Rz. 175
Auch in PKH-Fällen ist es möglich, dass der Rechtsanwalt Vorschüsse erhält.
Rechtliche Grundlage dafür ist, dass der Mandant für das PKH-Bewilligungsverfahren die Kosten nach Nr. 3335 VV RVG zu tragen hat. Wird die Prozesskostenhilfe bewilligt, bilden Hauptverfahren und Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren wegen § 16 Nr. 2 RVG auch gebührenrechtlich eine Angelegenheit. Mit der Bewilligung kann der Rechtsanwalt jedoch nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO keine Kosten mehr vom Anwalt verlangen. Wegen der Verrechnungspflicht mit Zahlungen vor und nach Bewilligung in § 58 Abs. 2 RVG dürfte es damit auf den Zeitpunkt der Anforderung des Vorschusses ankommen. Daraus folgt, dass Vorschüsse nur gefordert werden, wenn Sie vor der Beiordnung des Rechtsanwaltes angefordert wurden.
Rz. 176
Die Regel für die Anrechnung dieser Vorschüsse ergibt sich aus § 58 RVG. Danach sind die Zahlungen zunächst auf die Forderungen anzurechnen, auf die der Rechtsanwalt keinen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse hat. Zu diesen Forderungen gehören die Kosten der gerichtlichen Tätigkeit, für die keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und die Kosten, für die keine Erstattung durch das Gericht stattfinden wird, wie z.B. Fahrtkosten. Zuletzt kann auch eine Anrechnung auf den Kostenanteil erfolgen, um den die Wahlanwaltskosten die von der Prozesskostenhilfe abgedeckten Kosten übersteigen. Dies gilt nach der Neufassung des § 58 Abs. 2 RVG sogar für die Anrechnung von Zahlungen auf vorgerichtlichen Gebühren auf die gerichtlichen Gebühren. Damit wäre eine Anrechnung nur insoweit vorzunehmen, als der Gesamtbetrag aller Gebühren die Wahlanwaltsgebühren überschreiten würde. Bis zu diesem Betrag bleiben auch Zahlungen auf vorgerichtliche Gebühren anrechnungsfrei.
Rz. 177
Beispiel:
Rechtsanwalt C. Lever hat für seinen Mandanten einen Betrag in Höhe von 10.000,00 EUR vorgerichtlich und gerichtlich geltend gemacht. Über einen Teilbetrag in Höhe von 8.000,00 EUR wird Prozesskostenhilfe unter Gewährung von Raten bewilligt. Für das PKH-Bewilligungsverfahren hat der Rechtsanwalt 700,00 EUR Vorschuss angefordert und erhalten.
Die Wahlanwaltskosten errechnen sich wie folgt:
Wahlanwaltsgebühren |
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Vorgerichtlich Gegenstandswert: 10.000,00 EUR |
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1,3 Geschäftsgebühr § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV |
798,20 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Vorgerichtlich |
818,20 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
155,46 EUR |
Wahlanwaltsgebühren vorgerichtlich |
973,66 EUR |
Anrechnung der Verfahrensgebühr |
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./. 0,65 Anrechnung auf spätere Verfahrensgebühr |
– 399,10 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
– 75,83 EUR |
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498,73 EUR |
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Wahlanwaltsgebühren gerichtlich Gegenstandswert: 10.000,00 EUR |
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1,3 Verfahrensgebühr § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3100 VV |
798,20 EUR |
1,2 Terminsgebühr § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3104 VV |
736,80 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Gerichtlich |
1.555,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
295,45 EUR |
Wahlanwaltsgebühren gerichtlich |
1.850,45 EUR |
PKH-Gebühren Gegenstandswert: 8.000,00 EUR |
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1,3 Verfahrensgebühr §§ 13, 49 Abs. 1 RVG, Nr. 3100 VV |
412,10 EUR |
1,2 Terminsgebühr §§ 13, 49 Abs. 1 RVG, Nr. 3104 VV |
380,40 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
812,50 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
154,38 EUR |
PKH-Gebühren |
966,88 EUR |
Die gezahlten 700,00 EUR Vorschuss sind auf die vorgerichtlichen Kosten (498,70 EUR) und dann auf die Wahlanwaltsgebühren in Höhe der verbleibenden 201,30 EUR anzurechnen, da dafür keine PKH bewilligt werden kann. Trotz Zahlung des Vorschusses wären die vollen PKH-Gebühren auszuzahlen.
Rz. 178
Erfolgen die Zahlungen durch die Gegenseite, so muss für die Anrechnung differenziert werden. Zahlungen auf Kostenforderungen sind soweit diese bestimmbar sind auf die Kosten anzurechnen, für die sie bestimmt waren.
Eine Verrechnung von sonstigen Fremdgeldzahlungen – z.B. auf die Hauptforderung – mit den Kostenforderungen, für die Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, ist ohne ausdrückliche Zustimmung des Mandanten unzulässig.
Beispiel:
In unserem oben genannten Beispiel wird die Gegenseite verurteilt, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR zu zahlen. Im Kostenfestsetzungsbeschluss wird weiterhin festgelegt, dass die Gegenseite 770,57 EUR zu erstatten hat.
In diesem Fall müssen die außergerichtlichen 571,44 EUR auf die vorgerichtlichen Kosten angerechnet werden. Der Vorschuss von 500,00 EUR wird teilweise in Höhe von 315,59 EUR auf diese vorgerichtlichen Kosten angerechnet, sodass diese Kosten komplett getilgt sind.
Wahlanwaltsgebühren |
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Vorgerichtlich Gegenstandswert: 10.000,00 EUR |
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1,3 Geschäftsgebühr § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV |
798,20 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Vorgerichtlich |
818,20 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
155,46 EUR |
Wahlanwaltsgebühren vorgerichtlich |
973,66 EUR |
./. von der Gegenseite erstattete vorgerichtliche Kosten |
– 571,44 EUR |
./. Vorschuss (von 700,00 EUR) |
– 315,59 EU... |