Rz. 172

Die Sachrügen betreffen wiederum das materielle Recht. Faustformelmäßig lässt sich zur Abgrenzung festhalten, dass es sich um eine Verfahrensrüge handelt, wenn die verletzte Norm bestimmt, "auf welchem Wege der Richter zur Urteilsfindung berufen" ist.[365] Ansonsten handelt es sich um eine Sachrüge.

Die Sachrüge ist bereits deshalb anzubringen, weil sie im Gegensatz zur Verfahrensrüge dem Beschwerdegericht die Überprüfung des Urteils selbst ermöglicht.[366] Dies kann wiederum der Verfahrensrüge weiteren Auftrieb verleihen oder diese gar retten, da das OLG wegen der zulässig erhobenen allgemeinen Sachrüge den Urteilsinhalt dann auch ergänzend für die Beurteilung der Verfahrensrüge berücksichtigen kann.[367]

 

Rz. 173

Einer gesonderten Begründung der Sachrüge bedarf es an sich nicht, jedoch ist dies anzuraten. Das Beschwerdegericht kann die pauschale Sachrüge knapp abhandeln, ist bei konkretem Vortrag hierzu jedoch angehalten, die Argumente auch zu thematisieren. Im Übrigen können die Ausführungen hierzu mangels Begründungspflicht im Gegensatz zu Verfahrensrügen auch nach Ablauf der Monatsfrist nachgeschoben werden. Insbesondere bei umfangreichen Rechtsbeschwerden kann sich der Verteidiger hierdurch Luft verschaffen und sich zunächst auf die Verfahrensrügen konzentrieren.[368]

 

Rz. 174

 

Praxistipp

Grundsätzlich kann die Rechtsbeschwerde auch beschränkt werden. Um dem Eindruck vorzubeugen, dass die Sachrüge auf die vorgetragenen Argumente beschränkt wird, sollte daher die in strafrechtlichen Revisionen geläufige Formulierung verwendet werden:

"Ich rüge die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere rüge ich …"

Die Erhebung der allgemeinen Sachrüge sollte vorsorglich immer explizit erfolgen, da das Beschwerdegericht bei Auslegung der Anträge ansonsten zum Ergebnis kommen kann, dass sie insgesamt überhaupt nicht erhoben worden ist.[369]

[365] BGH, Urt. v. 10.1.1973 – 2 StR 451/72, BGHSt 25, 100–104, Rn 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, StPO § 337 Rn 7,8.
[366] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, StPO § 344 Rn 18; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl. 2023, StPO § 344 Rn 27.
[367] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, StPO § 344 Rn 21a; OLG Celle, Beschl. v. 30.5.2012 – 32 Ss 52/12, Rn 8, juris = NJW-Spezial 2012, 537.
[368] Vgl. Junker, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 3142.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?