Rz. 23
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit darf nur aufgrund persönlicher ärztlicher Untersuchung erfolgen (§ 4 Abs. 1 AU-RL).
Darüber hinaus kann die Arbeitsunfähigkeit auch mittelbar persönlich im Rahmen von Videosprechstunden festgestellt werden. Dies ist jedoch nur zulässig, wenn die Erkrankung dies nicht ausschließt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 bis 5 und 7 AU-RL). Die höchstmögliche Dauer der Krankschreibung variiert zwischen 3 und 7 Kalendertagen und hängt davon ab, ob dem Arzt der Versicherte persönlich bekannt ist. Eine Arbeitsunfähigkeits-Folgekrankschreibung über Videosprechstunde ist nur dann zulässig, wenn die vorherige Krankschreibung auf Grundlage einer unmittelbaren persönlichen Untersuchung ausgestellt wurde.
Außerdem ist seit dem 7.12.2023 gemäß § 4 Abs. 5a AU-Richtlinie auch eine Arbeitsunfähigkeitsfeststellung aufgrund einer telefonischen Anamnese möglich. Voraussetzung ist,
- dass keine Videosprechstunde möglich ist,
- dass der Versicherte eine Erkrankung hat, die keine schwere Symptomatik vorweist,
- dass der Patient in der jeweiligen Arztpraxis bereits bekannt ist.
Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann die Ärztin oder der Arzt nach telefonischer Anamnese die Erstbescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit für bis zu 5 Kalendertagen ausstellen.
Erfolgt eine Entlassung aus dem Krankenhaus oder aus einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung im Rahmen des Entlassmanagements, darf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch von einem dort tätigen Arzt ausgestellt werden (vgl. § 4a AU-RL).
Besondere Erleichterungen bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit galten darüber hinaus gemäß § 8 AU-Richtlinie im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie bis zum 31.3.2023 – allerdings nur bei leichten Erkrankungen der oberen Atemwege. Hier konnte die Arztpraxis auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund eines Telefonats zwischen Arzt und Versicherten für einen Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen ausstellen, wenn der Arzt nach telefonischer Anamnese der persönlichen Überzeugung war, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit gegeben waren; das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit konnte im Wege der telefonischen Anamnese einmalig für einen weiteren Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen festgestellt werden. Damit sollten Arztpraxen während der Corona-Pandemie entlastet sowie Patienten und Praxispersonal vor einer Corona-Erkrankung geschützt werden.
Rz. 24
Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und i. d. R. nur bis zu 3 Tagen zulässig (§ 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AU-RL).
Der Arzt schreibt einen versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer am 5.5. wegen der Folgen eines am Vortag erlittenen Unfalls rückwirkend ab 4.5. arbeitsunfähig krank.
Der Anspruch auf Krankengeld i. S. d. § 44 entsteht bereits am 4.5.
Anmerkung: Allerdings ist Krankengeld i. S. d. § 46 erst ab 5.5. zu zahlen.
Rz. 25
Die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten für die Krankenkassen erfolgt in der Praxis seit 1.7.2022 flächendeckend durch ein elektronisches Verfahren (eAU). Damit löst die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) das bisherige Verfahren der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) in Papierversion ab. Die Übermittlung der Daten erfolgt über die Telematikinfrastruktur (Ti, § 311 SGB V) – und zwar aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS) des Arztes heraus. Der Arzt ruft am PC den digitalen Vordruck "AU" im PVS auf und befüllt die entsprechenden Felder. Danach wird das Dokument signiert und gedruckt (ein Papierausdruck wird dem Versicherten später ausgehändigt, damit dieser für sich eine schriftliche Information darüber hat, wie lange er krankgeschrieben ist). Gleichzeitig bereitet das PVS die elektronische Übermittlung an die zuständige Krankenkasse vor. Im Rahmen der Daten sind alle Diagnosen verschlüsselt anzugeben, die aktuell vorliegen und die attestierte Dauer der Arbeitsunfähigkeit begründen (§ 295 Abs. 1 und 3 SGB V).
Seit dem 1.1.2023 entfällt auch der Papierausdruck der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Arbeitgeber. Dieser ruft die Arbeitsunfähigkeitsdaten (ohne Diagnosedaten) seines Arbeitnehmers auf elektronischem Wege direkt bei der Krankenkasse ab, sobald sich dieser krankgemeldet hat. Hierzu benötigt der Arbeitgeber eine zugelassene und datenschutzkonforme Software.
Versicherte können sich trotz des elektronischen Verfahrens auch weiterhin eine ordnungsgemäße schriftliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit den für den Arbeitgeber bestimmten Daten vom Arzt ausstellen lassen (§ 109 Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Hintergrund ist § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG. Danach hat der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eine ärztliche Besc...