Rz. 180
Während des bestehenden Anstellungsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nicht nur einen Anspruch auf Vergütung, sondern auch einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Dieser aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 und 2 GG abgeleitete Anspruch besteht grds. auch für einen gekündigten Arbeitnehmer bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist. Der Beschäftigungsanspruch entfällt, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers der Weiterbeschäftigung im Rahmen einer Interessenabwägung entgegenstehen.
Rz. 181
Heftig umstritten ist die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung unter Berufung auf eine vertragliche Freistellungsklausel und unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellen kann. Nach Auffassung einiger Landesarbeitsgerichte verstoßen Freistellungsklauseln im Hinblick auf den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers i. d. R. gegen die §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 310 Abs. 4 BGB und sind damit unwirksam. Andere Landesarbeitsgerichte halten Freistellungsklauseln unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Nach zutreffender Auffassung sind Freistellungsklauseln zumindest dann unbedenklich, wenn sie für den Fall einer Kündigung vereinbart werden und einen Billigkeitsvorbehalt enthalten.
Beispiel
"Der Arbeitgeber ist im Fall des Ausspruchs einer Kündigung, gleich von welcher Seite und aus welchem Grund, berechtigt, den Arbeitnehmer bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich oder widerruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen, wenn ein sachlicher Grund, insbesondere ein Vertragsverstoß, der die Vertrauensgrundlage beeinträchtigt (z. B. Geheimnisverrat, Konkurrenztätigkeit), vorliegt. Eine unwiderrufliche Freistellung erfolgt unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen und etwaigem Zwischenverdienst."
Rz. 182
Nach Ablauf der Kündigungsfrist hat der gekündigte Arbeitnehmer grds. keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses. Ein solcher Anspruch kann sich im Einzelfall aber aus § 102 Abs. 5 BetrVG bzw. § 85 Abs. 2 BPersVG ergeben, wenn der Betriebsrat oder der Personalrat der Kündigung widersprochen hat. Darüber hinaus kommt ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens in Betracht, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschäftigung dem Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung überwiegt (BAG (GS). Danach hat der gekündigte Arbeitnehmer auch dann einen Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung in 1. Instanz feststellt und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers begründen.
Rz. 183
Der Arbeitnehmer kann einen Antrag auf Weiterbeschäftigung als unechten Hilfsantrag mit der Kündigungsschutzklage verbinden. Über den Antrag entscheidet das Arbeitsgericht dann nur für den Fall des Obsiegens des Arbeitnehmers mit der Kündigungsschutzklage. Alternativ kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen. In jedem Fall ist der Weiterbeschäftigungsantrag sorgfältig zu formulieren, damit dieser auch hinreichend bestimmt und vollstreckbar ist. Im Kündigungsschutzverfahren könnte der Antrag wie im nachstehenden Beispiel lauten.
Beispiel
Es wird beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom … (Datum) nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als … (Funktion) im Betrieb in … (Ort) weiterzubeschäftigen.