Rz. 385
Mögliche Rechtsformen anwaltlicher Zusammenarbeit sind ein ständiges Diskussionsthema. Im Mittelpunkt des Interesses stand lange die Zulässigkeit des Zusammenschlusses von Rechtsanwälten in einer GmbH. 1995 ist das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) in Kraft getreten ist. Mittlerweile gibt es auch Anwaltsgesellschaften in der Rechtsform der AG. Zunehmend sind in Deutschland Rechtsanwälte als Mitglieder von Sozietäten in der Rechtsform ausländischer Gesellschaften niedergelassen. Bereits seit 1989 können sich Anwälte aus den Mitgliedstaaten der EU grenzüberschreitend zu einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) zusammenschließen. Seit 2013 ist auch eine Partnerschaftsgesellschaft in Form der PartGmbB möglich.
Nachfolgend werden einzelne Organisationsformen anwaltlicher Berufsausübungsgemeinschaften, auch in Bezug auf die sich ergebenden Haftungsregime, näher dargestellt:
I. Bürogemeinschaft
1. Rechtsgrundlagen
Rz. 386
Im Gegensatz zu anderen Formen der Zusammenarbeit schließen sich die Mitglieder einer Bürogemeinschaft nicht zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammen, sondern teilen sich lediglich die Infrastruktur (Büro, Bibliothek, EDV, Personal usw.). Jeder Rechtsanwalt wirtschaftet auf eigene Rechnung. Gemeinsame Briefbögen können aber den Anschein einer Sozietät begründen, wenn dabei die Bezeichnung "Kanzleigemeinschaft" oder "Anwaltsgemeinschaft" verwendet wird. In diesem Fall haftet ein freier Mitarbeiter einer anwaltlichen Bürogemeinschaft, die sich nach außen als Scheinsozietät darstellt, für vertragliche Pflichtverletzungen persönlich, wenn er den Rechtsschein setzt, anwaltliches Mitglied der (Schein-)Sozietät zu sein, und gegen den gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgeht. Nach § 59a Abs. 3 BRAO gelten Abs. 1 und 2 entsprechend für Bürogemeinschaften. Gesellschaftsrechtlich ist eine Bürogemeinschaft eine Innengesellschaft. Wie bei der Sozietät ist eine Bürogemeinschaft nur mit sozietätsfähigen Personen (vgl. Rdn 394) zulässig.
2. Haftung
Rz. 387
Rechtsanwälte, die sich zu einer Bürogemeinschaft verbunden haben, haften grds. unabhängig voneinander nur ggü. ihren Vertragspartnern. Dies setzt voraus, dass das Auftreten nach außen dem Innenverhältnis der in einer Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte entspricht. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder einer Bürogemeinschaft kann sich ausnahmsweise ergeben, wenn die Anwälte in ihrer Außendarstellung ggü. dem Auftraggeber den Rechtsschein einer Sozietät hervorrufen. Dann müssen sie sich haftungsrechtlich als Scheinsozietät (vgl. Rdn 411 f.) behandeln lassen. Außerdem kommt eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht, soweit die gemeinsame Infrastruktur betroffen ist.
II. "Verbund"
1. Begriff
Rz. 388
In der (grenzüberschreitenden) Praxis kommt es vielfach vor, dass sich Anwälte (aus mehreren Staaten) vertraglich verbinden, ohne gemeinschaftlich den Beruf ausüben oder ein...