Rz. 270
Da der Prozess- und der Verkehrsanwalt selbstständig für Fehler in ihrem jeweiligen vertraglichen Verantwortungsbereich einzustehen haben, haften sie dem gemeinsamen Auftraggeber grds. nicht als Gesamtschuldner.
Rz. 271
Eine gesamtschuldnerische Haftung des Prozessbevollmächtigten und des Verkehrsanwalts kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn beide Rechtsanwälte unabhängig voneinander eine – jeweils eigene, im Rahmen ihrer selbstständigen Verträge mit dem Mandanten bestehende – Pflicht verletzen und deshalb beide für den entstandenen Schaden in gleicher Weise verantwortlich sind. Voraussetzung ist, dass es sich dabei um ein und dieselbe Pflicht handelt (sog. Pflichtenüberschneidung). Dann liegt eine Zweckgemeinschaft der beteiligten Rechtsanwälte vor, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung i.S.d. § 421 BGB führt. Hierzu sind vorrangig die den beteiligten Rechtsanwälten obliegenden Pflichten anhand der vertraglich übernommenen Aufgaben im Einzelfall festzustellen. Eine gesamtschuldnerische Haftung von Prozess- und Verkehrsanwalt wurde angenommen, wenn beide Rechtsanwälte
▪ |
gerichtliche Auflagen nicht beachtet bzw. es unterlassen haben, den Inhalt dieser Auflagen richtigzustellen; |
▪ |
es versäumt haben, eine Rechtsmittelfrist zu wahren; |
▪ |
eine sachlich nicht gebotene prozessuale Erklärung in einer gemeinsam wahrgenommenen mündlichen Verhandlung abgegeben, z.B. eine Klage zurückgenommen haben; |
▪ |
es versäumt haben, verjährungsunterbrechende Maßnahmen einzuleiten, oder |
▪ |
eine einstweilige Verfügung nicht durch Zustellung im Parteiverkehr vollzogen haben. |
Rz. 272
Wenn Prozess- und Verkehrsanwalt als Gesamtschuldner für den Schaden des Auftraggebers verantwortlich sind, erfolgt der Haftungsausgleich im Innenverhältnis gem. § 426 BGB. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Da derjenige, der eine von der Grundregel abweichende Verteilung verlangt, für die Tatsachen beweispflichtig ist, welche die Abweichung rechtfertigen sollen, wird es regelmäßig bei der gleichteiligen Haftung bleiben. Für die Bemessung des Gesamtschuldnerausgleichs im Innenverhältnis ist der Gedanke des § 254 BGB heranzuziehen. Danach kommt es v.a. auf eine Bewertung des Maßes der Verursachung und des Verschuldens im Einzelfall an. Dabei kann die Abwägung zu einer Schadensteilung, aber auch zur alleinigen Belastung eines Ersatzpflichtigen führen. Beschränkt sich die Mithaftung eines Gesamtschuldners darauf, dass er den anderen Gesamtschuldner nicht ausreichend beaufsichtigt hat, ist er i.d.R. nicht ausgleichspflichtig. Hat ein Gesamtschuldner ggü. dem anderen eine besondere Vertragspflicht verletzt, ist dies bei der Abwägung zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Der zwischen Prozess- und Verkehrsanwalt vereinbarten Aufteilung des Honorars kommt für den Ausgleichsmaßstab nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Größere Bedeutung kann der Honorarteilung zukommen, wenn die (ungleiche) Aufteilung gerade mit unterschiedlichem Maß an Verantwortung begründet wurde (vgl. § 49b Abs. 3 Satz 3 bis 5 BRAO).