Rz. 375

Die Einberufung von Gesellschafterversammlungen obliegt grundsätzlich dem Geschäftsführer, § 49 Abs. 1 GmbHG.

Gem. § 49 Abs. 2 GmbHG ist der Geschäftsführer außer in den ausdrücklich geregelten Fällen auch dann zu einer Einberufung verpflichtet, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Von einer Erforderlichkeit i. S. d. § 49 Abs. 2 GmbHG ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Gesellschaft ohne die Einberufung einer Gesellschafterversammlung nicht nur unerhebliche Nachteile drohen oder wenn der Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaft eine Entscheidung für notwendig hält, die er ohne einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss nicht treffen darf.[1]

Eine ausdrückliche Einberufungspflicht i. S. d. § 49 Abs. 2 GmbHG ist anzunehmen bei:[2]

  • Verlust der Hälfte des Stammkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG),
  • Verlangen der Einberufung durch Gesellschafter, deren Geschäftsanteile im Zeitpunkt des Einberufungsverlangens gemeinsam mindestens 10 % des Stammkapitals ausmachen unter Angabe des Zwecks und der Gründer der Einberufung (§ 50 Abs. 1 GmbHG) und
  • entsprechenden Anordnungen in der Satzung.
 

Rz. 376

Um auch eigene Interessen in der Gesellschaft wirksam durchsetzen zu können, bedarf es in der Regel eines Beschlusses des Verhandlungsgegenstandes durch die Gesellschafterversammlung. Hat derjenige Gesellschafter, der seine Interessen zur Entscheidung der Gesellschafterversammlung vortragen möchte, Geschäftsanteile in der Höhe von mindestens 10 % des Stammkapitals, so besteht eine Einberufungspflicht gem. § 50 Abs. 1 GmbHG.[3]

An diesem Fall einer Einberufungspflicht wird besonders deutlich, dass die Einberufung einer Gesellschafterversammlung häufig im Interesse der Gesellschafter liegt. Fraglich ist, was die Gesellschafter unternehmen können, wenn der Geschäftsführer entgegen einer konkreten Pflicht die Einberufung der Gesellschafterversammlung unterlässt.

 

Rz. 377

Resultiert die Einberufungspflicht aus § 50 Abs. 1 GmbHG (d. h. hat ein Gesellschafter, dem mindestens 10 % des Stammkapitals gehören, die Einberufung verlangt), so steht den betroffenen Gesellschaftern bei Nichtbefolgung durch den Geschäftsführer ein Selbsthilferecht gem. § 50 Abs. 3 GmbHG zu, das ihnen gestattet, die Einberufung selbst vorzunehmen. Dieses Selbsthilferecht gem. § 50 Abs. 3 GmbHG stellt allerdings einen Ausnahmetatbestand dar und lässt sich somit nicht auf die übrigen genannten Fälle übertragen.

 

Rz. 378

Fraglich ist, ob der Einberufungspflicht des Geschäftsführers ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch korrespondiert. Teilweise wird angenommen, dass eine generelle Rechtsschutzmöglichkeit in diesen Fällen nicht bestehe: Zum einen werde ansonsten die Wertung des § 50 Abs. 1 GmbHG unterlaufen. Außerdem hätten solche Gesellschafter, die eine Gesellschafterversammlung erzwingen wollen und nicht in der Lage sind, die für das Selbsthilferecht aus § 50 Abs. 3 GmbHG notwendige 10 %-Mehrheit zu erlangen, ohnehin keine nennenswerte Chance sich dann in der Gesellschafterversammlung durchzusetzen.[4]

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Zweck der Gesellschafterversammlungen gerade darin besteht, einen Meinungsaustausch der Gesellschafter herbeizuführen, sodass auch eine zunächst nicht bestehende Mehrheit auf diesem Wege erreicht werden kann, wenn einzelne Gesellschafter dann im Rahmen der Gesellschafterversammlung mit ihren Argumenten andere Gesellschafter überzeugen.[5] Insbesondere sollte § 50 GmbHG die Position des Minderheitsgesellschafters stärken, nicht jedoch etwaige Klagemöglichkeiten ausschließen.[6] Demnach ist mit der ganz überwiegenden Auffassung[7] ein der Einberufungspflicht des Geschäftsführers gegenüberstehender Anspruch auf Einberufung der Gesellschafter festzustellen.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 und 3 GmbHG fehlt einer Klage allerdings das Rechtsschutzbedürfnis, da in diesen Fällen der Gesellschafter bereits selbst die Einberufung vornehmen kann.[8]

 

Rz. 379

Letztlich steht die Einberufung einer Gesellschafterversammlung im Interesse der Gesellschaft, vgl. § 49 Abs. 2 GmbHG. Aus diesem Grund ist die Gesellschaft selbst Anspruchsberechtigte. Die einzelnen Gesellschafter können den Anspruch auf Einberufung gegen den Geschäftsführer als Anspruchsgegner im Wege der actio pro socio geltend machen, insbesondere auch mit der Möglichkeit einer Regelungsverfügung im einstweiligen Rechtsschutz gem. § 940 ZPO.[9]

[1] Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck § 49 Rn. 17.
[2] Liebscher, in MüKo-GmbHG, § 49 Rn. 45.
[3] Allgemein zum Minderheitenschutz bei Einberufung und Durchführung der Gesellschafterversammlung: Geißler, GmbHR 2016, S. 1289 ff.
[4] Römermann, in Michalski, § 49 Rn. 132.
[5] Seibt, in Scholz, § 49 Rn. 34.
[6] Liebscher, in MüKo-GmbHG, § 49 Rn. 66.
[7] Liebscher, in MüKo-GmbHG, § 49 Rn. 66 f.; Seibt, in Scholz, § 49 Rn. 34; Bayer, in Lutter/Hommelhoff, § 49 Rn. 21; wohl auch Zöllner, in Baumbauch/Hueck, § 50 Rn. 11.
[8] Liebscher, in MüKo-GmbHG, § 49 Rn. 6...

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