Rz. 543
Die zunehmend strengere Haftung aus dem Anwaltsvertrag kann sich für den Rechtsanwalt als existenzgefährdend darstellen. Indessen wird das bestehende Schadensrisiko weitgehend durch die Höhe der Vergütung ausgeglichen, die i.d.R. eine hinreichende Kompensation darstellt. Zwar sind die gesetzlichen Möglichkeiten für Haftungsbegrenzungen zugegebenermaßen nicht sehr stark ausgeprägt, wie insb. die Regelung in § 52 BRAO zeigt, die nicht besonders praxistauglich ist. Letztlich müssen die bescheidenen Möglichkeiten einer Beschränkung der Haftung aber durch die Haftpflichtversicherung kompensiert werden, die jeder Rechtsanwalt zu unterhalten hat. Eine Verlagerung des Risikos der Schlecht- oder Falschberatung auf den Mandanten darf es nicht geben. Die Eröffnung weitreichender Möglichkeiten, Haftungseinschränkungen und -ausschlüsse zu ermöglichen, weil es ein Bedürfnis nach preisgünstigen Beratungsmöglichkeiten geben mag, liefe dem stark reglementierten Anwaltsrecht und der strengen Anwaltshaftung zuwider und würde die Qualität anwaltlicher Beratung in Frage stellen.
Die bei Rechtsanwälten zunehmend beobachtete Eingrenzung ihrer Haftung über die Wahl bestimmter Rechtsformen der Berufsausübung führt zu einer Vielzahl von Gesellschaftsformen mit Unsicherheiten über deren berufsrechtliche Einordnung und die sich ergebenden (Haftungs-)Folgen. Auch dies zeigt, dass ausufernden Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten nicht das Tor geöffnet werden sollte. Über die Fragwürdigkeit der Wahl ausländischer Gesellschaftsformen und der damit verbundenen Folgeprobleme müssen angesichts des möglicherweise bevorstehenden Brexits keine Worte verloren werden. Offensichtlich stellt die seit Juli 2013 mögliche PartGmbB eine befriedigende Lösung der Probleme der gesellschaftsrechtlichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten dar, worauf zumindest die vergleichsweise hohe Zahl der seither ins Leben gerufenen Gesellschaften schließen lässt. Zu begrüßen ist, dass der BGH die Möglichkeit von mehrstöckigen Anwaltsgesellschaften verworfen hat. Deren Zulassung würde zu einer weiteren Verwässerung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen.
Allerdings ist mit dieser Ausgestaltung der Partnerschaftsgesellschaft dem Einzelanwalt nicht geholfen. Insoweit muss sich aber jeder Anwalt darüber im Klaren sein, dass er einem Beruf nachgeht, der auch Haftungsrisiken in sich birgt. Hier zeigt die Praxis aber sehr deutlich, dass die Erfolgsquote von Anwaltsregressen eher gering ist, weil häufig überzogene Erwartungen der Mandanten oder Unbelehrbarkeit Auslöser für Regresse sind. Kommt es zu Verurteilungen, liegen regelmäßig eindeutige Pflichtverletzungen vor, bezüglich derer eine Freizeichnung unangemessen wäre.
Ob sich weitere Herausforderungen im Hinblick auf Vertragsgestaltung und Haftung ergeben, denen sich die Anwaltschaft stellen muss, wenn das BVerfG die Möglichkeiten gemeinschaftlicher Berufsausübung mit anderen als den in § 59a BRAO genannten Berufsträgern ermöglichen sollte, bleibt abzuwarten. Insoweit sollte auch bedacht werden, dass die ständige Ausweitung der Formen anwaltlicher Zusammenarbeit auch eine Ausweitung der Hinweis- und Belehrungspflichten nach sich zieht. Ob es für den Rechtsdienstleister erstrebenswert ist, sich hinter einer anonymen Gesellschaft zu verstecken, muss letztlich die Anwaltschaft entscheiden.
Schließlich bleiben auch weitere Entwicklungen auf dem Markt der Rechtsdienstleistungen im Blickfeld. Während § 59e Abs. 3 BRAO ein Fremdbesitzverbot vorsieht, ist in anderen Mitgliedstaaten wie dem Vereinigten Königreich eine solche Beschränkung nicht gegeben, was zu erheblichen Veränderungen des Marktes führt. Auch hier ist aber schon jetzt zu bezweifeln, ob es nach Austritt des Königreichs aus der EU tatsächlich weiter erstrebenswert ist, Rechtsentwicklungen aus diesem Bereich, dessen Rechtssystem sich zudem von dem hiesigen grundlegend unterscheidet, nachzueifern. Die Voraussetzungen für die Zulassung entsprechend organisierter Rechtsdienstleister nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU dürften ohnehin in Frage zu stellen sein.