Leitsatz
Schließt sich ein Rechtsanwalt mit einem bisher als Einzelanwalt tätigen anderen Rechtsanwalt zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Sozietät in der Form einer BGB-Gesellschaft zusammen, so haftet er nicht für die im Betrieb des bisherigen Einzelanwalts begründeten Verbindlichkeiten.
Sachverhalt
Der Beklagte war von 1993 bis 1996 Sozius des Rechtsanwalts K. Dieser ist rechtskräftig zur Zahlung von ca. 1,4 Mio. DM verurteilt worden. Das dieser Zahlungsklage zugrunde liegende Vertragsverhältnis zwischen K und dem damaligen Mandanten war vor der Gründung der Sozietät mit dem Beklagten zustande gekommen. Der Kläger nimmt nunmehr den Beklagten mit der Begründung in Anspruch, er hafte als ehemaliger Sozius gesamtschuldnerisch für die von K während des Bestehens der Sozietät begangenen Pflichtverletzungen, die in der Veruntreuung von Mandantengeldern bestünden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der BGH bestätigte diese Entscheidungen.
Entscheidung
Der BGH lehnt zunächst einen vertraglichen Anspruch des Klägers ab. Nach der Rechtsprechung erstrecken sich bei der Gründung einer Anwaltssozietät die bereits vorher den einzelnen Anwälten erteilten Einzelmandate nicht ohne weiteres auf die übrigen Mitglieder der Sozietät. Vielmehr bedarf es hierzu einer zumindest stillschweigenden Einbeziehung der Sozien in das bisherige Einzelmandat. Denn bei Auftragserteilung haben weder der Mandant noch der Anwalt den Willen, das Auftragsverhältnis mit den Mitgliedern der noch gar nicht bestehenden Sozietät abzuschließen. Ein entsprechender Wille der Vertragsschließenden kann bei der späteren Gründung der Sozietät bereits denknotwendig nicht vorliegen.
Andererseits sieht der Senat auch keine gesetzliche Grundlage für eine Ersatzpflicht, insbesondere auch nicht in § 28 Abs. 1 Satz 1 HGB, nach dem eine Personenhandelsgesellschaft für Verbindlichkeiten des früheren Einzel-Geschäftsinhabers haftet. Denn diese Bestimmung setzt zunächst dessen Kaufmannseigenschaft voraus, die bei einem Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe ausscheidet. Auch eine erweiternde Auslegung der Bestimmung wäre auf eine Freiberuflersozietät nicht anzuwenden. Denn das Rechtsverhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten ist – selbst wenn sich der Anwalt mit anderen zur beruflichen Zusammenarbeit verbunden hat – in erster Linie durch die persönliche und eigenverantwortliche anwaltliche Dienstleistung geprägt und an die Person des beauftragten Anwalts geknüpft. Der Mandant, der gerade keine Sozietät von mehreren Anwälten beauftragt, darf bei Auftragserteilung davon ausgehen, dass der beauftragte Anwalt die ihm aufgrund besonderen Vertrauens übertragene Dienstleistung persönlich erbringt. Der Einzelanwalt wird als Person und nicht als Unternehmen zum unabhängigen Berater in Rechtsangelegenheiten berufen. Soll aber ein Vertragsverhältnis nach dem Willen der Beteiligten persönlicher Art sein, greift der Gedanke einer auf die Kontinuität eines Unternehmens gestützten Haftungserstreckung nicht. Da die persönliche Leistungserbringung die berufliche Tätigkeit des Einzelanwalts insgesamt charakterisiert, sind nicht etwa nur einzelne Rechtsverhältnisse oder Verbindlichkeiten von einem Übergang der Haftung auszunehmen, sondern es ist eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 HGB auf den Eintritt in das "Geschäft" eines Einzelanwalts grundsätzlich zu verneinen.
Praxishinweis
Gesellschafter einer OHG haben nach § 28 Abs. 2 HGB die Möglichkeit, die Haftung für Altverbindlichkeiten auszuschließen. Dies geschieht durch eine entsprechende Eintragung in das Handelsregister, die Dritten gegenüber dann umfassend wirkt.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 22.1.2004, IX ZR 65/01