Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung während eines Streiks
Leitsatz (amtlich)
Beteiligt sich ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer nicht an einem Streik, so hängt der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG davon ab, ob dem Arbeitgeber die Beschäftigung möglich und zumutbar gewesen wäre. Die Einrichtung eines Notdienstes spricht allein noch nicht für eine solche Beschäftigungsmöglichkeit.
Normenkette
EFZG § 3
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 21.10.2009; Aktenzeichen 2 Ca 4113/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.10.2009, Az. 2 Ca 4113/09, in Ziffern 1 und 2 abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen.
4. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall während eines Streiktages in Höhe von EUR 40,02 netto nebst Zinsen.
Der Kläger ist bei der Beklagten – einem öffentlichen N. betrieb – seit 01.01.1988 als Omnibusfahrer im Bereich „Fahrdienst” beschäftigt; er befindet sich in Altersteilzeit. Am 27.02.2009 fand im Betrieb der Beklagten ein Warnstreik statt. Der Kläger war an diesem Tag krankheitsbedingt arbeitsunfähig, er wäre für den 27.02.2009 für den Fahrdienst eingeteilt gewesen.
Die Vergütung für den Monat Februar 2009 kürzte die Beklagte in Höhe des streitgegenständlichen Betrages.
Der Kläger ist der Meinung, er habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von EUR 40,02 netto als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den 27.02.2009, da er sich am Arbeitskampf nicht beteiligt habe. Der Betrieb der Beklagten sei nicht komplett stillgelegt worden.
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall sei für den 27.02.2009 nicht gegeben. Der Betrieb sei am 27.02.2009 teilweise stillgelegt worden. Die Fahrer seien über die Betriebshöfe in Kenntnis gesetzt worden, dass am Streiktag keine Beschäftigung möglich sein werde. Aufgrund dieser Betriebsstilllegung entfalle der Entgeltfortzahlungsanspruch. Die Beschäftigtengruppe, welcher der Kläger angehöre, habe nicht vertragsgemäß im Betrieb der Beklagten eingesetzt werden können.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe nicht substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger am 27.02.2009 bei Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht gegeben gewesen wäre. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.
Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Berufung lässt die Beklagte vorbringen, der Kläger sei als Omnibusfahrer im Bereich „Fahrdienst” beschäftigt; für eine Beschäftigung im Bereich „Fahrpersonal und Service” sei allein die Qualifikation als Busfahrer nicht ausreichend, es seien zusätzliche Schulungsmaßnahmen zum Thema Fahrscheinkontrollen und erhöhtes Beförderungsentgelt oder andere Qualifikationen notwendig. Nachdem die Beklagte von der Streikabsicht erfahren habe, habe der Vorstand der Beklagten entschieden, dass am Streiktag der Bus-, Straßenbahn- und U-Bahnbetrieb eingestellt werde. Ein Busnotnetz habe durch private Busunternehmen bedient werden sollen. Über die vollständige Einstellung des eigenen Busbetriebes am 27.02.2009 sei die Öffentlichkeit mit einer Presseinformation vom 24.02.2009 informiert worden. Mit den Gewerkschaften
ver.di und GDL sei eine Notdienstvereinbarung getroffen worden; die Aufgaben dieses Notdienstes hätte der Kläger aufgrund seiner Qualifikation nicht ausüben können. Für Notdiensttätigkeiten seien 47 Mitarbeiter aus dem Bereich „Personal und Service” eingeteilt gewesen. Aus dem Bereich „Fahrdienst” sei kein Busfahrer an dem Warnstreiktag mit Tätigkeiten betraut worden. Aufgrund der Stilllegung des Betriebsteils „Fahrdienst Bus N…” wäre eine Beschäftigung des Klägers am 27.02.2009 nicht möglich gewesen. Auch für einen Einsatz im Bereich „Werkstatt” hätte es im Falle des Klägers an der hierfür erforderlichen mehrmonatigen Unterweisung gefehlt, welche der Kläger nicht erhalten habe. Eine Beschäftigung des Klägers im Rahmen der Weiterbildung oder eines Unterrichts wäre schon daran gescheitert, dass am 27.02.2009 solche Maßnahmen nicht stattgefunden hätten.
Der Kläger lässt vortragen, er sei von der Beklagten nicht telefonisch vom Streiktag informiert worden. Am 27.02.2009 wäre für ihn im Falle seiner Arbeitsfähigkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit bei der Information von Fahrgästen sowie der Fahrscheinkontrollen im Bereich „Fahrpersonal und Service” gegeben gewesen. Außerdem hätte er an Weiterbildungsmaßnahmen sowie an einem theoretischen Unterricht für neu eingestellte Busfahrer teilnehmen können. Ferner wäre ein Einsatz im Werkstattbereich möglich gewesen.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt...