Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 123
Die Anzeige (§ 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 KSchG) und die Zuleitung der Kopie über die Mitteilung an den Betriebsrat (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG) sind an die zuständige Agentur für Arbeit zu richten. Zuständig ist die Arbeitsagentur, die für den von der Massenentlassung betroffenen – auf Grundlage des unionsrechtlichen Betriebsbegriffs (Rz. 51) zu bestimmenden – Betrieb örtlich zuständig ist, nicht diejenige am Unternehmenssitz. Besteht die betriebliche Organisationsstruktur im Falle einer Betriebsstilllegung nicht mehr, ist die Anzeige bei der für die frühere Betriebsstätte zuständigen Arbeitsagentur zu erstatten. Ist die Agentur für Arbeit, an welche die Anzeige übersandt wird, unzuständig, hat sie die Anzeige weiterzuleiten. Hält sich die Agentur für Arbeit, an welche die Anzeige übersandt wird, fälschlicherweise für zuständig, und leitet die Anzeige deshalb nicht an die zuständige Agentur weiter, entlastet dies den Arbeitgeber nicht. Vielmehr sind die Massenentlassungsanzeige und nach bisheriger Rechtsprechung des BAG (zur beabsichtigten Rechtsprechungsänderung Rz. 159 ff.) in der Folge auch die ihr folgende Kündigung unwirksam, wenn die Anzeige bei einer unzuständigen Agentur für Arbeit erstattet wird. Erst mit Eingang der Anzeige bei der zuständigen Arbeitsagentur wird die Anzeige wirksam (§ 130 Abs. 1 und 3 BGB) und setzt die Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 KSchG in Gang.
Rz. 123a
Die Einreichung der Massenentlassungsanzeige bei 2 unterschiedlichen Agenturen für Arbeit (inklusive der zuständigen Arbeitsagentur) führt jedenfalls dann nicht zur Nichtigkeit (§ 134 BGB) einer nachfolgend ausgesprochenen Kündigung, wenn die Anzeige vollständige und zutreffende Angaben zu den für die örtliche Zuständigkeit möglicherweise relevanten Umständen enthält und der Arbeitgeber auf die mehrfache Einreichung hinweist. Es ist dann Sache der angegangenen Behörden, sich über die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung nach §§ 18, 20 KSchG abzustimmen.
Rz. 123b
Die von der BA eröffnete Möglichkeit einer sog. Sammelanzeige unterliegt keinen unionsrechtlichen Bedenken. Danach können Großunternehmen mit deutschlandweitem Filialnetz im Fall von Massenentlassungen, die in mehreren Betrieben (Filialen) erfolgen, an regional unterschiedlichen Standorten eine Sammelanzeige bei der Agentur für Arbeit erstatten, die für den Hauptsitz des Unternehmens örtlich zuständig ist. Dabei muss für jeden Betrieb ein Vordruck ausgefüllt sein, d. h. eine Massenentlassungsanzeige erfolgen. Die für den Hauptsitz zuständige Agentur nimmt die Anzeigen entgegen, prüft für die betroffenen Betriebe die Anzeigepflicht nach § 17 KSchG und erledigt das Anzeigeverfahren abschließend. Bei Bedarf sind die für die betroffenen Betriebe zuständigen Arbeitsagenturen bei der Beurteilung der regionalen Arbeitsmarktlage zu beteiligen. In jedem Fall sind sie zu den geplanten Entlassungen zu informieren.
Rz. 124
Sollen in Betrieben des Verkehrswesens, der Post oder Telekommunikation i. S. d. § 21 KSchG mehr als 500 Arbeitnehmer entlassen werden, ist die Anzeige bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit zu erstatten (§ 21 Satz 3 KSchG). Bei einem privaten Luftfahrtunternehmen ist die Anzeige hingegen an die örtlich zuständige Arbeitsagentur zu richten und nicht an die Bundesagentur für Arbeit.