Rz. 135
Ein Rechtsanwalt erbringt seine berufliche Leistung in aller Regel, jedoch nicht zwangsläufig aufgrund eines echten Anwaltsvertrages. Er kann mit seinem Auftraggeber auch einen Vertrag schließen, der eine anwaltsfremde Tätigkeit zum Gegenstand hat oder im Rahmen seiner beruflichen Betätigung Rechtsbeziehungen zu anderen Personen aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses begründen, insb. bei der amtlichen bzw. amtsähnlichen Tätigkeit. Ebenso gibt es Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Anwalts unvereinbar sind.
Bedeutung hat die Unterscheidung für das Gebührenrecht (vgl. § 1 RVG), für das vom Rechtsanwalt zu beachtende Berufsrecht und für die anwaltliche Haftung. Die Einordnung des Schuldverhältnisses betrifft nicht nur die zu beachtenden Sorgfaltsstandards. Bis zum 15.12.2004 hatte dies etwa auch Bedeutung für die Verjährung eines solchen Schadensersatzanspruchs (§ 51b BRAO a.F.). Für den Rechtsanwalt selbst ist von erheblicher Bedeutung, welche Tätigkeiten im Rahmen seiner Berufsausübung von der Berufshaftpflichtversicherung (§ 51 BRAO) abgedeckt sind (vgl. § 18 Rdn 35 ff.).
I. Vertrag über anwaltstypische Tätigkeit
Rz. 136
Für einen echten Anwaltsvertrag ist gem. § 3 BRAO kennzeichnend, dass ein Rechtsanwalt sich verpflichtet, seinen Auftraggeber in dessen Rechtsangelegenheiten zu beraten und/oder zu vertreten, und zwar sowohl ggü. Dritten als auch vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden. Schließt ein Rechtsanwalt mit einem Auftraggeber einen solchen Vertrag, der ihn zu der anwaltstypischen Aufgabe des rechtlichen Beistands im weitesten Sinne verpflichtet, handelt es sich um einen "Anwaltsvertrag" und um "anwaltliche Berufstätigkeit".
Schließt der Rechtsanwalt mit dem Auftraggeber einen Vertrag ohne Rechtsbeistandspflicht, dessen Gegenstand eine anwaltsuntypische bzw. anwaltsfremde Aufgabe betrifft, wird regelmäßig auch ein Dienst- oder Werkvertrag vorliegen, der sich auf eine Geschäftsbesorgung bezieht (§§ 611 bzw. 631, 675 Abs. 1 BGB). Im Vordergrund der folgenden Ausführungen stehen die Besonderheiten des "echten" Anwaltsvertrages. Ein solcher Vertrag ist gemeint, wenn von einem "Anwaltsvertrag" und von "anwaltlicher Berufstätigkeit" die Rede ist. Der "unechte" Vertrag eines Rechtsanwalts mit seinem Auftraggeber ohne Rechtsbeistandspflicht folgt den allgemeinen Regeln (zur Abgrenzung vgl. Rdn 161 ff.).
II. Mehrfachberufler
Rz. 137
Abgrenzungsfragen stellen sich bei Mehrfachberuflern, wenn also diejenige Tätigkeit, die Gegenstand des einem Rechtsanwalt erteilten Auftrags ist, auch aufgrund eines anderen Berufs, dem der Auftragnehmer angehört, v.a. als Notar oder als Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer, erledigt werden kann. Wenn ein Rechtsanwalt in mehr als einem Staat zugelassen ist, ist das Recht, das auf die beruflichen Rechtsbeziehungen mit Dritten, insb. auf den Anwaltsvertrag anzuwenden ist, nach den Regeln des Internationalen Privatrechts zu ermitteln (vgl. Rdn 203 ff.).
1. Anwaltsnotar
Rz. 138
In vielen Bundesländern werden die Aufgaben des Notars von Rechtsanwälten wahrgenommen (sog. Anwaltsnotar; § 3 Abs. 2 BNotO).
a) Grundlagen
Rz. 139
Die anwaltliche und die notarielle Tätigkeit eines Anwaltsnotars sind im Einzelfall voneinander zu trennen. In seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt ist der Anwaltsnotar gem. § 2 Abs. 1 BRAO freiberuflich aufgrund eines Anwaltsvertrages tätig und der berufene unabhängige Berater und Vertreter seines Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO). Rechtsanwälte, die zugleich Notare sind, dürfen eine Sozietät mit anderen Rechtsanwälten oder mit anderen in § 59a Abs. 1 BRAO aufgeführten Freiberuflern nur bzgl. ihrer anwaltlichen Berufsausübung eingehen (§ 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO). Im Gegensatz zum Rechtsanwalt übt der Notar ein öffentliches Amt aus (§ 1 BNotO), steht ggü. den Beteiligten nicht in einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis und ist ggü. den Beteiligten zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO).
Rz. 140
Nach § 45 Abs. 1 Nr. 1, 2 BRAO darf ein Rechtsanwalt insb. nicht tätig werden, wenn er in derselben Rechtssache als Notar (oder als Notarvertreter bzw. Notariatsverweser) bereits tätig geworden ist oder wenn er in dieser Eigenschaft eine Urkunde aufgenommen hat und deren Rechtsbestand oder Auslegung streitig ist oder die Vollstreckung aus einer solchen Urkunde betrieben wird. So kann etwa ein Rechtsanwalt, der mit der Übernahme des Betreueramtes gegen ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 2 BRAO verstoßen würde, nicht zum Betreuer bestellt werden. Die Verbote gelten gem. § 45 Abs. 3 BRAO auch für die mit dem Rechtsanwalt in Soz...