Rz. 93
Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft wegen eines Sicherungsbedürfnisses nach § 1960 BGB vor oder kommt es aufgrund eines Antrags nach § 1961 BGB zur Anordnung einer sog. Prozesspflegschaft, so bestellt das Nachlassgericht nach § 1962 BGB einen Nachlasspfleger mit dem Aufgabenkreis (vormals Wirkungskreis) der selbstständigen Verwaltung des Nachlasses.
Rz. 94
"Der Nachlasspfleger vertritt die unbekannten Erben und ist deren gesetzlicher Vertreter (Vertretertheorie)." Anders als der Testamentsvollstrecker untersteht der Nachlasspfleger der Aufsicht durch das Nachlassgericht, das sich seiner zur Erfüllung der staatlichen Fürsorgepflicht bedient. Das Nachlassgericht hat demnach den Nachlasspfleger zu überwachen, aber auch zu unterstützen und gegen etwaige Pflichtwidrigkeiten mit Ge- und Verboten vorzugehen. Für eine Vielzahl von Handlungen benötigt der Nachlasspfleger zudem die Genehmigung seitens des Nachlassgerichts, § 1888 i.V.m. §§ 1835–1862, 1864–1867 BGB.
Rz. 95
Die Aufgaben des Nachlasspflegers werden durch den Aufgabenkreis bestimmt, den das Nachlassgericht nach dem Bedürfnis des jeweiligen Einzelfalls bestimmt, §§ 1888, 1815 BGB. Es handelt sich bei der Nachlasspflegschaft nicht um eine Vermögens-, sondern um eine Personenpflegschaft.
Rz. 96
Auch wenn der Nachlasspfleger demnach Vertreter der – noch unbekannten – Erben ist, beruht seine Tätigkeit nicht auf einer Mandatserteilung sondern auf einer Bestellung durch das Nachlassgericht, das sich des Nachlasspflegers zur Erfüllung seiner staatlichen Fürsorgepflicht bedient. Demzufolge unterscheidet sich auch diese Tätigkeit bereits dem Grunde nach von den regelmäßigen Mandatserteilungen.
Rz. 97
Dies wird vor allem auch durch die den Nachlasspfleger treffenden Pflichten deutlich, wie insbesondere:
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eigenverantwortliche Ermittlung des Nachlasses und Erstellung eines Nachlassverzeichnisses; |
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Trennung von Nachlassvermögen zu Vermögen des Nachlasspflegers; |
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Inbesitznahme des Nachlasses; |
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Verwaltung des Nachlasses (Geldvermögen, Einzug von Forderungen, Verwaltung von Grundstücken); |
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Klärung der Bestattung; |
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Klärung der Nachlassverbindlichkeiten; |
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Zahlung von Steuerschulden; |
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Wahrnehmung der steuerlichen Erklärungspflichten etc. |
Rz. 98
Da der Nachlasspfleger zu sichern und zu verwalten hat, gehört es – wenn sich hierfür nicht aus anderen Gründen ein Bedürfnis ergibt – nicht zu seinen Aufgaben, Nachlassgegenstände zu veräußern, auch wenn er hierzu im Rahmen pflichtgemäßen Handelns berechtigt ist.
Rz. 99
Das Amt des Nachlasspflegers ist daher durch umfassende Befugnisse und trotz der Aufsicht sowie des teilweise für einzelne Handlungen bestehenden Genehmigungsvorbehalts von hoher Eigenverantwortung geprägt. Besonderes Augenmerk bei der Übernahme einer Nachlasspflegschaft verdient auch die Frage der aus der Tätigkeit erzielbaren Vergütung.
Das BGB regelt seit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts nur noch die Ansprüche des ehrenamtlichen – also nicht berufsmäßigen – Pflegers. Hier wird in § 1888 Abs. 1 BGB auf die Vorschriften für die Betreuung verwiesen. Neben dem Ersatz von Aufwendungen kann daher eine "angemessene" Vergütung nur bewilligt werden, wenn Umfang oder Schwierigkeit dies rechtfertigen und der Nachlass nicht mittellos ist (§ 1876 BGB). Für diese Ermessensvergütung gibt es keine Mindest- oder Höchstbeträge, teilweise wird die Vergütung für einen berufsmäßigen Nachlasspfleger als Höchstsatz angesehen.
Rz. 100
Für den berufsmäßigen Pfleger ist zu unterscheiden:
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Beim mittellosen Nachlass richtet sich die Vergütung gem. § 1888 Abs. 2 S. 1 BGB nach dem VBVG. Der Stundensatz beträgt wie bisher je nach Vorbildung 23 EUR, 29,50 EUR oder 39,00 EUR zzgl. Auslagen und ggf. Umsatzsteuer (§ 3 Abs. 1 VBVG). Der Anspruch richtet sich gegen die Staatskasse, § 1836d BGB. |
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Beim vermögenden Nachlass bestimmt sich der Stundensatz gem. § 1888 Abs. 2 S. 2 BGB "nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte." Zuletzt wurden hier für einen Rechtsanwalt Stundensätze von 90 EUR (einfache), 110 EUR (mittlere) und 130 EUR (schwierige Abwicklung) für angemessen erachtet. Teilweise wird auch ein Stundensatz von bis zu 150 EUR und in besonderen Fällen auch 175 EUR befürwortet. Vergütungsschuldner ist der Erbe, § 1836 Abs. 1 S. 3 BGB, § 1 Abs. 2 S. 2 VBVG. |
Rz. 101
Der Nachlasspfleger hat in seinem Vergütungsantrag die zur Abrechnung gestellte Tätigkeit zumindest stichwortartig anzugeben und deren zeitlichen Umfang so weit zu konkretisieren, dass eine überschlägige Prüfung der Abrechnung möglich ist.
Was die Vergütung des Nachlasspflegers bei einem teilmittellosen Nachlass angeht, hat der BGH nunmehr die früher bestehende Rechtsunsicherheit beendet: Die Vergütung richtet sich nach den Sätzen für den vermögenden Nachlass, solange der Nachlass für die D...