Rz. 480
§ 52 BRAO hat einen berufsrechtlichen und einen zivilrechtlichen Gehalt. Im Folgenden werden nur die zivilrechtlichen Fragen, d.h. die Haftung des Rechtsanwalts ggü. seinem Auftraggeber und die Möglichkeiten einer vertraglichen Haftungsbeschränkung, näher untersucht. § 52 BRAO entspricht inhaltlich weitgehend § 67a StBerG sowie § 54a WPO. Allerdings können Steuerberater und Wirtschaftsprüfer durch vorformulierte Vertragsbedingungen ihre Haftung auch für grobe Fahrlässigkeit beschränken, was dem Rechtsanwalt versagt ist.
1. Sinn und Zweck
Rz. 481
Die Einführung einer vertraglichen Haftungsbeschränkung ermöglicht es dem Rechtsanwalt, sein hohes, möglicherweise existenzgefährdendes Haftungsrisiko in vertretbaren Grenzen zu halten. Die Regelung soll im Haftungsfall die Interessen des Rechtsanwalts und des Mandanten zu einem angemessenen Ausgleich führen. Durch eine klare gesetzliche Regelung sollen Rechtsanwälte das Haftungsrisiko besser kalkulieren können. Das berechtigte Interesse des Rechtsuchenden, den Rechtsanwalt für berufliches Fehlverhalten in Anspruch nehmen zu können, wird durch die eingeführte Pflicht zum Abschluss und der Aufrechterhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung (§ 51 BRAO) gewährleistet. Wirtschaftlicher Schaden, den ein Mandant durch fehlerhafte Berufshandlungen erleide, werde durch eine leistungsfähige Haftpflichtversicherung zuverlässiger ausgeglichen als durch eine unbeschränkte persönliche Haftung des Rechtsanwalts. Handelt es sich damit nach Auffassung des Gesetzgebers um eine angemessene und ausgewogene Regelung, besteht kein Anlass zu einer restriktiven Auslegung.
2. Zeitlicher Anwendungsbereich
Rz. 482
§ 51a BRAO a.F. ist nur auf Haftungsbeschränkungen anwendbar, die am oder nach dem 9.9.1994, also dem Tag des Inkrafttretens der BRAO-Novelle, vereinbart worden sind. Es wird die Ansicht vertreten, für die zeitliche Geltung komme es darauf an, ob die ausgeschlossenen Ansprüche sich auf Pflichtverletzungen beziehen, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes begangen worden sind. Nach altem Recht vereinbarte Haftungsbeschränkungen seien am Maßstab des § 51a BRAO a.F. zu messen. Entsprächen die Haftungsbeschränkungen diesem Maßstab nicht, seien sie unwirksam. Diese Aussagen widersprechen einander. Das Gesetz enthält keinen Ansatzpunkt dafür, dass auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung abzustellen ist. Nach § 51a BRAO a.F. bzw. § 52 BRAO ist vielmehr der Zeitpunkt der Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung maßgeblich. Die Parteien, die Haftungsbeschränkungen vor dem 9.9.1994 vereinbart haben, welche nach dem damaligen Rechtszustand wirksam waren, genießen Vertrauensschutz. Dies betrifft allerdings nur die seltenen Fälle, in denen zulässige Vereinbarungen über eine Haftungsbeschränkung weitere Voraussetzungen als nach § 51a Abs. 1 BRAO a.F. zu erfüllen hatten. Die BRAO enthält auch keine Ausnahmeregelung, welche die Geltung der Vorschrift auf solche Verträge erstreckt, die vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossen worden sind.
3. Reichweite
Rz. 483
Der Anknüpfungspunkt des Gesetzes ist das "Vertragsverhältnis". Damit ist der konkrete Anwaltsvertrag gemeint, weshalb für mehrere Mandate jeweils gesonderte Haftungsbeschränkungen vereinbart werden müssen. Zwar erscheint es möglich, diese in einer Urkunde zusammenzufassen, was aber in der Praxis problematisch sein dürfte. Das einzelne Vertragsverhältnis (Mandat, Streitgegenstand) müsste jeweils genau bezeichnet und – soweit erforderlich – das "aushandeln" dokumentiert werden. Entsprechende Schwierigkeiten ergeben sich bei Dauermandaten und Rahmenverträgen. Aus Sicherheitsgründen sollte deshalb bei der Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen der Begriff "Vertragsverhältnis" i.S.v. "Streitgegenstand" verstanden werden.