Rz. 413
Nach dem vertragsrechtlichen Konzept der bisherigen Rechtsprechung haftete ein neu in eine Sozietät eingetretener Rechtsanwalt grds. nicht für Schadensersatzansprüche aus einem Mandatsverhältnis, das zu dem Zeitpunkt seines Eintritts bereits abgeschlossen war. In laufende Mandate wurde das neu eintretende Sozietätsmitglied danach nur aufgrund entsprechender Vereinbarung mit dem Mandanten einbezogen. Eine solche Einbeziehung konnte auch stillschweigend erfolgen. Im Zweifel wurde angenommen, sowohl der Mandant, als auch die Sozietät hätten den Willen, im Fall einer Sozietätserweiterung das hinzutretende Mitglied von diesem Zeitpunkt an in das Auftragsverhältnis einzubeziehen.
Rz. 414
Da die geänderte Rechtsprechung auch Freiberufler-Sozietäten in der Rechtsform der GbR betrifft, haftet der in eine Rechtsanwaltssozietät in Form einer GbR eintretende Rechtsanwalt für vor seinem Eintritt begründete Verbindlichkeiten der Sozietät in analoger Anwendung von § 130 HGB grds. auch persönlich und als Gesamtschuldner mit den Altgesellschaftern. Dabei blieb nur offen, ob eine Ausnahme für Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen gem. § 8 Abs. 2 PartGG in Betracht kommen könnte, was überwiegend verneint wird.
Es spricht einiges dafür, dass sich auch der BGH gegen eine solche Privilegierung aussprechen wird. Zur Haftung einer Sozietät für deliktisches Handeln eines Scheinsozius wurde ausgeführt, das in § 128 HGB zum Ausdruck kommende Haftungsprinzip treffe auch auf die berufshaftungsrechtlichen Verbindlichkeiten einer Anwaltssozietät zu. Wenn im Allgemeinen ein Gesellschafter für ein fremdes Delikt einstehen müsse, sei nicht einzusehen, weshalb dies bei einem anwaltlichen Sozius anders sein solle. Die Rechtsanwälte, die sich zu einer Sozietät zusammenschlössen und werbend als solche aufträten, nähmen auch das Risiko auf sich, dass ein Sozius das in ihn gesetzte Vertrauen missbrauche. Gründe für eine unterschiedliche Behandlung im Bereich der vertraglichen Haftung sind nicht ersichtlich. Allein eine Analogie zu § 8 Abs. 2 PartGG, die vom BGH jedoch abgelehnt wird, hätte eine solche Haftung verhindern können. Dies wäre umso wichtiger gewesen, als derartige Haftungsrisiken die wirtschaftliche Existenz des neu eintretenden Sozius vernichten können: Während sich unbekannt gebliebene Pflichtverletzungen ("Verstöße") grds. über den Einschluss einer Rückwärtsversicherung decken lassen (vgl. § 18 Rdn 96, 98 f.), scheidet diese Möglichkeit für vor seinem Eintritt begangene wissentliche Pflichtverletzungen (vgl. § 18 Rdn 70 ff.) von Alt- (Schein-)Sozien ebenso aus wie beim Vorliegen sonstiger Versicherungsausschlüsse (vgl. § 18 Rdn 56 ff.). Neu-Sozien haben damit keine Möglichkeit, ihre etwaige Haftung für Altverbindlichkeiten analog § 130 HGB umfassend zu versichern.
Rz. 415
Hiervon zu trennen ist die Haftung eines Rechtsanwalts, der sich mit einem bisher als Einzelanwalt tätigen anderen Rechtsanwalt zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Sozietät in einer Rechtsform einer GbR (zur Partnerschaftsgesellschaft vgl. Rdn 437) zusammenschließt. Der so beitretende Anwalt haftet nicht entsprechend § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 128 Satz 1 HGB für die im Betrieb des bisherigen Einzelanwalts begründeten Verbindlichkeiten. Da die entsprechende Anwendung von § 28 Abs. 1. Satz 1 HGB ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der Altverbindlichkeiten ausscheidet, kann auch dann nichts anderes gelten, wenn der Neugesellschafter die bestehende Altverbindlichkeit der Gesellschaft im Beitrittszeitpunkt kennt oder wenn er sie bei auch nur geringer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Für die Einbringung der Einzelkanzlei eines Rechtsanwalts in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt, dass die Gesellschaft auch dann nicht für eine im Betrieb des bisherigen Einzelanwalts begründete Verbindlichkeit haftet, wenn dieser im Rechtsverkehr den Anschein einer Sozietät gesetzt hatte.