Kurzfristig keimte bei vielen betroffenen Anwälten Hoffnung, als der BGH (Beschluss v. 18.10. 2004, AnwZ(B) 43/03) einen insolventen Rechtsanwalt rehabilitierte, dem die zuständige Kammer bereits die rote Karte gezeigt hatte. Eigentlich war das auch verständlich, denn der Jurist stand bei seinen Gläubigern mit rund 557.000 EUR in der Kreide. Ins Rollen kam die finanzielle Misere – wie so oft -, als der Anwalt eine Steuerforderung des Finanzamtes über 77.000 EUR nicht ausgleichen konnte.
Der betroffene Anwalt, dem der BGH ein Rettungsfloß zubilligte, schaffte den Ausstieg aus der Abwärtsspirale, indem sich eine größere Kanzlei mit untadeligem Ruf seiner annahm und ihn in ein Angestelltenverhältnis übernahm. Eine wichtige Rolle bei der Entscheidung des BGH spielten der bis zum Vermögensverfall hervorragende Ruf des Anwalts sowie die Tatsache, dass er selbst den Insolvenzantrag gestellt hatte. Beides machte es laut BGH glaubhaft, dass er sich in der Praxis der strengen Kontrolle durch die Anstellungssozietät stellen werde.
Strenger Anstellungsvertrag
Im Arbeitsvertrag wurde unter anderem vereinbart,
- dass der Anwalt weder auf dem Briefkopf noch auf dem Praxisschild namentlich aufgeführt wird,
- er keine eigenen Mandate annehmen
- und keine Mandantenzahlungen entgegennehmen darf.
Im Fall von Barzahlungen durch Mandanten verpflichtete sich der Anwalt außerdem, einen Sozius und die Bürovorsteherin bzw. deren Vertreterin hinzuzuziehen. Außerdem verpflichtete sich die Sozietät, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens an den Insolvenzverwalter abzuführen und im Übrigen jede Änderung des geschlossenen Anstellungsvertrages unverzüglich mitzuteilen.
Aussicht auf Restschuldbefreiung rechtfertigt „Anwalt light“
Nun mag man sich zu Recht die Frage stellen, ob ein derart in Handschellen gelegter Anwalt überhaupt noch Anwalt im Sinne eines unabhängigen Organs der Rechtspflege ist. Das taten auch die Karlsruher Richter. Mit Blick auf Artikel 12 GG und der nur vorübergehenden Knebelung des Anwalts bis zur Restschuldbefreiung sei dies hinnehmbar. Insgesamt betonte der Anwaltssenat allerdings, dass es sich erstens um einen seltenen Ausnahmefall handele und zweitens nur der Anstellungsvertrag mit einer Sozietät akzeptiert werden könne. Begründung: In einer Einzelkanzlei lasse sich die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen des insolventen Anwalts zum Beispiel während der Urlaubszeit oder bei einer etwaigen Erkrankung des Kanzleiinhabers nicht ausreichend überwachen.
Anstellung bei einem Einzelanwalt akzeptiert der BGH nicht
Dass es dem Bundesgerichtshof mit diesem Nur-in-Sozietät-Prinzip durchaus ernst war, hat er durch zwei anschließende Beschlüsse bestätigt.
Im ersten Fall (Beschluss v. 5.12.2005, AnwZ (B) 13/05) hatte sich ein Anwalt Mitte der 90er Jahre mit Immobilien in Ostdeutschland übernommen. Titulierte Forderungen über 279.000 EUR brachen ihm letztlich das Genick; der Wertverfall der Immobilien trug ihm eine Überschuldung von insgesamt 1,4 Millionen EUR ein. Um dem Widerruf seiner Zulassung zu entgehen, schloss er daraufhin mit einem Einzelanwalt einen Arbeitsvertrag. Doch den erkannten die BGH-Richter nicht an. Die erforderliche Kontrolle der Tätigkeit eines angestellten Anwalts könne auch nicht durch andere Angestellte der Kanzlei übernommen werden, weil diese zu ihm nicht in vertraglicher Beziehung stünden, winkte der BGH ab.
Auch freie Mitarbeit ermöglicht die Rettung der Zulassung nicht
Ebenfalls keine Gnade vor den Augen des BGH fand ein Anwalt, der als freier Mitarbeiter bei einem gerade erst zugelassenen Anwalt anheuerte. Hierdurch werde nach außen hin der Anschein einer nach wie vor uneingeschränkten selbstständigen Berufssauübung erweckt, kritisierten die BGH-Richter und bestätigten zugleich den Zulassungswiderruf der Kammer.
Chance der schnelleren Restschuldbefreiung können nur wenige nutzen
Nur wer im Anschluss an eine Insolvenz also das Glück hat, in einer größeren Kanzlei als angestellter Anwalt unterzukommen, darf während der 3-jährigen Wohlverhaltensphase nach dem Verbraucherinsolvenzrecht seinen Beruf weiter ausüben.
Selbst diese Lösung greift aber nur, wenn der Insolvenzverwalter bestätigt, dass keine Mandantenforderungen offen stehen. Dazu kommt: Wer bereits nach 3 Jahren aus der Insolvenz raus sein will, muss bis dahin mindestens 35 % der offenen Forderungen begleichen. Doch das gelingt den Wenigsten.