Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Arbeitnehmerin kommt der sie treffenden sekundären Darlegungslast für das Bestehen einer Krankheit nicht durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach, wenn deren Beweisiwert erschüttert ist.
2. Ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, bedarf es weiteren Vortrags zu den tatsächlichen Umständen, die für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sprechen.
Normenkette
BGB §§ 626, 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 31.01.2024; Aktenzeichen 4 Ca 244/23 Ã) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 31.01.2024 - 4 Ca 244/23 Ö - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten.
Die am 00.00.1963 geborene, ledige Klägerin war seit dem 01.12.2007 bei der beklagten Samtgemeinde als Sekretärin in der Verlässlichen Grundschule G. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 13,61 Stunden und einem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von 1.024,00 € beschäftigt.
Der zwischen den Parteien zunächst befristet geschlossene Arbeitsvertrag vom 15.11.2007 lautet aufzugsweise:
"§ 4
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil Verwaltung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (§ 1 Abs. 2 TVÜ-VKA)."
Wegen des weiteren Wortlautes des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 57-59 der erstinstanzlichen Akte, wegen des unbefristeten Änderungsvertrages vom 27.07.2009 auf Bl. 55-56 der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen.
In einem Personalgespräch am 07.09.2022 teilten die Schulleiterin K. und der Fachdienstleiter der Beklagten D. der Klägerin mit, dass zu Beginn der niedersächsischen Sommerferien am 06.07.2023 und an den folgenden Tagen Urlaub nicht gewährt werden könne. In der Folgezeit bestand die Klägerin darauf, am 06.07.2023 Urlaub zu bekommen. Die Beklagte lehnte dies ab.
Am 05.07.2023 teilte die Klägerin der Schulleiterin K. telefonisch mit, es gehe ihr nicht gut und sie weise eine Magen-Darm-Grippe auf. Für die Zeit vom 05.07.2023 bis zum 07.07.2023 legt die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihr Ärztin B. vor, nach der die Arbeitsunfähigkeit am 05.07.2023 festgestellt wurde.
Am 06.07.2023 nahm die Klägerin an einem Trainer-Lizenz-Lehrgang (C-Lizenz) bei der Landesturnschule in M. statt. Mit Schreiben vom 07.07.2023 hörte die Beklagte die Klägerin wegen des Verdachts der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit an. Mit Schreiben vom 10.07.2023 teilte die Klägerin mit, sie habe von Dienstag auf Mittwoch (05.07.2023) starke Bauchschmerzen und Übelkeit gehabt, das Schlucken habe wehgetan und sie habe Kopfschmerzen gehabt. Am Mittwoch habe sie ihren Arzt aufgesucht, der sie für drei Tage krankgeschrieben habe. Nach Einnahme der verschriebenen Medikamente sei umgehend Besserung eingetreten. Sie gehe davon aus, dass die Symptome teilweise psychosomatisch waren. Am 06.07.2023 habe sie sich OK gefühlt und beschlossen zur Schulung nach M. zu fahren. Wegen des Wortlautes des Schreibens wird auf Bl. 63 der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 13.07.2023 informierte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses und bat um Herstellung des Begehrens. Mit Schreiben vom 17.07.2023 (Bl. 60 der erstinstanzlichen Akte) teilte der Personalrat mit, das Benehmen zur außerordentlichen Kündigung werde nicht erteilt. Mit Schreiben vom 18.07.2023 (Bl. 61 und 62 der erstinstanzlichen Akte) teilte die Beklagte dem Personalrat mit, dass die Kündigung erklärt werden wird.
Mit Schreiben vom 18.07.2023 (Bl. 4 und 5 der erstinstanzlichen Akte) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis sowohl als Tat- sowie vorsorglich als Verdachtskündigung außerordentlich fristlos.
Mit Schriftsatz vom 25.07.2023, bei dem Arbeitsgericht D-Stadt eingegangen am 25.07.2023 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Am 06.07.2023 habe sie sich trotz der bestehenden Erkrankung so fit gefühlt, dass sie an der Fortbildung in Melle zum Erwerb der Trainer-Lizenz habe teilnehmen können. Sie befinde sich in der Psychotherapie. Insbesondere bei einer solchen Erkrankung sei es nicht unbedingt erforderlich und auch für den Patienten nicht gut, wenn dieser sich zu Hause vergrabe. Die außerordentliche Kündigung sei jedenfalls nicht verhältnismäßig.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, da...