Rz. 15
Um die Beteiligten vor ungewollten Haftungs- oder Gebührenrisiken zu schützen, kann ein stillschweigend (konkludent) geschlossener Anwaltsvertrag nicht ohne Weiteres angenommen werden. Im Interesse der Rechtssicherheit sind an die Annahme eines Vertragsschlusses durch schlüssiges Verhalten erhöhte Anforderungen zu stellen. So reicht für die Annahme des Angebots auf Abschluss eines Anwaltsvertrages allein die Übersendung des Vollmachtformulars nicht aus, wenn das Tätigwerden des Anwalts vom Vorliegen einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung abhängig gemacht und diese Zusage letztlich nicht erteilt wurde. Die Annahme eines Vertragsschlusses durch schlüssiges Verhalten ist nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Beteiligten von dem anderen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eindeutig und zweifelsfrei als eine auf den Abschluss eines Anwaltsvertrages gerichtete Willenserklärung aufzufassen ist. Ob sich aus den Umständen im Einzelfall ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Verpflichtungswille schlüssig ergibt (§ 157 BGB), kann nur einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände entnommen werden. Zu diesen Umständen gehört auch die Erfüllung der bereits angesprochenen Belehrungs- und Informationspflichten (vgl. Rdn 12).
Rz. 16
Bei konkludentem Verhalten eines Vertragsteils darf nicht lediglich das ihm zugeschriebene Erklärungsergebnis – hier die angebliche Auftragserteilung – behauptet werden, sondern das tatsächliche Verhalten selbst muss so deutlich sein, dass es auf den ihm zugeschriebenen rechtlichen Erklärungsgehalt hin aus der Sicht des Empfängers unter Berücksichtigung der §§ 133, 157 BGB gewürdigt werden kann. Die Gesamtumstände müssen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen vertragliche Rechte und Pflichten begründet haben. Dabei sind v.a. die wirtschaftliche sowie die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insb. für den Begünstigten, und die Interessenlage der Parteien heranzuziehen, während dem Umstand, dass der Berater für sein Tätigwerden keine Vergütung verlangt, kein entscheidendes Gewicht zukommt.
Rz. 17
Entsprechend können telefonische Mitteilungen eines Steuerberaters einen Auskunftsvertrag begründen, wenn die erteilte Auskunft für den Empfänger von erkennbar erheblicher Bedeutung und zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse bestimmt ist. Ist der Steuerberater weiter für die in Rede stehende steuerliche Auskunft als besonders sachkundig anzusehen und hatte er bereits seit mehreren Jahren regelmäßig die Einkommensteuererklärungen des Empfängers der Auskunft erstellt, kann ausgeschlossen werden, dass der Steuerberater seine Auskunft nur gefälligkeitshalber erteilt haben könnte.
Rz. 18
Ein Anwaltsvertrag kommt etwa durch stillschweigendes Verhalten des Rechtsanwalts zustande, wenn der Rechtsanwalt mit einem Dritten auf Veranlassung des Mandanten korrespondiert, in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren für diesen tätig wird oder eine gewünschte Auskunft erteilt. Umgekehrt kann der Rechtsuchende eine konkludente Annahme auch durch die Entgegennahme der vertraglichen Leistung des Rechtsanwalts zum Ausdruck bringen. Dies kommt v.a. in denjenigen Fällen in Betracht, in denen die Annahmeerklärung des Rechtsanwalts gem. § 150 BGB als neues Angebot zu werten ist.
Rz. 19
Ein konkludent geschlossener Anwaltsvertrag wurde etwa auch bejaht, weil der Rechtsanwalt einen Rechtsuchenden während eines Zwangsversteigerungsverfahrens ständig unterrichtet und briefliche Anfragen pünktlich beantwortet hat und zwischen den Beteiligten wiederholt Gespräche über die Vorgehensweise des Rechtsuchenden stattfanden. Der Rechtsanwalt hatte ferner die Generalvollmacht seines Auftraggebers zu den Verfahrensakten gereicht und war im Verteilungstermin ausdrücklich auch für diesen aufgetreten. Damit hatte der Rechtsanwalt zum Ausdruck gebracht, dass er die Interessen seines Auftraggebers vertreten wollte.
Rz. 20
In einem anderen Fall hatte ein Mandant seinem bereits beauftragten Rechtsanwalt beiläufig eine neue Rechtssache angetragen und hierzu Unterlagen überlassen. Der konkludente Abschluss eines Anwaltsvertrages in der neuen Sache wurde bejaht, weil der Rechtsanwalt darin eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, ein Schreiben entworfen und dem Mandanten vorgeschlagen hatte, dieses Schreiben an die Gegenseite zu versenden. Hierin durfte und musste der Rechtsuchende die Bekundung des Willens des Rechtsanwalts sehen, entsprechend dem in der Übersendung der Schriftstücke liegenden Angebot einen weiteren Anwaltsvertrag abzuschließen.
Rz. 21
Zustande kommen kann ein Anwaltsvertrag auch durch die Rücksendung eines ausgefüllten Vollmachtsformulars per Telefax, welches ein Dritter dem Mandanten übersandt hat. In diesem Fall kann der Anwalt das im Übersenden der ausgefüllten V...