Rz. 57
Die Bearbeitung erbrechtlicher Mandate ist aufgrund der rechtlich schwierigen Materie und der vergleichsweise hohen Gegenstands-/Streitwerte für den Rechtsanwalt mit nicht unerheblichen Haftungsrisiken verbunden. Der Anwaltsvertrag ist in der Regel ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag und die Haftung gründet sich zumeist auf §§ 280 und 311 Abs. 2 BGB (c.i.c.). Generell sind Rechtsanwälte verpflichtet, den Mandanten allgemein, umfassend und erschöpfend zu beraten. Unkundige sind zu Folgen ihrer Erklärungen zu belehren und vor Irrtümern zu bewahren. In den Grenzen des Mandats hat der Anwalt dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist.
Rz. 58
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beratervertrag auch ohne ausdrückliche Regelung Schutzwirkung zugunsten eines Dritten entfalten kann. Dies wird dann angenommen, wenn der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrags hat und dies für den Berater bekannt oder erkennbar war, so z.B. bei Erben im Rahmen einer Testamentserstellung.
Rz. 59
Im erbrechtlichen Mandat kommen außerdem häufig folgende Sachverhalte zum Tragen:
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Der Anwalt muss auf den drohenden Ablauf von Ausschlagungs- oder Annahmefristen (§§ 1944, 1954 BGB etc.) hinweisen. |
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Der Anwalt muss auch über die Folgen der Ausschlagung belehren (Pflichtteilsrecht nur unter den Voraussetzungen des § 2306 BGB; bei der lenkenden Ausschlagung: Prüfung des Nächstbegünstigten). |
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Bei verzögerter Testamentserstellung oder fehlendem Rücktritt von einem Erbvertrag zur Minderung des Ehegattenerbteils kann ein Schadensersatzanspruch wegen einer verhinderten oder geschmälerten Erbenstellung aus einer positiven Vertragsverletzung des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages (§§ 611, 675 BGB) bestehen. |
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Besteht ein Rückübertragungsanspruch aus einem Übergabevertrag, ist der Anwalt u.U. bereits während des Klageverfahrens auf Rücküberlassung zur Absicherung des Rückforderungsanspruchs gehalten, diesen durch eine im Wege der einstweiligen Verfügung zu erwirkenden Vormerkung zu sichern. |
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Der Anwalt muss die notwendige Abstimmung zwischen Gesellschaftsvertrag und Testament vornehmen und dafür Sorge tragen, dass gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklauseln nicht ins Leere laufen. Im Zweifelsfall muss er eine testamentarische Gestaltung wählen, die eine Einziehung der Gesellschafteranteile (gegen eine Abfindung unter dem Verkehrswert) unmöglich gemacht hätte. |
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Gegebenenfalls sind auch steuerlich günstigere Alternativszenarien aufzuzeigen oder auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen, wenn sich z.B. wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung nach §§ 22 Nr. 2, 23 EstG eine steuerliche Belastung aufdrängt und der Anwalt nicht zu einer steuerrechtlichen Beratung bereit oder imstande ist. |
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Der Rechtsanwalt hat den Mandanten auch im Rahmen eines Prozessvergleichs und auch, wenn ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Mitschuldner vorhanden ist, über die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung zu belehren. |
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Der Anwalt kann auch dann zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er aus reiner Gefälligkeit eine unrichtige, schadensverursachende Auskunft erteilt. |
Rz. 60
Auch wenn jeder Rechtsanwalt nach § 51 BRAO zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet ist, kann sich dies gerade in Erbrechtsmandaten als nicht ausreichend erweisen.
Nach der Neuregelung des Berufsrechts zum 1.8.2022 sind sämtliche Berufsausübungsgesellschaften verpflichtet, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und es gelten folgende Mindestversicherungssummen:
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Einzelkanzlei/Rechtsanwalt: unverändert Mindestversicherungssumme 250.000 EUR je Versicherungsfall (§ 51 Abs. 4 BRAO). Eine Einzelkanzlei kann aus mehreren Berufsträgern bestehen, wenn es sich neben dem Inhaber ausschließlich um angestellte Berufsträger handelt, die Erfüllungsgehilfen des Inhabers nach § 278 BGB sind. Jeder Berufsträger muss aber eine eigene Versicherung unterhalten. |
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Beschränkt haftende Berufsausübungsgesellschaften (PartG mbB, GmbH, AG, UG und verschiedene ausländische Berufsausübungsgesellschaften, z.B. die LLP): Mindestversicherungssumme 2.500.000 EUR je Versicherungsfall (§ 59o Abs. 1 BRAO), bei weniger als elf Berufsträgern 1.000.000 EUR (§ 59o Abs. 2 BRAO). |
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Unbeschränkt haftende Berufsausübungsgesellschaften (GbR, OHG und Partnerschaft ohne beschränkte Berufshaftung): Mindestversicherungssumme 500.000 EUR je Versicherungsfall (§ 59o Abs. 3 BRAO). |
Bei fehlendem Mindestversicherungsschutz haften die Gesells...