Rz. 92
Der Rechtsanwalt hat gemäß § 613 BGB seine Dienste persönlich zu leisten. Dies ist nicht immer möglich. Überträgt der Rechtsanwalt die Ausübung der Dienste auf andere Personen, so handelt er auf eigenes Risiko mit den sich daraus ergebenden Haftungsfolgen. Er kann sich deshalb z.B. bei Verhinderung von einem anderen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Vergütung für eine Tätigkeit, die der Rechtsanwalt nicht persönlich vornimmt, wird nach dem RVG bemessen, wenn der Rechtsanwalt durch einen Rechtsanwalt, den allgemeinen Vertreter, einen Assessor bei einem Rechtsanwalt oder einen zur Ausbildung zugewiesenen Referendar vertreten wird.
Rz. 93
Weder der Rechtsfachwirt noch der Bürovorsteher sind in § 5 RVG berücksichtigt. Dies bedeutet nach Ansicht der Verfasserin aber nicht, dass diese nicht für den Anwalt gebührenauslösend tätig werden können. Angesichts der Bedeutung der Stellung eines Rechtsfachwirtes in der RA-Kanzlei ist die fehlende (klarstellende) Aufnahme in § 5 RVG zu bedauern, da der Rechtsfachwirt dem Rechtsanwalt wichtige Tätigkeiten abnehmen kann, so z.B. die Wahrnehmung von Versteigerungsterminen, eidesstattlichen Versicherungs-Terminen im Rahmen der Zwangsvollstreckung oder die außergerichtliche vorbereitende Sachbearbeitung bei Unfallschadenregulierung. Hierfür ist er auch speziell ausgebildet. Hinzu kommt, dass derartige Tätigkeiten schon seit Jahrzehnten von Rechtsfachwirten (früher: Bürovorstehern) ausgeübt werden und Rechtsfachwirte dem Anwalt, ähnlich wie Rechtspfleger dem Richter, entlastend zur Seite stehen. Im Familienrecht ist dies aufgrund der komplexen Materie wohl aber eher selten der Fall.
Rz. 94
Der RA darf seine Vertretung anderen Personen, vor allem Kanzleiangestellten, im Zweifel nur dann übertragen, wenn der Auftraggeber ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden ist. Es kommt hierbei auch nicht darauf an, ob der Auftraggeber mit der Vertretung einverstanden ist. Für durch die in § 5 RVG nicht genannten Hilfspersonen ausgeübte Tätigkeiten kann nach § 612 BGB die vereinbarte oder angemessene Vergütung berechnet werden.
Rz. 95
Praxistipp
Es gibt natürlich die Möglichkeit, im Vorfeld mit dem Mandanten zu vereinbaren, dass der RA auch dann die Vergütung nach RVG berechnen darf, wenn er sich im Einzelfall durch eine im § 5 RVG nicht genannte Person vertreten lässt, soweit dies rechtlich zulässig ist. Interessant könnte dies z.B. dann sein, wenn der Mandant keine geordnete Vermögensaufstellung zur Berechnung eines etwaigen Zugewinnausgleichsanspruchs übergibt. Die korrekte Aufstellung ist nicht Sache des Anwalts; sie ist auch keine primär anwaltliche Tätigkeit. Möchte der Mandant hier einen entsprechenden "Service" oder eine entsprechende "Hilfestellung", kann ihm angeboten und mit ihm vereinbart werden, dass die angestellte Rechtsfachwirtin/der Rechtsfachwirt diese Aufgabe übernimmt und diese "Bürotätigkeit" mit einem Stundensatz von 75,00 EUR pro Stunde gesondert abgerechnet wird. Geht der Mandant darauf ein, muss der Anwalt diesen Dienst nicht kostenlos erbringen; häufig wird man aber feststellen, dass Mandanten, die sich zunächst nicht in der Lage sahen, eine solche Aufstellung selbst zu fertigen, plötzlich doch ganz geschäftsgewandt sind, da sie keine zusätzlichen Kosten ausgeben wollen.
Hinweis
Eine Formulierung in einer Vergütungsvereinbarung, nach der die "Mitarbeiterstunde" jedoch an die vom Anwalt geleisteten Stunden ohne jeden Nachweis gekoppelt sind, hat der BGH für intransparent erachtet. Zur Problematik der Transparenz bei Stundensatzvereinbarungen insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 12.1.2023 siehe auch § 3 Rdn 306 ff.