Rz. 165
Im Hinblick auf die Änderung der maßgebenden Kriterien durch die Rechtsprechung, sind Aussagen älterer Entscheidungen nur mit Vorsicht auf heutige Verhältnisse zu übertragen. Streitanfällig ist die Abgrenzung insb. bei Haftungssachverhalten sowie bei Streitigkeiten um das Honorar des Beauftragten. Auch in steuerrechtlicher Hinsicht kann die Abgrenzung Bedeutung erlangen, etwa im Hinblick auf eine Gewerbesteuerpflicht. Um von vornherein Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich für beide Parteien, möglichst schriftlich festzulegen, ob der beauftragte Rechtsanwalt in dieser Eigenschaft oder etwa als Treuhänder, Anlageberater, Makler o.Ä. tätig und entlohnt werden soll.
a) Treuhänderische Vermögensverwaltung
Rz. 166
Zur anwaltlichen Berufstätigkeit kann gem. § 43a Abs. 5 Satz 2 BRAO, § 4 BORA u.a. die Verwahrung und/oder Verwaltung von Fremdgeldern gehören. Der BGH hat entschieden, dass auch die Treuhandtätigkeit (vgl. § 9 Rdn 8 f., § 12 Rdn 21 ff.) zum Berufsbild des Rechtsanwalts gehört. Ein Rechtsanwalt, der als Treuhänder bei einem Anlagemodell die eingezahlten Gelder zu überwachen oder zu verwalten hat, schließt mit den Anlegern jedenfalls dann einen Anwaltsvertrag, wenn es zu seinen Aufgaben auch gehört, die Anleger in den mit der Beteiligung und deren Verwaltung auftretenden Rechtsfragen zu beraten.
Rz. 167
Der II. Zivilsenat des BGH hat diese Voraussetzung für die treuhänderische Verwaltung von Anlagebeteiligungen bejaht. Beteilige sich ein Anleger über einen Treuhänder mittelbar an einem Kapitalanlagemodell, das durch eine besondere zivilrechtliche Gestaltung eine wirtschaftlich und steuerlich günstige Geldanlagemöglichkeit schaffen soll, setze die treuhänderische Verwaltung der Beteiligung nicht nur Kenntnisse des Steuerrechts, sondern auch zivilrechtliche Kenntnisse voraus. Der Treuhänder, der sich im Interesse der Anleger an einem Kapitalanlagemodell beteilige, habe dabei deren Belange wahrzunehmen; dazu gehöre auch die Beratung der Anleger in den mit der Beteiligung und deren Verwaltung auftretenden Rechtsfragen. Für die haftungsrechtliche Bewertung – vorliegend für die Anwendbarkeit der früheren Verjährungsvorschrift § 51b BRAO a.F. – sei nicht entscheidend, dass § 1 Abs. 2 BRAGO in der damals geltenden Fassung die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Treuhänder ausdrücklich vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausnehme; auch andere anwaltliche Tätigkeit könne kraft Vereinbarung nach Grundsätzen außerhalb der BRAGO (jetzt: des RVG) abgerechnet werden. Ausschlaggebend sei, dass es sich um eine Tätigkeit handele, die zum typischen Berufsbild des Rechtsanwalts gehöre.
Rz. 168
Demgegenüber hat der III. Zivilsenat des BGH später ausgeführt, dass ein Rechtsanwalt, der verpflichtet ist, die Verwendung der Gelder zu überwachen sowie die Anleger auf die typischen wirtschaftlichen Risiken der Anlage und auf regelwidrige Umstände in der Abwicklung durch die Anlegegesellschaft hinzuweisen, mit den Anlegern keinen Anwaltsvertrag schließe. Dann träfen den Treuhänder zwar Überwachungs- und Aufklärungspflichten, nicht aber die Verpflichtung, die Anleger auf zivilrechtlichem und steuerrechtlichem Gebiet zu beraten.
Rz. 169
Der VII. Zivilsenat hatte 1966 eine anwaltliche Berufstätigkeit bzgl. einer allgemeinen Vermögensverwaltung ganz abgelehnt. Der Senat hat darauf abgestellt, dass ein Vermögensverwalter zwar vielfach Geschäfte zu erledigen habe, für die es des Rechtsrats bedürfe. Sie pflegten aber nicht das Wesen einer solchen Verwaltung zu bestimmen. Der Verwalter habe v.a. die Grundsätze der Rentabilität zu berücksichtigen und darauf bedacht zu sein, die ihm anvertrauten Werte sicher und gewinnbringend anzulegen. Darüber hinaus habe er, wenn etwa Miethäuser den wesentlichen Bestand bildeten, mit Dingen zu tun, die sich weit vom Aufgabenkreis eines Rechtsanwalts entfernten. Geschäfte dieser Art würden im Allgemeinen von Angehörigen anderer Berufe und nicht von Rechtsanwälten erledigt. Eine bloße Vermögensbetreuung im Rahmen eines Treuhandvertrags ohne rechtsberatende oder -vertretende Tätigkeit soll auch heute nicht anwaltstypisch sein.
Rz. 170
Das OLG Düsseldorf hat im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des BGH entschieden, dass kein Anwaltsvertrag zustande kommt, wenn ein Rechtsanwalt für seinen Auftraggeber Geldbeträge in Empfang zu nehmen und/oder weiterzuleiten hat, um ein Darlehensverhältnis mit einem im Ausland ansässigen Darlehensnehmer anzubahnen und abzuwickeln, soweit hiermit keine rechtliche Beratung verbunden ist, sondern der Rechtsanwalt lediglich die wirtschaftlichen Interessen seines Auftraggebers wahrnimmt.