Rz. 108
Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, ein ihm angetragenes Beratungshilfemandat anzunehmen; § 49a BRAO. Die Annahmepflicht entsteht erst mit Vorliegen des Beratungshilfescheins, § 16a BORA. Vor dem Hintergrund der begrenzten Kostenerstattung ist dies nicht immer unproblematisch. Diese Pflicht ist jedoch Ausdruck der sozialen Verantwortung der Anwaltschaft. Sozial schwachen Mandanten soll so der Zugang zum Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt werden.
Unter der besonderen Voraussetzung eines wichtigen Grundes kann der Rechtsanwalt ein ihm angetragenes Beratungshilfemandat ablehnen.
Solche wichtigen Gründe können gem. § 16a BRAO sein:
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Der Rechtsanwalt wird durch eine Erkrankung oder durch berufliche Überlastung an der Beratung/Vertretung gehindert. |
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Der beratungshilfeberechtigte Mandant verweigert seine für die Mandatsbearbeitung erforderliche Mitarbeit. |
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Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant ist aus Gründen, die im Verhalten oder in der Person des Mandanten liegen, schwerwiegend gestört. |
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Es stellt sich heraus, dass die Einkommens- und/oder Vermögensverhältnisse des Mandanten die Bewilligung von Beratungshilfe nicht rechtfertigen. |
Es empfiehlt sich, die Ablehnung eines Beratungshilfekandidaten konkret auf einen dieser Gründe zu stützen.
Die frühere Fassung, die es dem Rechtsanwalt ermöglichte, die Beratungshilfe abzulehnen, weil es ihm an den hinreichenden Rechtskenntnissen und Erfahrungen fehlt, ist aufgehoben. Die grundsätzliche Ablehnung aus diesem Grund verstößt gegen die Pflicht zur Übernahme von Beratungshilfemandaten, § 49a BRAO. Allerdings kann die fehlende Rechtskenntnis noch immer ein wichtiger Grund für die Ablehnung sein, auch wenn dieser nicht mehr im Katalog benannt ist. Der Anwalt bleibt aber zur Beratung verpflichtet, wenn er sich in zumutbarer Weise in den Fall einarbeiten kann oder die fehlende Erfahrung für die Beratung nicht hinderlich ist.
Rz. 109
Nicht mehr zu den Ablehnungsgründen gehört es, wenn der Mandant die gebotene Mitwirkung nach der ersten Mahnung nicht erfüllt. Ebenso ist es kein Grund, wenn der Beratungshilfeschein formell mangelhaft ist, sodass er sich auf mehr als eine Angelegenheit bezieht oder die Angelegenheit nicht hinreichend genau bezeichnet ist.
Praxistipp:
Die Verpflichtung zur Übernahme des Mandates besteht erst, wenn der Beratungshilfeschein erteilt worden ist. Die Beantragung durch den Anwalt erfolgt meist unter erheblichem Aufwand. Die Vermögensauskunft muss überprüft, der Antrag gestellt, die Wiedervorlagen überwacht und vor allem müssen die häufig kreativen Rückfragen der Gerichte beantwortet werden. Die Antragstellung durch den Mandanten verläuft meist schneller und einfacher. Teilweise lehnen die Gerichte bei schon erfolgter Beratung durch den Rechtsanwalt auch die Bearbeitung des Antrages durch den Mandanten ab und fordern eine Beantragung durch den Rechtsanwalt. Das gilt es zu vermeiden.
Es empfiehlt sich also bei einer Anfrage durch einen potentiellen Beratungshilfemandanten, abzuklären, ob der Beratungshilfeschein bereits vorliegt. Ist dies nicht der Fall, hilft es, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass ein Termin erst bei Vorliegen des Scheines vereinbart werden kann. Wichtig ist es auch, den Mandanten dabei auf ggf. ablaufende Fristen hinzuweisen und die Termine so zu vergeben, dass die Fristen eingehalten werden können.
Rz. 110
In § 16 BORA ist zudem die Hinweispflicht des Anwaltes normiert. Sofern für den Rechtsanwalt erkennbar ist, dass der Mandant berechtigt sein könnte PKH oder Beratungshilfe zu beantragen, hat er einen entsprechenden Hinweis zu erteilen.
§ 16 Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe
(1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, bei begründetem Anlass auf die Möglichkeiten von Beratungs- und Prozesskostenhilfe hinzuweisen.
(2) Der Rechtsanwalt darf nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder bei Inanspruchnahme von Beratungshilfe von seinem Mandanten oder Dritten Zahlungen oder Leistungen nur annehmen, die freiwillig und in Kenntnis der Tatsache gegeben werden, dass der Mandant oder der Dritte zu einer solchen Leistung nicht verpflichtet ist.
Die Nichterteilung des Hinweises führt nicht nur zu berufsrechtlichen Rügen. Der Mandant erwirbt aufgrund dieser Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB gegen den Rechtsanwalt. Der Schaden wird hier meist in den geltend gemachten Wahlanwaltsgebühren – bei gerichtlicher Geltendmachung dieser Gebühren auch in den damit verbundenen Klagekosten – bestehen. Diese können dann gegen die Gebührenforderung aufgerechnet werden, was zu einem Verlust des Vergütungsanspruches und ggf. auch zu darüber hinausgehenden Schadensersatzansprüchen führen kann.