Rz. 115
Der Auftraggeber verhält sich vertragswidrig i.S.d. § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn er durch schuldhaftes Verhalten das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört hat und dem Rechtsanwalt die weitere Durchführung des Mandats billigerweise nicht zugemutet werden kann. Im Schrifttum hat Pabst den Versuch unternommen, typische Fälle vertragswidrigen Verhaltens des Auftraggebers aufzuzeigen. Danach verhält sich der Auftraggeber vertragswidrig i.S.d. § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn er
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einen angeforderten Gebührenvorschuss nicht zahlt, obwohl der Rechtsanwalt zuvor angedroht hat, das Mandat in diesem Fall niederzulegen; |
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bewusst fehlerhafte bzw. hartnäckig unvollständige Informationen erteilt, obwohl der Rechtsanwalt dem Auftraggeber zuvor angedroht hat, das Mandat niederzulegen; |
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einen anderen Rechtsanwalt beauftragt und dadurch Zweifel an der Tauglichkeit des ursprünglich beauftragten Rechtsanwalts zum Ausdruck bringt; |
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unbegründete und/oder in der Form unangemessene Vorwürfe gegen den Rechtsanwalt erhebt; |
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unberechtigte Schadensersatzansprüche geltend macht; |
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unzumutbare Anforderungen stellt, insb. bewusst und hartnäckig verlangt, dass der Rechtsanwalt gegen Gesetze oder berufsrechtliche Vorschriften verstößt; |
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vom Rechtsanwalt trotz ordnungsgemäßer Aufklärung verlangt, an einer offenkundig aussichtslosen Rechtsposition festzuhalten. |
Rz. 116
Nach Ansicht des BGH liegt ein wichtiger Grund des Rechtsanwalts zur Kündigung des Anwaltsvertrages vor, wenn das Vertrauensverhältnis zerstört ist, weil der Mandant wiederholt ggü. dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt grundlose Anschuldigungen erhoben und unberechtigte Regressansprüche angemeldet hat.
Rz. 117
Das OLG Düsseldorf hat vertragswidriges Verhalten nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB angenommen, weil der Mandant seinem Rechtsanwalt vorgeworfen hatte, mit der Gegenpartei zusammengewirkt und sich daher wegen Parteiverrats (§ 356 StGB) strafbar gemacht zu haben. Dann sei dem Rechtsanwalt die Fortsetzung des Mandatsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Dies führe dazu, dass der Rechtsanwalt nicht mehr imstande ist, die Interessen seines Auftraggebers unvoreingenommen und mit der nötigen Einsatzbereitschaft wahrzunehmen. Die für die Bearbeitung eines Mandats unverzichtbare Vertrauensgrundlage entfalle bereits, wenn ein entsprechendes Verhalten ernstlich in Erwägung gezogen und ggü. dem beauftragten Rechtsanwalt behauptet werde. Ob der Mandant eine angebliche Strafanzeige wirklich gestellt habe, sei unerheblich.
Rz. 118
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Weisungen des Mandanten, die den Vorstellungen des Anwalts zuwiderlaufen, ein vertragswidriges Verhalten i.S.v. § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellen, hat das OLG Köln ausführlich Stellung genommen. Diese Frage könne nicht generell beantwortet werden. Es sei zu unterscheiden, ob Meinungsverschiedenheiten einen Bereich beträfen, der letztlich der Entscheidung des Auftraggebers selbst unterliege, oder aber ein Gebiet, auf dem die eigenverantwortliche Tätigkeit des Rechtsanwalts im Vordergrund stehe. Es sei die ausschließliche Aufgabe des mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwalts, rechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen; der Auftraggeber könne lediglich den Umfang des Sachvortrags, allenfalls noch die äußere Gestaltung des Schriftsatzes bestimmen. Wenn der Auftraggeber trotz Unterrichtung über die Rechtslage Weisungen zum Inhalt eines Schriftsatzes in rechtlicher Hinsicht gegeben habe, habe er die ihm als Auftraggeber zustehenden Befugnisse überschritten. Dann habe der Auftraggeber nicht dem Mandatsverhältnis entsprechend, also vertragswidrig, gehandelt.
Rz. 119
Das OLG Karlsruhe hat die Ansicht vertreten, dass ein Mandant sich nicht vertragswidrig verhalte, wenn er darauf beharre, ein aussichtsloses Rechtsmittelverfahren durchzuführen.
Rz. 120
Die Kündigung des Auftrags durch den Rechtsanwalt ist nach Meinung des OLG München dann nicht durch vertragswidriges Verhalten des Mandanten veranlasst, wenn dieser von dem Rechtsanwalt berufsrechtswidriges Vorgehen, etwa persönliche und unsachliche Angriffe auf Richter verlange. Von einem Rechtsanwalt werde erwartet, dass er ein derartiges Anliegen des Mandanten zurückweise. Erst wenn der Mandant hartnäckig auf seiner Weisung bestehe, habe der Rechtsanwalt einen berechtigten Anlass zur Kündigung des Anwaltsvertrages. In derselben Entscheidung hat das OLG München ausgeführt, dass eine Kündigung des Mandats durch den Rechtsanwalt auch nicht allein deswegen gerechtfertigt sei, weil der Auftraggeber in einer anderen Sache das Mandat gekündigt habe, sofern dies ohne beleidigende oder ehrverletzende Äußerungen des Mandanten geschehen sei.
Rz. 121
Kündigt der Rechtsanwalt das Mandat während eines laufenden Prozesses, könne er – ohne vertragswidriges Verhalten des Mandanten – keine Gebühren verlangen, soweit der Mandant nach der Kündigung an einen zweiten Anwalt die gleichen Gebühren bezahlen müsse. Ein "vertragswidriges Verhalten" i....