Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Mit dem am 1.5.2015 in Kraft getretenen Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (kurz: FüPoG I, BGBl 2015 I S. 642) wurde für den Aufsichtsrat börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Gesellschaften eine feste Geschlechterquote von 30 % festgelegt. Für den Vorstand und die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Gesellschaften sowie für Vorstand, Aufsichtsrat und die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands börsennotierter oder mitbestimmter Gesellschaften ordnete das FüPoG I dagegen lediglich an, Zielgrößen für den Frauenanteil im Vorstand (durch den Aufsichtsrat), im Aufsichtsrat (durch den Aufsichtsrat selbst bzw. den Gesellschafter) und den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands (durch den Vorstand) festzulegen (vgl. hierzu Bilanz Check-up 2016, Kap. B 5.3, S. 111 ff.).
Ziel des FüPoG I war es, den Anteil von Frauen in Führungspositionen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor zu erhöhen, um damit die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in diesen Bereichen zu fördern. Die Hoffnung des Gesetzgebers, dass Unternehmen freiwillig den Frauenanteil in Führungspositionen, insbesondere im Vorstand, erhöhen, hat sich indes nicht erfüllt. Vor diesem Hintergrund ordnet der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (kurz: FüPoG II, BGBl 2021 I S. 3311) an, nunmehr auch den Anteil von Frauen im Vorstand zu erhöhen. Folgende Neuregelungen sind vorgesehen:
1.2.1 Neuregelung für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte AG/SE/KGaA
Besteht der Vorstand einer börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Gesellschaft aus mehr als 3 Mitgliedern, so muss er mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein (= "Mindest-Beteiligungsgebot"). Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter Verstoß gegen dieses Mindest-Beteiligungsgebot ist nichtig (§ 76 Abs. 3a AktG n. F.). Gem. dem BMFSFJ haben derzeit 31 der betroffenen 70 Unternehmen keine Frau im Vorstand (Stand: 5.3.2021).
Das Mindest-Beteiligungsgebot ist erstmalig bei Bestellungen von Vorstandsmitgliedern ab dem 1.8.2022 zu beachten. § 76 Abs. 3a AktG n. F. löst indes keinen unmittelbaren Handlungsbedarf aus. Erst bei Neubestellungen oder bei Vertragsverlängerungen ist das Mindest-Beteiligungsgebot zu beachten. Besteht bspw. ein Vorstand einer börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Gesellschaft aus 4 Männern und soll die Bestellung eines (männlichen) Vorstandsmitglieds verlängert werden, ist dies nur zulässig, wenn zugleich auch eine Frau in den Vorstand berufen wird.
Mit dem FüPoG II wird eine neue Nr. 5a in § 289f Abs. 2 HGB eingefügt: Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte AG und SE, die mindestens eine Frau und mindestens einen Mann als Vorstandsmitglied bestellen müssen, haben in der Erklärung zur Unternehmensführung anzugeben, ob die Gesellschaft im Bezugszeitraum das Mindest-Beteiligungsgebot eingehalten hat, und wenn nicht, die Gründe hierfür zu nennen. Über § 289f Abs. 3 HGB gilt diese Vorschrift auch für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte KGaA.
Der neu gefasste § 289f HGB soll erstmals auf Lageberichte und – über die Verweisung in § 315d Satz 2 HGB – auf Konzernlageberichte für das nach dem 31.12.2020 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden sein.
Die mit dem FüPoG I eingeführte Berichterstattungspflicht gem. § 289f Abs. 2 Nr. 5 HGB ist mit dem FüPoG II – ohne inhaltliche Änderung – neu formuliert worden. Mithin ist unverändert anzugeben, ob die Gesellschaft im Bezugszeitraum die gesetzliche Geschlechterquote bei der Besetzung des Aufsichtsrats eingehalten hat, und wenn nicht, warum nicht.
1.2.2 Neuregelung für börsennotierte und/oder paritätisch mitbestimmte AG/SE/KGaA
Nach der bereits geltenden Regelung des § 76 Abs. 4 Satz 1 AktG legt der Vorstand von börsennotierten oder mitbestimmten Gesellschaften Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands fest.
Mit der Verwendung des Begriffs "oder" ist gemeint, dass die Gesellschaft mindestens eins der beiden Merkmale erfüllen muss. Folglich gilt die Regelung auch für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte AG/SE/KGaA.
Nach dem FüPoG II müssen die Zielgrößen sowohl die für die jeweilige Führungsebene angestrebte (absolute) Anzahl der Frauen als auch den angestrebten Frauenanteil an der jeweiligen Führungsebene beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Legt der Vorstand für den Frauenanteil auf einer der Führungsebenen die Zielgröße Null fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen und dabei ausführlich die der Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen darzulegen (§ 76 Abs. 4 AktG). Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 %, dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten.
Der Aufsichtsrat von börsennotierten oder parität...