Prof. Dr. iur. Michael Sattler, Christina Brammen
Rz. 18
1.
Die aktive Streitverkündung muss aus anwaltlicher Vorsicht in allen Fällen einer möglichen Anspruchskette (z.B. Bauherr – Bauträger – Generalunternehmer) oder bei alternativ in Betracht kommenden Schuldnern ins Auge gefasst und mit dem Mandanten erörtert werden. Zum einen gilt es, divergierende Gerichtsentscheidungen durch die Bindungswirkung zu verhindern; zum anderen kann die Dauer des Erstprozesses die Verjährungsfrist gegenüber dem Dritten übersteigen.
Da die Streitverkündung, abgesehen von der eher seltenen Ausnahme, dass der Streitverkündete dem Rechtsstreit auf der Gegenseite beitritt, keine Mehrkosten verursacht, gibt es wenig rationale Argumente, die dagegen sprechen. Die Streitverkündung führt oft sogar dazu, dass der Streitverkündete, der erkennt, dass am Ende er die Folgen eines verlorenen Prozesses zu tragen hat, sich stark engagiert, um den Streitverkünder zu unterstützen. Ist der Streithelfer zudem fachlich versierter als die unterstützte Hauptpartei und war näher am tatsächlichen Geschehen, kann dessen Unterstützung u.U. den entscheidenden Ausschlag geben.
Prozesstaktisch ist jedoch zu beachten, dass ein Zeuge, dem bereits der Streit verkündet wurde, zurückhaltender aussagen könnte als ein am Prozess (noch) nicht beteiligter Zeuge. Seine Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht wegen der Gefahr eines Vermögensschadens (§ 384 Nr. 1 ZPO) erscheint tendenziell plausibel, da die Vorbereitung seiner späteren Inanspruchnahme gerade den Zweck der Streitverkündung darstellt. Vor diesem Hintergrund ist abzuwägen, ob mit der Streitverkündung abgewartet werden soll, bis der potentielle Streitverkündungsempfänger ausgesagt hat. Sinnvoll ist das indes nur, wenn das Gericht nicht anschließend sofort entscheidet, der Streitverkündete also noch Gelegenheit hat, Einfluss auf den Prozessverlauf zu nehmen (§§ 74 Abs. 1, 68 ZPO).
Rz. 19
2.
Das besondere Risiko der Streitverkündung besteht darin, dass im Ausgangsprozess die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Streitverkündung nicht thematisiert wird. Geht die Streitverkündung ins Leere, weil etwa die streitverkündende Prozesspartei nicht identisch mit derjenigen ist, welcher ein möglicher Anspruch gegen den Streitverkündeten zusteht, oder werden die möglichen Ansprüche gegen den Streitverkündeten gar nicht oder unvollständig dargelegt, entfaltet die Streitverkündung keine Wirkung, selbst dann nicht, wenn der Streitverkündete beitritt.