beendigung findet, sondern ungekündigt fortbesteht.
Der Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers berufen und hierzu behauptet, er hätte versucht, einen Interessenten für die Übernahme des Betriebs der Insolvenzschuldnerin zu finden. Von insgesamt 174 angesprochenen Unternehmen sei letztlich nur die E.-Gruppe aus C.-C. übriggeblieben. Dieser Erwerber habe die Übernahme der Insolvenzschuldnerin unter die Bedingung eines Erwerberkonzepts gestellt. Bei Anwendung dieses Erwerberkonzepts sei der Arbeitsplatz des Klägers in Fortfall geraten. Durch die Restrukturierung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin und durch den deutlichen Auftragsrückgang sei im Betrieb der Insolvenzschuldnerin die Hierarchieebene des Gesamtlagerleiters entfallen und damit auch der Arbeitsplatz des Klägers.
Bei der Durchführung der Sozialauswahl habe er, der Insolvenzverwalter gem. § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO die soziale Auswahl unter den vergleichbaren Arbeitnehmern im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und bestehende Unterhaltspflichten vorgenommen. Er habe bei der Sozialauswahl vier Altersgruppen gebildet. Wegen der Einzelheiten der Altersgruppenbildung und der durchgeführten Sozialauswahl wird im Übrigen auf Bl. 55 - 58 d. A. verwiesen.
Mit Urteil vom 21.03.2013 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Duisburg - 2 Ca 2440/12 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28.11.2012 nicht zum 28.02.2013 aufgelöst worden ist.
In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei bereits unwirksam, weil keine wirksame Massenentlassungsanzeige vorgelegen hätte. So hätten Angaben gem. § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG gefehlt, nämlich insbesondere solche über die "Kriterien der Sozialauswahl". Da die Agentur für Arbeit bei Kenntnis der tatsächlich durchgeführten Sozialauswahl und insbesondere bei Kenntnis über die konkrete Bildung von Altersgruppen möglicherweise andere Anstrengungen bei der Arbeitsplatzsuche unternommen hätte, führe die nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 25.04.2013 zugestellte Urteil mit einem am 30.04.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.07.2013 - mit einem am 25.07.2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Er wiederholt zunächst seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug...