Rz. 101

Wie eingangs erläutert hemmt der Erlass des Bußgeldbescheides die Verfolgungsverjährung, sofern er innerhalb von zwei Wochen zugestellt wird, ansonsten die Zustellung selbst gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG. Entscheidend ist also, wann der Bescheid erlassen worden ist; wann er dem Betroffenen tatsächlich zugeht, ist nachrangig.

 

Rz. 102

Aus § 33 Abs. 2 OWiG kann geschlossen werden, dass mit Erlass die Unterzeichnung des Bescheides sowie dessen Eingabe in den Geschäftsgang gemeint ist. Ein Computerprogramm kann die Entscheidung des zuständigen Behördenbediensteten also nicht ersetzen. Einfache Schriftform genügt gem. § 66 OWiG, weshalb es einer eigenhändigen Unterschrift nicht bedarf.[220] Eine Paraphe oder ein Faksimilestempel reichen aus.[221]

 

Rz. 103

Der Erlass selbst muss im Übrigen nicht extra aktenmäßig für einen außenstehenden Dritten dokumentiert werden. Es genügt, wenn die Frage, ob ein zuständiger Bediensteter den Bescheid willentlich abgezeichnet und auf den Weg gebracht hat, im Freibeweisverfahren geklärt werden kann.[222] Diese Klärung kann auch noch im anhängigen Gerichtsverfahren erfolgen.[223]

 

Rz. 104

Mittlerweile werden Bußgeldbescheide im Wege der elektronischen Datenverarbeitung erstellt. Hier ist maßgeblich, wann der zuständige Sachbearbeiter die willentliche Verfügung an das Programm gibt, den Bescheid zu erlassen. Maßgebliches Argument hierbei ist, dass es keinen Unterschied machen kann, ob hierfür an eine Schreibkraft oder ein Computerprogramm verfügt wird.[224]

 

Rz. 105

 

Praxistipp

Bei wesentlichen Mängeln, welche zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides führen könnten, sollte vor einer Stellungnahme gegenüber der Behörde stets geprüft werden, ob diese den Bescheid berichtigen oder noch zurücknehmen und einen wirksamen neuen Bußgeldbescheid erlassen kann. Sofern sie den Bescheid nämlich aus sachlichen Gründen zurücknimmt und nicht nur willkürlich zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung, bewirkt dies eine erneute Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG.[225]

[220] BGH, Beschl. v. 5.2.1997 – 5 StR 249/96, Rn 15, juris = NJW 1997, 1380 = zfs 1997, 313.
[221] Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 66 Rn 32.
[222] BGH, Beschl. v. 5.2.1997 – 5 StR 249/96, Rn 17, juris = NJW 1997, 1380 = zfs 1997, 313.
[223] OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.8.2009 – 1 SsBs 12/09, Rn 6, juris.
[224] BGH, Beschl. v. 22.5.2006 – 5 StR 578/05, BGHSt 51, 72–81, Rn 15 = NJW 2006, 233 = zfs 2006, 528 = DAR 2006, 462.

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