Rz. 409
Abweichend vom Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung (§§ 709, 714 BGB) hat die frühere Rechtsprechung des IX. Zivilsenats die Willenserklärungen der Parteien beim Abschluss eines echten Rechtsberatervertrages regelmäßig dahin gehend ausgelegt, dass der Vertrag mit allen Sozietätsmitgliedern abgeschlossen wird (Gesamtmandat). Wegen besonderer Umstände des Einzelfalls konnten die wechselseitigen Vertragserklärungen ausnahmsweise dahin auszulegen sein, dass einem Sozietätsanwalt ein Einzelmandat erteilt wurde. Das war etwa anzunehmen, wenn ein Rechtsanwalt mit einer Tätigkeit betraut wurde, die außerhalb des durch § 3 Abs. 1 BRAO gekennzeichneten Berufsbildes des Rechtsanwalts liegt und mit einer rechtsberatenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts auch nicht im Zusammenhang stand. Ebenso wurde bei interprofessionellen Sozietäten, also etwa Sozietäten, an denen Rechtsanwälte, Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer beteiligt sind, nur eine persönliche Haftung derjenigen Berufsträger angenommen, die die allgemeinen rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen zur Bearbeitung des erhaltenen Auftrages erfüllen, d.h. berufsrechtlich zur Vertragserfüllung befugt sind, und von denen der Mandant die Bearbeitung des erteilten Auftrages erwartet. Entsprechendes galt für internationale Sozietäten (vgl. Rdn 419 ff.).
Nach der neuen Rechtsprechung wird ein Vertrag regelmäßig mit der Sozietät geschlossen, wenn die Rechtsberater in einer GbR verbunden sind, es sei denn, einem Sozius wird ausnahmsweise ein Einzelmandat erteilt. Eine solche Ausnahme liegt in den Fällen nahe, in denen auch nach früherer Rechtsprechung von einem Einzelmandat ausgegangen wurde, wenn nämlich ein Rechtsanwalt mit einer nicht anwaltstypischen Aufgabe betraut wird oder bei einer Beiordnung im Wege der PKH (vgl. Rdn 193). Maßgebend sind nach wie vor die vom Tatrichter festzustellenden besonderen Umstände des Einzelfalls. Keine anwaltstypische Tätigkeit kann etwa eine Treuhandtätigkeit darstellen, welche nicht mit einer Rechtsberatung in Zusammenhang steht.
Rz. 410
Im negativen Sinn entschieden ist nunmehr die zunächst offene Frage, ob bei gemischten (interprofessionellen) Sozietäten die Vertragsauslegung beibehalten werden kann, dass Parteien des Beratervertrages nur diejenigen Sozien werden, die den Mandatsgegenstand fachlich bearbeiten können und berufsrechtlich erledigen dürfen. Der IX. Zivilsenat hatte seine frühere Auffassung nicht aufgegeben. Auch wurde unter Geltung der neuen Grundsätze als Ergebnis einer Vertragsauslegung entschieden, dass ein durch die frühere Beratung ausgelöster Folgeauftrag ebenfalls allein mit dem einer gemischten Sozietät angehörenden Rechtsanwalt geschlossen wird, sofern er nicht erkennbar zum Ausdruck bringt, nunmehr namens der Sozietät zu handeln. Diese Auslegung gilt allerdings auch für den umgekehrten Fall: War bereits das zeitlich nahe vorausgehende Vorläufermandat bei gleichen berufsrechtlichen Beschränkungen der gemischten Sozietät erteilt, so gilt dies im Zweifel auch für das Folgemandat.
Im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit der in der Rechtsform einer GbR geführten Sozietät und der hieraus folgenden akzessorischen Haftung ihrer Gesellschafter lässt sich vertreten, dass diese Haftungsgrundsätze auch auf Sozietäten anzuwenden sind, die sich aus unterschiedlichen Berufsangehörigen zusammensetzen (sog. interprofessionelle bzw. gemischte Sozietät): Der Mandatsvertrag kommt mit der Sozietät zustande; die internen Zuständigkeits- und Zulässigkeitsfragen berühren den Mandanten nicht. Dabei werden allerdings die versicherungsrechtlichen Bedenken (vgl. § 18 Rdn 12 f.) nicht hinreichend berücksichtigt. Berufsrechtlich ist die Mandatierung der Sozietät hingegen unproblematisch: § 59a BRAO ist verfassungskonform so auszulegen, dass die gewährte Sozietätsfreiheit das Recht zur typischen Betätigung vom Gesetz zugelassener Rechtsberatersozietäten einschließt, sofern diese rechtsfähig sind. Davon sind insb. der Abschluss und die Erfüllung von Verträgen über rechtsberatende und rechtsbetreuende Dienstleistungen umfasst, wobei die Erbringung allgemeiner Rechtsdienstleistungen durch § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO und § 5 RDG (früher: Art. 1 § 3 Nr. 2, § 5 Nr. 2 RBerG) den Gesellschaftern vorbehalten bleibt, die Rechtsanwälte sind.
Nunmehr hat der IX. Zivilsenat nicht nur allgemeine Rechtsdienstleistungsverträge mit gemischten Beratersozietäten zugelassen, sondern den Vorteil des Mandanten betont, der die rechtsfähige Sozietät als Haftungsschuldner gewinne, wenn er dieser das Mandat erteile. Erst recht liege eine Mandatserteilung an die Sozietät typischerweise nur im Interesse des Mandanten, wenn – was nicht entscheidungserheblich war – eine persönliche Haftung aller (auch der nichtanwaltlichen Sozien) entsprechend § 128 HGB bei Schlechterfüllung anwaltlicher Dienstleistungen anzunehmen wäre. Diese Hypothese wurde nun Realität: "Wird ei...