Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungslast und Schadensberechnung im Haftpflichtprozess gegen einen Fachanwalt für Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Werden einem Rechtsanwalt Fehler bei der Kündigung eines Arbeitnehmers angelastet, muss der Arbeitgeber ungeachtet der Darlegungs- und Beweislast im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG dartun und beweisen, weil dem Rechtsanwalt insoweit eine verlässliche Erkenntnisquelle fehlt.
2. Zur Anwaltshaftung für vom Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess durch Vergleich übernommene Zahlungen an den Arbeitnehmer.
Normenkette
BGB §§ 174, 249, 254, 280-281, 611, 622, 675; KSchG §§ 1, 9-10, 23
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 21.12.2012; Aktenzeichen 2 O 122/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 21.12.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheits- leistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags stellt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Sach- und Streitstand ergibt sich aus dem Senatsbeschluss vom 5.3.2013. Dort hat der Senat seine zunächst bestehende Absicht, über die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wie folgt erläutert:
"1. Die Klägerin hat einen Betrieb für häusliche Kranken- und Altenpflege. Zu ihren Mitarbeitern gehörte Burkhardt A., der ihr Lebensgefährte geworden war. In der zweiten Jahreshälfte 2009 erfuhr die Klägerin davon, dass A. eine Liebesbeziehung zu einer Aushilfskraft unterhielt. Sie war deshalb bestrebt, sich privat und beruflich von ihm zu trennen.
Ihrer Darstellung nach lagen verschiedene arbeitsvertragliche Pflichtverstöße A's vor. So habe er für eigene Zwecke auf Patientendaten des Pflegebetriebs zugegriffen und versucht, Patienten unter Anschwärzung der Klägerin für sich abzuwerben. Ob das schon 2009 oder erst zu Beginn des Jahres 2010 geschehen sein soll, ist nicht deutlich geworden.
Um die Dinge mit A. zu bereinigen, suchte die Klägerin den anwaltlichen Rat der Beklagten. Das erfolgte erstmals am 27.10.2009. Dabei ging es nach dem Vortrag der Beklagten allein um die Klärung des persönlichen Verhältnisses zu A.. Dagegen wurden gemäß den Behauptungen der Klägerin auch arbeitsrechtliche Gesichtspunkte angesprochen. Die Beklagte habe dazu geraten, A's Vergütung zu kürzen und ihm die private Nutzung seines Dienstfahrzeugs zu entziehen.
Ein zweiter Konsultationstermin fand am 7.1.2010 statt. Auch insoweit ist streitig, welche Themen Gegenstand der Unterredung waren. Nach dem Vorbringen der Beklagten wurden berufliche Belange erstmals bei einem weiteren Zusammentreffen vom 11.1.2010 erörtert.
In der Zwischenzeit hatte die Klägerin, beginnend für November 2009, A's Lohn reduziert und ihm auch den Betriebs-Pkw nicht weiter für private Zwecke zur Verfügung gestellt. Das beanstandete A. in einem anwaltlichen Schreiben vom 4.1.2010. In einem Antwortbrief vom 19.1.2010 verteidigte die Beklagte die Maßnahmen der Klägerin. Gleichzeitig mahnte sie A. wegen der von dieser behaupteten beruflichen Verfehlungen ab.
Unter dem 8.2.2010 erklärte die Beklagte zunächst per Telefax und dann privatschriftlich die Kündigung von A's Arbeitsverhältnis. Das Schreiben wurde von der Klägerin zur Post gebracht; nach der Darstellung der Beklagten hatte sie es persönlich übergeben sollen. A's Anwälte wiesen die Kündigung am 12.2.2010 zurück, da ihr keine Vollmacht der Klägerin beigefügt gewesen war. Daraufhin entzog die Klägerin der Beklagten am 15.2.2010 das Mandat.
Zuvor hatte die Beklagte die Klägerin bereits arbeitsgerichtlich gegenüber A. vertreten. Dieser hatte am 21.1.2010 Klage wegen rückständigen Lohns und verwehrter Fahrzeugnutzung für die Monate November und Dezember 2009 eingereicht. Nachfolgend machte er in einem zweiten, am 18.2.2010 eingeleiteten Prozess die Unwirksamkeit der Vertragskündigung geltend. Beide Verfahren endeten mit einem Vergleich vom 1.3.2010. Darin einigten sich die Parteien auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.3.2010. Dafür sagte die Klägerin eine Abfindung von 19.892,46 EUR zu. Außerdem verpflichtete sie sich zum Ausgleich bisher noch nicht erfüllter Entgeltansprüche A's bis einschließlich März 2010 und der Leistung zugehöriger Sozialabgaben. Insoweit errechnet sich nach ihrer Mitteilung eine Summe von 18.477,05 EUR.
Die vorgenannten Beträge, vermehrt um Anwaltskosten von 661,16 EUR wegen "Verstoß gegen UWG" hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit als Schadensersatz eingeklagt. Sie hat der Beklagten vorgeworfen, eine frühzeitige und taugliche Vertragskündigung gegenüber A. versäumt und stattdessen zu ungeeigneten Schritten geraten zu haben.
Das LG hat das Verlangen der Klägerin abgewiesen. Seiner Ansich...